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Branchen | Polen | Gesundheitswesen

Rahmenbedingungen und Marktzugang

Die Zulassung von Medikamenten und technischen Geräten funktioniert in Polen dank EU-Mitgliedschaft nach bekannten Standards. Besonderheiten gibt es trotzdem.

Von Christopher Fuß | Warschau

Wichtigster Ansprechpartner bei der Einführung neuer Medikamente ist die Zulassungsstelle für Heilprodukte, Medizinische Erzeugnisse und Biozide (Urząd Rejestracji Produktów Leczniczych, Wyrobów Medycznych i Produktów Biobójczych; URPL). Pharmaunternehmen können vier Wege nutzen, um ein Produkt auf den Markt zu bringen.

Wer die Zulassung auf Basis des polnischen Pharmagesetzes vornehmen will, nutzt die sogenannte Nationale Prozedur. URPL nimmt die Anträge entgegen. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure; MRP) steht Unternehmen offen, die ein Präparat bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der EU verkaufen. Beantragt der Pharmahersteller in mehreren EU-Ländern eine Zulassung, kann er das Dezentralisierte Verfahren (Decentralized Procedure; DCP) oder das Zentralisierte Verfahren (Centralised Procedure; CP) nutzen. Mehrere nationale Zulassungsstellen sind am DCP beteiligt. Die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) leitet hingegen das CP. Unternehmen können Anträge für die Nationale Prozedur, die MRP und DCP über das Common European Submission Portal (CESP) einreichen. Eine Ausnahme gilt für die Active Substance Master File (ASMF). Sie muss beim URPL eingehen.

Generika dominieren den Erstattungsmarkt

Zugelassene Medikamente können auf der Erstattungsliste der gesetzlichen Krankenkasse landen. Pharmaunternehmen reichen den Antrag über das Rückerstattungssystem ein (System Obsługi List Refundacyjnych; SOLR). Das polnische Erstattungsrecht gilt als sehr komplex. 

Polen erstattet vor allem preisgünstige Generika. Das polnische Gesundheitsministerium verlangt oft ein Risk Sharing Agreement. Danach erstattet die gesetzliche Krankenkasse ein Medikament nur bis zu einem Höchstwert. Übersteigt die Nachfrage das Budget, übernimmt der Hersteller Teile der Erstattungskosten.

Im Pharmamarkt sind Apotheken wichtige Vertriebskanäle. Die Umsätze steigen, auch bedingt durch den Zuzug ukrainischer Geflüchteter. Gleichzeitig schrumpft die Zahl der Filialen. Apotheken beziehen ihre Waren in der Regel von Großhändlern. Drei Firmen geben im Großhandel den Ton an. Es handelt sich um die Unternehmen Neuca, Pelion und Farmacol.

Neue Werbevorschriften für Medizintechnik

Das URPL ist auch für die Medizintechnik zuständig. Importeure und Händler haben nach der Ersteinführung eines Produkts auf dem polnischen Markt sieben Tage Zeit, um die Behörde in Kenntnis zu setzen. Die europäische Datenbank EUDAMED bietet weitere Möglichkeiten für die Produktregistrierung. 

Das Gesundheitsministerium informiert über Ausschreibungen in Krankenhäusern und weiteren medizinischen Einrichtungen auf einem Webportal. Auch das Amt für öffentliches Auftragswesen (Urząd Zamówień Publicznych; UZP) führt eine öffentliche Datenbank mit Ausschreibungen. Die gezielte Suche nach Investitionen im Bereich der Medizintechnik ist dort allerdings nicht möglich.

Seit Mai 2021 gilt die Medical Device Regulation (MDR) der EU. Polen hat das Regelungswerk im Mai 2022 in nationales Recht übersetzt und dabei einige zusätzliche Punkte formuliert. So dürfen medizinische Produkte nicht mit Bildern von medizinischem Fachpersonal oder mit Bilder von vorgeblich medizinischem Fachpersonal beworben werden. Verboten ist außerdem öffentliche Werbung bei Produkten, die für Ärzte und Medizin-Fachkräfte bestimmt sind. 

URPL hat weitere Sanktionsmöglichkeiten erhalten. Ein neues Register für Importeure, Distributoren und einige Hersteller schaltet die Behörde ab Juli 2023 frei. 

Internationale Pharmahersteller und Medizintechnikunternehmen sollten in Polen unbedingt mit lokalen Experten zusammenarbeiten. Vor allem die Aufnahme auf die Erstattungsliste ist ohne Unterstützung kaum möglich.

Polnische Firmen reichen mehr Patente ein

Deutsche Pharmaunternehmen konkurrieren in Polen mit global agierenden Produzenten. Hierzu gehören Hersteller wie AstraZeneca, GSK, Johnson & Johnson, Roche, Sanofi und USP Group. Die Firmen unterhalten in Polen Vertriebsbüros und in einigen Fällen auch Forschungseinrichtungen oder Produktionsstätten.

Das Unternehmen Polpharma gilt als der größte polnische Pharmakonzern. Die Produktpalette umfasst hauptsächlich verschreibungspflichtige Generika. Aktuell investiert das Unternehmen in neue Anlagen. Polpharma übernimmt voraussichtlich die Produktion eines Vitamin D-Präparates von GSK. Zu den führenden polnischen Arzneimittelherstellern gehören ferner Adamed, Bioton und Polfa-Tarchomin. Heimische und internationale Anbieter schließen sich in Clustern zusammen, wie zum Beispiel dem Warsaw Health Innovation Hub (WHIH).

Internationale Hersteller von Medizintechnik haben einen festen Stand auf dem polnischen Markt. Besonders sichtbar sind Unternehmen wie GE Healthcare, Philips und Stryker. Aber auch polnische Firmen bieten in fast allen Produktsegmenten Lösungen an. Mercator Medical beispielsweise produziert medizinische Verbrauchsmaterialien. Das Unternehmen Medicalgorithmics hat sich auf Pulsmessgerät spezialisiert. Ein weiterer polnischer Hersteller ist die Firma Emtel. Das Unternehmen AssisTech wiederum gewann 2022 den deutsch-polnischen Wirtschaftspreis der AHK Polen. AssisTech stellt Blickerfassungsgeräte her.

Pharmaunternehmen und Medizintechnik-Firmen aus Polen arbeiten an neuen Produkten. Die Zahl der Patentanmeldungen in beiden Segmenten steigt. Im Jahr 2021 reichten polnische Hersteller 65 Patentanmeldungen im Bereich Medizintechnik und 39 Anmeldungen für Pharmaprodukte beim Europäischen Patentamt (EPO) ein. Damit ist das Land Spitzenreiter in Mittelosteuropa (MOE), aber noch deutlich von Deutschland oder Frankreich entfernt.

Polen will sich in mittelfristiger Zukunft stärker auf Biomedizin konzentrieren. Eine 2022 verabschiedete Industriestrategie der polnischen Regierung kündigt Investitionen von 425 Millionen Euro in den Biomedizinsektor an. Zu den führenden Branchenvertretern gehören die Unternehmen Ryvu, Scope Fluidics und Captor Therapeutics.

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