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Markttrends

Kanadas Automobilsektor schaut trotz Produktionsrückgang positiv in die Zukunft. Elektromobilität und höhere Auflagen für lokale Wertschöpfung sollen den Sektor beflügeln.

Von Daniel Lenkeit | Toronto

Kanadischer Kfz-Sektor kämpft mit Chip-Problemen und investiert in Elektromobilität 

Die Pandemie hat dem kanadischen Automobilsektor stark zugesetzt. Anfangs hinderten Gesundheitsauflagen die Produktion und Verbraucher in Kanada und den USA legten in der Hochzeit der Krise eher Geld zurück, als es für langlebige Konsumgüter wie Kfz auszugeben. Mittlerweile ist die Nachfrage zurückgekehrt. Jedoch senken Lieferkettenstörungen teilweise die Auslastung der Produktion und verringern das Angebot. Die Autobauer Ford und Stellantis befinden sich bereits in eingeschränkter Schichtarbeit oder rechnen mit Drosselungen für die 1.Jahreshälfte 2022. Sie könnten, so Stellantis, aktuell nicht genug Mikrochips für die Produktion sichern. 

Preise für Neu- und Gebrauchtwagen sind dadurch deutlich gestiegen. Gleichzeitig stört die Pandemie noch immer die globale Logistik, die für eine reibungslose just-in-time Produktion nötig ist, was den Preisdruck ebenfalls beflügelt.

Trotz des aktuell schwierigen Umfelds ist die Zukunft für Kanadas Autoindustrie nicht düster. Das liegt vor allem an den Aussichten für mehr lokale Wertschöpfung unter den Bestimmungen des neuen nordamerikanischen Freihandelsabkommens CUSMA, den beschlossenen Investitionsentscheidungen großer Automobilhersteller in die kanadische Fertigung von Elektroautos sowie am wachsenden Ökosystem für vernetzte Mobilität und autonomes Fahren. Der kanadische Automobilstandort in Nordamerika hatte in den vergangenen Jahrzehnten schleichend Marktanteile an Mexiko und die US-amerikanischen Südstaaten verloren. Mit CUSMA, einem neuen Industriefokus auf E-Mobility und automatisiertem und vernetztem Fahren soll der Sektor wieder dazugewinnen. 

Ein Katalysator für die Autoindustrie könnte dabei die Politik der kanadischen Regierung werden. Ottawa will die Elektrifizierung des Verkehrs forcieren und verabschiedete vor einigen Monaten eine neue Richtlinie. Danach gilt ab 2035 verpflichtend, dass alle neu verkauften Pkw und leichten Nutzfahrzeuge sogenannte Zero Emission Vehicle (ZEV, Nullemissionsfahrzeuge) sind. Dies beschleunigt das vorher vereinbarten Ziel von 100 Prozent ZEV-Neuzulassungen im Jahr 2040.

Lokale Wertschöpfung in der Automobilindustrie wird steigen

Kanada lieferte sich einen harten Kampf in der Ausgestaltung des NAFTA-Nachfolgers CUSMA. Nun profitiert der Kfz-Standort Kanada von den dort ausgehandelten Bedingungen für höhere lokale Wertschöpfungsanteile in der Kfz- und Kfz-Teile Produktion.

Der Präsident des kanadischen Verbands APMA Flavio Volpe glaubt, dass die neuen lokalen Wertschöpfungsbedingungen vor allem der Teileindustrie Auftrieb geben werden. Komponenten wie Sensoren und Kameras und andere Hightech-Systeme für Autos werden zukünftig aus der Region kommen. Künftig werden auch Batterien und Elektromotoren lokal produziert werden und viele Investitionen in den Standort nach sich ziehen, ist sich Volpe sicher.

Autobauer wie Ford, Stellantis und GM gaben bereits Investitionen für die Umrüstung ihrer kanadischen Werke auf die Fertigung von Elektrofahrzeugen bekannt. Ungewiss hingegen bleibt, ob eine angeschlossene Batteriezellenfertigung folgt. GM, Ford und Toyota werden, trotz ursprünglich anderer Zusagen, ihre Batteriekapazitäten in den USA aufbauen. Stellantis ist für das Land aktuell die letzte Hoffnung unter den Kfz-OEMs.

Kanadas Politik und Industrieverbände hoffen, dass es gelingt, eine vollständige Lieferkette für die Batterieproduktion aufzubauen. Ziel ist es, die Kfz-Fertigung für Jahrzehnte im Land zu halten. Deutschlands Expertise entlang der Wertschöpfungskette der Batterieproduktion böte dann Exportchancen für Zulieferer.

CUSMA bedeutet auch mehr Protektionismus als unter NAFTA und höhere Preise für Endverbraucher - unter anderem beim Kauf von Autos. Auch Compliance-Kosten für lokale Komponentenlieferanten werden mit den komplexeren Auflagen von CUSMA steigen. Die kanadische Automobilzulieferindustrie rechnet dennoch fest mit einem Absatzschub durch das neue Freihandelsabkommen. Der Branchenverband APMA erwartet zusätzlichen Umsatz von 8 Milliarden US-Dollar (US$) pro Jahr für seine Unternehmen. Auch die eng verknüpften kanadischen Aluminium- und Stahlsektoren sollten durch CUSMA-Vorschriften profitieren.

Autobauer und Zulieferer prüfen also in erster Linie den Anteil ihrer importierten Vorprodukte, die nicht aus Nordamerika stammen. Ausländische Zulieferprodukte könnten künftig weniger nachgefragt werden. So kann es für etablierte deutsche Zulieferer zur nordamerikanischen Automobilproduktion unter Umständen attraktiv werden, Produktionsstätten nach Nordamerika auszuweiten.

Ontarios Automobil- und Mobilitätsökosystem wächst heran

Die wichtigste Provinz für den kanadischen Automobilsektor ist Ontario. Hier wächst ein ganzes Ökosystem rund um das Thema Automobil und vernetzte Mobilität zusammen. Neben den großen Fahrzeugproduktionen und den zahlreichen Kfz-Teileherstellern in Ontario greifen Wissenschaft, Industriecluster, Talentschmieden und "Acceleratoren" sowie Wirtschaftspolitik so ineinander, dass in dem Mobilitätsökosystem Innovationen entstehen können.

Zu den wichtigsten Stakeholdern in diesem System gehört der Privatsektor mit 5 OEM (Original Equipment Manufacturer) sowie hunderten von Kfz-Zulieferern (Tier 1-3), Technologieunternehmen (Software, Infotainment, Cybersicherheit), Finanz- und Versicherungsdienstleistern sowie Telekommunikations- und Logistikunternehmen. Aber auch der öffentliche Sektor ist Teil des Ökosystems, zum Beispiel über Regierungsinitiativen wie das Autonomous Vehicle Innovation Network (AVIN). Dies soll die Kommerzialisierung von fortgeschrittener Automobiltechnologie und neuer Mobilitätslösungen aus Ontario fördern. Dazu sind Regulierungsbehörden, Universitäten, Inkubatoren sowie Verbände mit im Boot.

Nach Angaben von AVIN investiert die Privatwirtschaft kräftig in Forschung und Entwicklung von Automobiltechnologien und in den Smart-Mobility-Sektor. Dazu fließen hohe Milliardeninvestitionen in öffentliche-private-Partnerschaften für regionale Infrastrukturprojekte und Ontarios Mobilitätsökosystem profitiert bereits von 50 Inkubatoren und Acceleratoren mit mehr als 200 kleine und mittlere Unternehmen.

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