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Branchen | Lettland | Windenergie

Offshoreprojekte rücken immer stärker in den Fokus

Der Ausbau der Windenergie in Lettland ist bisher nicht wirklich vorangekommen. Eine Vielzahl von innovativen Projekten könnte eine Wende bringen.

Von Barbara Kussel | Bonn

„Das Potenzial der Windenergie in Lettland ist groß, das gilt sowohl für On- als auch für Offshoreanlagen“, berichtet der Europäische Dachverband für Windkraftunternehmen „WindEurope“. Ausgeschöpft ist es aber noch lange nicht. Die installierte Windenergieleistung beträgt gerade einmal 66 Megawatt (MW), deutlich weniger als in den benachbarten baltischen Staaten. Seit 2012 hat Lettland keine neue Windfarm mehr gebaut. Der Onshore-Wind stößt an seine Grenzen, viele Letten wollen nicht mehr neben den Rotoren wohnen. 

Doch der Nationale Erneuerbare-Energien-Entwicklungsplan 2021 bis 2030, offiziell NREAP genannt, sieht vor, die Energiesicherheit und -unabhängigkeit des Landes sowie seine Position einer potenziellen Exportnation zu stärken. Laut dem 2019 veröffentlichten Bericht „Study on Baltic Offshore Wind Energy Cooperation under BEMIP“ belaufen sich die potenziellen Offshore-Windressourcen in der Ostsee vor Lettland auf 14,5 Gigawatt (GW), der Offshore-Wind könnte 49,2 Terawattstunden (TWh) Strom im Jahr erzeugen. „Die Ostsee hat enormes Potenzial“, sagt Sebastian Boie, Sprecher der Stiftung Offshore-Windenergie. „Für deutsche Hersteller, Logistikfirmen und Bauunternehmen ist ein wachsender Markt im Ostseeraum eine sehr gute Nachricht.“

Grenzüberschreitender Windpark auf dem Meer

Einen Meilenstein hat der geplante estnisch-lettische Offshore-Windpark Elwind erreicht. Im September 2021 gaben der lettische Wirtschaftsminister Janis Vitenbergs und sein estnischer Kollege Taavi Aas bekannt, dass die Ausschreibung für die Durchführung der Machbarkeitsstudie zur Vorauswahl geeigneter Gebiete für den Windpark abgeschlossen ist. Den Zuschlag haben die estnische Firma Hendrikson & KO und die niederländische Firma Pondera Consult erhalten.

Nur ein Jahr zuvor hatten die Minister eine Absichtserklärung unterzeichnet, die die Fertigstellung des Projekts bis 2030 vorsieht. Die Kapazität des Windparks in der Rigaer Bucht soll 700 bis 1000 MW betragen. Er würde etwa gut 3 TWh Strom pro Jahr produzieren, das entspricht in etwa 20 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs von Lettland und Estland.

Die beiden Länder wollen den Windpark gemeinsam bauen. "Dies macht es billiger, auch andere Windparks in dem Gebiet zu bauen, da andere Projekte im selben Gebiet ebenfalls von der Netzinfrastruktur profitieren würden, die für den Park gebaut werden soll", sagte Aas anlässlich der Unterzeichnung der Absichtserklärung. Für den Bau des Netzes soll eine Kofinanzierung aus Mitteln der Connecting Europe Facility of Renewable Energy (CEF RES) beantragt werden.

Neue Anlagen auf dem Festland

Bewegung kommt auch in den Bau von Anlagen auf dem Land, wenngleich es hier Gegenwind gibt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei ein notwendiger, aber komplexer Prozess. Auch hätten sich Regularien und Bestimmungen in den vergangenen Jahren immer wieder geändert. Hinzu kämen langwierige Genehmigungsverfahren und immer wieder auch der Widerstand der Bevölkerung, berichten Beobachter. Doch Lettland will bis 2030 die Hälfte seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen decken und setzt dabei unter anderem auf Onshoreanlagen.

Windpark Targale auf der Zielgeraden

So soll der Windpark Targale in der Region Kurland im Westen des Landes bereits Ende 2022 in Betrieb gehen. Das estnische Unternehmen Energy Group Utilitas errichtet hier eine 59-MW Windfarm, die die installierte Leistung Lettlands fast verdoppelt. In dem Windpark werden 14 Windturbinen mit einer jeweiligen Leistung von 4,2 MW stehen. Die geschätzte Jahresproduktion wird 155 GWh Strom per anno betragen, damit können mehr als 50.000 Haushalte versorgt werden. Mit einer Nabenhöhe von 82 Metern gehören die Anlagen noch lange nicht zu den Giganten ihrer Art. Ursprünglich waren 26 Windräder geplant, eine Genehmigung war bereits 2011 erfolgt.

Die Turbinen für Targale liefert die dänische Vestas. Der weltgrößte Hersteller von Windkraftanlagen übernimmt auch Service und Wartung für die nächsten 20 Jahre. „Unser erstes Projekt mit Utilitas markiert auch unsere Ankunft in Lettland“, so das Unternehmen. Gleichzeitig wird Vestas drei Werke in Europa schließen, davon eines mit 460 Arbeitsplätzen in Brandenburg, teilte der Hersteller von Windkraftanlagen Ende September 2021 mit. Das Unternehmen will sich stärker auf die Offshore-Anlagen konzentrieren.

Laflora: Windfarm statt Torfabbau

Im Jahr 2022 will das lettische Unternehmen für Torfabbau- und -verarbeitung Laflora, das sein Kerngeschäft schrittweise zurückfährt, auf den frei werdenden Flächen mit dem Bau einer Windfarm beginnen. Im Kaigu-Torfmoor im Kreis Livberze sollen 22 Windräder mit einer installierten Leistung von rund 90 MW aufgestellt werden. Die erwartete Jahresproduktion von rund 300.000 MWh könnte 5 Prozent des lettischen Stromverbrauchs decken, schreibt Laflora auf der Homepage. Der Vorstandsvorsitzende Uldis Amerikis hofft, finanzielle Mittel aus dem Green Deal der Europäischen Union zu erhalten, da der Windpark bislang ein rein kommerzielles Projekt ist. Das Investitionsvolumen beträgt 120 Millionen Euro, die Entfernung zum nächsten Gehöft mindestens 1,2 Kilometer.

Heftigen Gegenwind erlebt der Windpark Pienava, der in der Region Tukums realisiert werden soll. Das schwedische Energieunternehmen Eolus plant hier 150 Millionen Euro zu investieren und 22 Anlagen zu bauen. Nachdem die Genehmigung zum Bau erteilt worden war, hatte sich der Rat des lettischen Gebiets Tukums im Frühjahr 2020 mehrheitlich gegen die Pläne ausgesprochen. Diese Entscheidung ist im Juli 2021 richterlich gekippt worden. „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes wird dafür sorgen, dass der Ausbau der Windenergie in Lettland schneller vorankommen wird“, sagt Andris Vanags, Geschäftsführer des lettischen Verbands für Windenergie, Vēja enerģijas asociācija. Doch Gerichtsverfahren sollten der letzte Ausweg bleiben, es brauche Dialog und Konsens. Auf lokaler Ebene könnte auch eine Beteiligung der Gemeinden an den Gewinnen der Anlagen überzeugen.

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