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Irans Stromsektor mit Investitionsstau

Die derzeit häufigen Stromausfälle machen die prekäre Situation im iranischen Kraftwerkssektor deutlich. Ob erneuerbare Energien zukünftig eine größere Rolle spielen, ist unklar.

Von Robert Espey | Dubai

Im Juli 2021 kam es aufgrund der seit April immer häufigeren und länger andauernden Stromausfälle in einigen iranischen Städten zu Protesten. Der im August aus dem Amt scheidende Präsident, Hassan Rouhani, entschuldigte sich im Staatsfernsehen für die schweren Versorgungsengpässe.

Als Hauptgründe für die Unterbrechung der Stromversorgung werden die geringen verfügbaren Kapazitäten der Wasserkraftwerke und die ungewöhnlich hohen Temperaturen, die den Stromverbrauch der Klimaanlagen in die Höhe treiben, genannt. Die Leistung der Wasserkraftwerke leidet unter der in diesem Jahr besonders großen Trockenheit.

Stromausfälle sind in Iran aber schon seit Januar ein Problem. Seitens der Regierung wurde der hohe Stromverbrauch der Rechenzentren, die zur Schürfung von Kryptowährung betrieben werden, dafür verantwortlich gemacht. Irans sehr niedrige Strompreise haben unter anderem chinesische Firmen dazu veranlasst, in Iran "Cryptocurrency Mining"-Farmen aufzubauen. Die Rechenzentren werden mehrheitlich ohne Genehmigung betrieben. Etwa 85 Prozent der Farmen verfüge über keine Lizenz, so die Regierung.

Ende Mai wurde der Betrieb der Farmen für vier Monate untersagt. Nach offiziellen Angaben gibt es 50 lizenzierte Farmen, die eine Kraftwerksleistung von 209 Megawatt erfordern. Präsident Rouhani bezifferte im Mai den Bedarf der nicht-genehmigten Mining-Farmen mit 2.000 Megawatt. Im Januar wurde in der Provinz Kerman eine chinesisch-iranische Farm geschlossen, deren Strombedarf bei 175 Megawatt gelegen haben soll.

Stromverbrauch steigt kontinuierlich an

Gemäß der Statistik des Energieministeriums ist der Stromverbrauch in den letzten fünf Jahren (2016/2017 bis 2020/2021; iranische Jahre: 21. März bis 20. März) um insgesamt 26 Prozent auf 287 Milliarden Kilowattstunden gestiegen. Auch die starke Schrumpfung der Wirtschaft infolge der 2018 reaktivierten US-Sanktionen hat nicht zu einem Rückgang des Stromverbrauchs geführt. Ein Zuwachs von 5 Prozent wird für 2020/2021 im Vergleich zum Vorjahr gemeldet.

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Größter Stromkonsument war 2020/2021 der industrielle Sektor mit einem Anteil am gesamten Stromverbrauch von 36,3 Prozent. Es folgten die privaten Haushalte (32,4 Prozent), die Landwirtschaft (14,4 Prozent), der öffentliche Sektor (8,5 Prozent), das sonstige Gewerbe (6,8 Prozent) und die Straßenbeleuchtung (1,6 Prozent). Deutliche Verbrauchszuwächse gab es in der Industrie (8,9 Prozent), in der Landwirtschaft (6,6 Prozent) und bei den privaten Haushalten (5,1 Prozent), Rückgänge hingegen im öffentlichen Sektor (-4,8 Prozent), im sonstigen Gewerbe (-2,7 Prozent) und bei der Straßenbeleuchtung (-5,7 Prozent).

Im laufenden Jahr (2021/2022) könnte die Zunahme des Stromverbrauchs durch Maßnahmen zur Vermeidung von Stromausfällen gebremst werden. So wurde die Industrie aufgefordert, ihren Verbrauch um mindestens 10 Prozent zu senken. Dies ist in der Regel nur durch Produktionsdrosselungen zu erreichen. Erfolgt keine Verbrauchsverminderung, droht eine zeitweilige Stromabschaltung. Die öffentliche Verwaltung und die Banken sind bis Ende August zur Senkung des Stromverbrauchs donnerstags geschlossen. Dem Vernehmen nach ist auch bei den privaten Haushalten ein verstärktes Stromsparverhalten zu beobachten.

Kraftwerkskapazitäten werden weiter ausgebaut

Irans Kraftwerke verfügen aktuell über eine installierte Kapazität von 85,4 Gigawatt. Von diesen Kapazitäten stehen gegenwärtig aber nur 50 bis 60 Gigawatt tatsächlich zur Verfügung. Diese Leistung reicht aber zu Spitzenlastzeiten oft nicht aus. Die Daten des Energieministeriums weisen für 2020/2021 eine Spitzenlast von 56,9 Gigawatt aus, einsatzbereit waren 63 Gigawatt.

Die großen Wasserkraftwerke haben eine installierte Kapazität von 12,1 Gigawatt, davon dürften aber aufgrund der Wasserknappheit weniger als die Hälfte nutzbar sein. Mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke verfügen über eine installierte Kapazität von mehr als 70 Gigawatt. Neben Kapazitätsausfällen aufgrund regulärer Wartungsarbeiten verursachen fehlende Ersatzteile oder eine unzureichende Wartung Probleme. Vielen Kraftwerken fehlt ausreichende Liquidität zur Finanzierung von Ersatzinvestitionen und Wartungsarbeiten.

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Iran baut seine Kraftwerkskapazitäten weiter aus. Infolge der Wirtschaftskrise und des sanktionsbedingt fehlenden Engagements westlicher Unternehmen hat sich aber das Ausbautempo verlangsamt. Die Regierung hat Kraftwerksprojekte mit einer Leistung von 15 Gigawatt auf Eis gelegt. Das Energieministerium meldet für 2020/2021 die Installation von zusätzlichen 1,9 Gigawatt, 2019/2020 waren es 3 Gigawatt. An den in den beiden Jahren neu installierten Kapazitäten sind konventionelle Kraftwerke mit fast 4 Gigawatt beteiligt, kleinere dezentrale Stromerzeuger (Distributed Generation) mit 0,6 Gigawatt, erneuerbare Energien mit 0,2 Gigawatt und Wasserkraftwerke mit 0,1 Gigawatt.

Für 2021/2022 sind neue Kraftwerkskapazitäten von rund 2,8 Gigawatt geplant. Davon entfallen 1.039 Megawatt auf Gasturbinen, 980 Megawatt auf GuD-Kraftwerke (Gas- und Dampf), 350 Megawatt auf Wasserkraft sowie jeweils 200 Megawatt auf DG/CHP-Anlagen (Distributed Generation/Combined Heat and Power) und erneuerbare Energien.

Ziele bei erneuerbaren Energien weit verfehlt

Im Bereich erneuerbarer Energien ist Iran mit der Realisierung seiner Pläne stark im Verzug. Bis März 2022 war eine Steigerung der Kapazitäten auf 5 Gigawatt vorgesehen. Die Investitionen sollen weitgehend von privaten in- und ausländischen Unternehmen getätigt werden, die aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen dazu kaum bereit sind.

Iran: Erneuerbare Energien nach Technologien 2021 (Kapazitäten in Megawatt) 1) 2)

Technologien

Kapazitäten

Wind

308,7

Fotovoltaik

433,1

Biomasse

10,6

Kleine Wasserkraftwerke

104,7

Waste to Energy

13,6

Turbo Expanders

9,6

1) Stand: Juni 2021; 2) ohne große Wasserkraftwerke, die über eine Kapazität von 12 Gigawatt verfügenQuelle: Renewable Energy and Energy Efficiency Organization (SATBA)

Die Kapazitäten bei erneuerbaren Energien sind in den letzten drei Jahren um insgesamt 331 auf 880 Megawatt gestiegen. Die für die Entwicklung des Sektors zuständige Renewable Energy and Energy Efficiency Organization (SATBA) hatte für 2020/2021 die Fertigstellung von Projekten mit einer Kapazität von 300 Megawatt erwartet, tatsächlich wurden nur 60 Megawatt erreicht.

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