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Marktchancen

Polen will den Ausbau der Offshore-Windkraft mit eigenen Unternehmen bewältigen. Ganz ohne Unterstützung aus dem Ausland wird es aber nicht gehen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Der vorgesehene Bau von Offshore-Kapazitäten könnte bedeutende Wachstumsimpulse nach sich ziehen. Mitte August 2021 befanden sich zehn Projekte in Planung. An sieben Maßnahmen sind polnische Unternehmen federführend beteiligt. Allerdings mangelt es den Firmen an Erfahrungen. Energieversorger aus Polen treiben ihre Vorhaben daher im Verbund mit ausländischen Partnern voran. 

Offshore-Wind profitiert von Preisgarantie

Polens größtes Energieunternehmen PGE und die Firma Ørsted aus Dänemark kooperieren bei der Installation mehrerer Offshore-Windparks. Ein Projekt der beiden Partner verfügt bereits über Netzanschlussverträge. Der Mineralölkonzern PKN Orlen hält die Mehrheit an einem Joint Venture mit der norwegischen Northland Power.

Das deutsche Energieunternehmen RWE setzt beim Aufbau seines Offshore-Windparks F.E.W. Baltic II mit 350 Megawatt auf die Unterstützung der polnischen Gesellschaft LOTOS. Außerdem laufen Gespräche mit der Reederei Polish Ocean Lines S.A. und dem Hafen Gdynia. Eine gemeinsame Projektgesellschaft haben die Partner nicht gegründet. 

Die Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna schätzt die Kosten aller Offshore-Programme auf 35,6 Milliarden Euro. Allein die Projekte von PGE und Ørsted werden auf 8,9 Milliarden Euro beziffert. PGE will noch 2021 Ausschreibungen für die Beschaffung der Windturbinen bekannt geben. PKN Orlen kauft seine Turbinen aller Voraussicht nach bei General Electric (GE). Zur Finanzierung möchte Polen allen Betreibern günstige Kredite in Höhe von insgesamt 3,2 Milliarden Euro aus Mitteln des Europäischen Wiederaufbaufonds zur Verfügung stellen.

Die Betreiber der Erschließungsvorhaben nutzen bereits einen Fördermechanismus der polnischen Netzaufsicht (Urząd Regulacji Energetyki, URE). Für einen Teil ihrer Offshore-Stromproduktion erhalten die Unternehmen einen festen Abnahmepreis von 71 Euro je Megawattstunde. Verbliebene Kapazitäten vermarkten die Energieversorger eigenständig.

Der Fixbetrag ist an Auflagen gebunden. URE verlangt unter anderem eine Offenlegung der Lieferketten, da heimische Unternehmen einen Teil der Wertschöpfung beim Aufbau und Betrieb der Anlagen übernehmen sollen. Fixe Quoten fehlen allerdings. Bis Ende Juni 2021 hatten alle Betreiber ihre Lieferketten offengelegt. Die Pläne sind hier abrufbar.

Die polnische Regierung will außerdem gemeinsam mit Branchenverbänden und führenden Windkraft-Unternehmen ein Industrieabkommen nach Vorbild der Sector Deals in Großbritannien unterzeichnen. Das Dokument soll genauer darlegen, wie polnische Lieferanten in die Wertschöpfungsketten einbezogen werden können.

Häfen und Schiffe für Offshore-Ausbau fehlen

Auch bei der Logistik möchte Polen einen Großteil der Wertschöpfung selbst abbilden. Noch verfügt das Land nicht über die geeigneten Kapazitäten für den Umschlag von Offshore-Anlagen. Darum plant die Regierung den Ausbau des Hafens in Gdynia. Dazu sollen 260 Millionen Euro aus dem Wiederaufbaufonds der Europäischen Kommission in das Projekt fließen.

Wünsche von potenziellen Windkraftlieferanten finden bei der Entscheidungsfindung nicht immer Gehör. Paweł Przybylski, Leiter der polnischen Niederlassung des Turbinenherstellers Siemens Gamesa, sagte in einem Zeitungsinterview: „Gespräche über technische, infrastrukturelle und kommerzielle Aspekte müssen stattfinden, bevor der Hafen fertig ist. Ein Austausch findet aber aktuell nicht statt.“

Der Zeitplan drängt. Laut Informationen des Portals Tricity.pl könne der Neubau eines Terminals bis 2026 dauern. Ans Netz gehen sollen erste Offshore-Anlagen aber schon 2025. Bis zur Fertigstellung müsste der Warenumschlag über provisorische Installationen auf dem Hafengelände stattfinden.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass ausländische Häfen einspringen müssen. Mariusz Witoński, der Leiter des Interessenverbandes Offshore-Windenergie (Polskie Towarzystwo Morskiej Energetyki Wiatrowej, PTMEW) erklärte in der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna: „Wenn wir polnische Häfen berücksichtigen wollen, müssen erste Terminals bis Mitte 2023 fertig sein. Das ist zeitlich sehr unwahrscheinlich.“

Geklärt werden muss auch, welche Schiffe den Transport der Anlagen übernehmen könnten. Polnische Reedereien verfügen nur über begrenzte Kapazitäten. PGE verhandelt mit der Crist Werft in Gdynia über den Bau eines Transportschiffs. LOTOS denkt über den Kauf einer ganzen Flotte nach. Kosten von 350 Millionen Euro pro Schiff stehen einer schnellen Realisierung im Wege. 

Fotovoltaik überholt Windkraft bei den Energieauktionen

Beim Ausbau der Windkraft an Land hilft den Investoren das staatliche Auktionssystem. Energieunternehmen erhalten einen festen Abnahmepreis über einen Zeitraum von 15 Jahren. Seit 2018 gehen die versteigerten Windkraftkapazitäten zurück, unter anderem, weil seit Einführung der Abstandsregelungen 2016 nur wenige neue Anlagen entstehen konnten. Der Großteil der versteigerten Kapazitäten ging 2020 und 2021 an die Fotovoltaik. Beide Energieträger haben sich preislich angenähert. Windkraft ist noch günstiger: 2021 lag das niedrigste versteigerte Windkraftangebot bei 39,8 Euro je Megawattstunde, die Fotovoltaik erreichte 46,4 Euro.

Dem polnischen Institut für Erneuerbare Energien (Instytut Energetyki Odnawialnej, IEO) zufolge könnte mittelfristig die Bedeutung der Auktionen sinken. Zum einen sind die Kosten für die Installation entsprechender Anlagen rückläufig, zum anderen wird Strom aus erneuerbaren Quellen aufgrund steigender CO2-Zertifikate immer konkurrenzfähiger. Andere Vertriebskanäle gewinnen an Bedeutung.

Fast alle Marktbeobachter attestieren dem polnischen Windmarkt großes Potenzial. Der Verband Windenergie (Polskie Stowarzyszenie Energetyki Wiatrowej, PSEW) glaubt, dass bis 2035 bei einer Lockerung der Abstandsregelungen neue Anlagen mit einer Kapazität von 24 Gigawatt ans Netz gehen könnten. Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet mit 35 Gigawatt bis 2050.

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Direkte Lieferabkommen helfen dem Markt nur bedingt

Deutsche Unternehmen sind am Windmarkt in Polen sehr aktiv. Im Juni 2021 gab die Sabowind GmbH den Bau eines Windparks mit Kapazitäten von 108 Megawatt in der Woiwodschaft Kujawsko-Pomorskie bekannt. Eigentümer des Projekts ist die Fondsgesellschaft DIF Capital Partners. Bis 2023 soll der Bau abgeschlossen sein. Die produzierte Energie wird über das Auktionssystem vertrieben. 

Auch direkte Lieferabkommen (Corporate Power Purchase Agreement, CPPA) zwischen deutschen Windkraftbetreibern und gewerblichen Abnehmern existieren. Die Laufzeit beträgt normalerweise zehn Jahre. Im Jahr 2018 schloss das Werk von Mercedes-Benz im niederschlesischen Jawor ein CPPA mit dem Windpark Taczalin ab. Betreiber der 2013 eröffneten Anlage ist die deutsche VSB Gruppe. Es handelte sich um das erste je in Polen vereinbarte CPPA. 

Der bislang einzige Neubau einer Windkraftanlage auf Basis eines direkten Lieferabkommens erfolgte 2019. Nachdem die Brauerei Kompania Piwowarska ein CPPA unterschrieben hatte, erweiterte der deutsche Energieversorger Innogy seine Kapazitäten in Nowy Staw um 11 Megawatt. Insgesamt bleiben CPPA mit Windenergie hinter den Erwartungen von Branchenverbänden zurück. Die Stiftung RE-Source Poland Hub nennt zwei Gründe. Neben den Abstandsregelungen blockieren komplizierte Vorgaben beim Aufbau einer direkten Stromverbindung zwischen Energieproduzent und Abnehmer die weitere Entwicklung.

Windprojekte in Polen

Projekt

Leistung (MW)

Unternehmen

Status

Volumen
(in Mio. Euro)

MFW Bałtyk I, II, III (Offshore)

I: 1.560

II: 240

III: 1.200

Polenergia 

Equinor

Planungsphase,

II+III: Vertrag über Netzanschluss

I: unbekannt

II+III: 4.000

Baltica 1, 2, 3 (Offshore)

1: 900

2: 1.498

3: 1.045

PGE

Ørsted

Planungsphase, 

3: Vertrag über Netzanschluss

1: unbekannt

2+3: 8.900

FEW Baltic-2 (Offshore)

350

RWE

Planungsphase

unbekannt

Baltic Power (Offshore)

1.200

PKN Orlen

Northland Power

General Electric

Planungsphase

3.100

EDPR Wind B, C (Offshore)

B: 200

C: 200

EDPR

Engie

Planungsphase

unbekannt

Dargikowo und Karlino (Onshore)

186

Enertrag


Bauphase

unbekannt

Kujawsko-Pomorskie und Wielkopolskie (Onshore)

108

Sabowind 

Bauphase ab September 2021

unbekannt

WIND T1, Łódż, (Onshore)

30

Tauron

Bauphase 

unbekannt

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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