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Branchen | Japan | Elektronik, übergreifend

Chip-Power gewinnt an strategischer Bedeutung

Japan definiert die Halbleiterbranche als eine Schlüsselindustrie, die so wichtig ist wie Energiesicherheit und Nahrungsmittelversorgung. Die Regierung will den Sektor nun stärken.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Anfang Juni 2021 hat das Ministry of Economy, Trade and Industry seine neue Semiconductor and Digital Industry Strategy vorgestellt. Mit dieser Strategie verleiht Japan der Halbleiterindustrie des Landes neue Dynamik. Abgesehen von dem Chipmangel, der 2021 Schlagzeilen macht, werden die elektronischen Bauteile in Zukunft in immer größeren Mengen und in immer kleineren Maßstäben gefragt sein.

Halbleiterstrategie soll Wachstum sichern

Die Halbleiterbranche soll ihre Forschung und Entwicklung sowie ihre Produktion in Japan intensivieren, um den Bedarf an Vor- und Enderzeugnissen zu sichern, verlässliche Lieferketten zu etablieren und die Wettbewerbsfähigkeit Japans zu erhöhen. Dabei suchen inländische Firmen die Zusammenarbeit mit ausländischen Branchenunternehmen.

Durch die enge Verzahnung mit Digitalisierungsbestrebungen will die Regierung gleichzeitig die Kernbereiche der digitalen Infrastruktur in Japan ausbauen. Im Zentrum stehen hier Datenzentren und Cloud-Anwendungen. Auf längere Sicht wird das Wirtschaftsministerium die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und autonomem Fahren über das gegenwärtige 5G-Umfeld hinaus unterstützen.

Diese Strategie ist nicht grundlegend neu, sie unterstreicht die Dringlichkeit, mit der die Regierung die eigenen Lieferketten stärkt. Vorerst ist kein neues Budget vorgesehen. Unternehmen sollen auf bereits genehmigte Gelder, wie den „Beyond 5G-Fund“ in Höhe von rund 1,8 Milliarden US-Dollar (US$) und den „Green Innovation Fund“ in Höhe von 19 Milliarden US$, zugreifen können.

Japan will Chip-Innovation vorantreiben

In dieses Schema passt beispielsweise die im März 2021 von den japanischen Ausrüstungsherstellern Canon, Tokyo Electron und Screen Semiconductor Solutions angekündigte Zusammenarbeit, Produktionstechnologie der nächsten Generation im 2-Nanometer-Bereich und kleiner zu entwickeln. Die Drei kooperieren mit dem National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) und erhalten eine Förderung von 386 Millionen US$.

Ein weiteres Projekt ist die vereinbarte Kooperation mit dem weltweit größten Auftragsfertiger für Halbleiter, TSMC aus Taiwan. Unter Beteiligung von TSMC und mehreren japanischen Branchenunternehmen soll 2021/2022 ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungszentrum für Halbleiter der nächsten Generation in Tsukuba, Präfektur Ibaraki, entstehen. Dafür sind Projektkosten von 337 Millionen US$ vorgesehen. Die Hälfte davon sind öffentliche Gelder.

Über die Forschung und Entwicklung hinaus hat die Regierung in Tokyo TSMC aufgefordert, ähnlich wie in den USA, auch in Japan Produktionskapazitäten aufzubauen. Das taiwanische Unternehmen ist für einige japanische Kunden Auftragsproduzent und soll nun eine Lokalisierung ins Auge fassen. Gespräche darüber laufen, sind jedoch noch ohne konkrete Ergebnisse.

Zurück in die Zukunft

Japan will der Entwicklung der Branche im eigenen Land eine Perspektive geben. Vor allem in der Produktion von Halbleitern für Anwendungen im KI-Bereich spielen japanische Hersteller bislang eine untergeordnete Rolle. Diese sind aber für eine Welt zentral, die über den 5G-Standard hinausreicht. Daher sollen KI-Chips einer der Schwerpunkte der Semiconductor and Digital Industry Strategy sein.

Obwohl es in Japan mehr als 80 Branchenproduktionen gibt, darunter bekannte Unternehmen wie Kioxia und Renesas, kann das Land nur einen kleinen Teil seines Bedarfs decken. Insbesondere für komplexe, hoch entwickelte Chips auf kleinstem Nanometer-Maßstab muss der Archipel über 60 Prozent seines Bedarfs an Halbleitern einführen.

Zwar ist Japan immer noch ein wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette, vor allem bei Vorprodukten und Herstellungsausrüstung, hat jedoch beim internationalen Chipabsatz in den letzten Jahrzehnten deutlich an Marktanteilen verloren. Bei der Produktion von fortgeschrittenen Halbleitern sind die Nachbarländer Südkorea und Taiwan sowie die USA führend.

Neue Kapazitäten entstehen

Japan erzeugt Halbleiter unter anderem für die Automobilindustrie, für Industrieanwendungen und für Datenspeicher. Dabei gehört insbesondere der Speicherchip-Hersteller Kioxia zur Weltspitze. Das Unternehmen ist laut dem Technologie-Marktforscher Omdia mit fast 19 Prozent Marktanteil nach Samsung weltweit der zweitgrößte Anbieter von NAND-Flash-Speichern, NAND sind nicht flüchtige, nonvolatile Speicher, deren Laufwerke Daten speichern können, unabhängig davon, ob sie ans Stromnetz angeschlossen sind oder nicht.

Aufgrund gestiegener Nachfrage hat Kioxia Ende 2020 angekündigt, seine Produktionskapazität für 3D-Flash-Speicher im Kitakami-Werk in der Präfektur Iwate auszubauen. Das Projekt soll noch 2021 starten. Ebenfalls 2021 soll der Bau von Fab 7 im Yokkaichi-Werk in der Präfektur Mie beginnen.

Eine größere Investition in Japan hat auch der Hersteller von Halbleiter-Packaging-Materialien, Ibiden, angekündigt. Das Unternehmen hat Ende April 2021 gemeldet, die Produktionskapazität in der Präfektur Gifu zu modernisieren und auszubauen. Der Start des Projekts ist für die zweite Jahreshälfte 2021 und die Inbetriebnahme für das Jahr 2023 vorgesehen. Ibiden investiert hier umgerechnet circa 1,7 Milliarden US$.

Nachfrage bleibt höher als Angebot

Der Halbleiter-Hersteller Renesas dürfte im Sommer 2021 seine Ersatzinvestitionen im Naka-Werk in der Präfektur Ibaraki abschließen. Bei dem wichtigen Lieferanten von Kfz-Chips hatte Mitte März 2021 ein Brand einen Teil der Produktion zerstört. Dieser Zwischenfall hat sich auch über Japan hinaus ausgewirkt, da zu dem Zeitpunkt ohnehin weltweit ein Chipmangel herrschte.

Japan und andere Lieferländer können gegenwärtig ihre Halbleiterkapazitäten nicht schnell genug hochfahren. Immerhin wird der weltweite Chipbedarf im Jahr 2021 um 19,7 Prozent und im nächsten Jahr um 8,8 Prozent steigen, prognostiziert die Non-Profit-Organisation World Semiconductor Trade Statistics. Sie rechnet für Japan im Jahr 2021 mit einem Wachstum des Chipbedarfs von 12,7 Prozent. In der Region Asien-Pazifik sind es 23,5 Prozent.

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