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Russland will die Holzverarbeitung im Inland ausbauen
Die Regierung fördert die Holzindustrie und will die Verarbeitungstiefe und die Wertschöpfung steigern. Hersteller modernisieren ihre Werke und setzen auf Anlagen aus Deutschland.
23.10.2021
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
- Entwicklungsstrategie bis 2030 soll inländische Produktion ankurbeln
- Produktion von Sägeschnittware lässt Pandemiefolgen hinter sich
- Exportverbot soll Wertschöpfung im Land steigern
- Möbelproduktion wächst zweistellig
- Nachfrage nach Einfamilienhäusern aus Holz wächst
- Hersteller erweitern und modernisieren ihre Kapazitäten
- Nachfrage nach Holzbearbeitungsmaschinen bleibt hoch
Die Verarbeitung von Holz besitzt in Russland ein großes Wachstumspotenzial. Die Forstwirtschaftsbehörde Rosleschos beziffert den gesamten Holzbestand des weltweit größten Flächenlands auf rund 102 Milliarden Kubikmeter. Der Wert der russischen Wälder beläuft sich auf mindestens vier Billionen US-Dollar, berechnete die Boston Consulting Group. Im Jahr 2020 wurden rund 220 Millionen Kubikmeter geschlagen.
Entwicklungsstrategie bis 2030 soll inländische Produktion ankurbeln
Die Regierung will mit der Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft vom Februar 2021 den Anteil der Holzindustrie an der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2030 auf 1,14 Billionen Rubel (rund 13,7 Milliarden Euro, EZB-Wechselkurs zum 12.10.2021: 1 Euro = 83,01 Rubel) verdoppeln. Wichtigster Wachstumstreiber soll die Ausweitung der Holzverarbeitung im Inland werden. Die Produktion von Schnittholz soll im Vergleich zu 2020 um 55 Prozent, von Spanplatten um 30 Prozent und von Sperrholz um 40 Prozent zulegen. Zudem sollen 60 Prozent mehr Holzhäuser entstehen.
Produktion von Sägeschnittware lässt Pandemiefolgen hinter sich
Die Holzverarbeitung hat die Auswirkungen des ersten Jahres der Coronapandemie gut überstanden. Im 1. Halbjahr 2021 stieg der Produktionswert um 12,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Inlandsnachfrage nach Schnittholz, Holztüren und Parkett für den Wohnungsbau wächst. Möbelhersteller benötigen mehr Sperrholz, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Der Großteil der im Russland produzierten Holzpellets geht in den Export, vor allem nach Europa.
Produktion der russischen Holzverarbeitungsindustrie (Veränderung in Prozent)
Produktgruppe | 2020 | Veränderung 2020/2019 | Veränderung 1. Halbjahr 2021 / 1. Halbjahr 2020 |
---|---|---|---|
Faserplatten aus Holz oder andere Holzwerkstoffen (Mio. Quadratmeter) | 642 | -7,1 | 25,7 |
Holzmaterialien, in Längsrichtung gesägt oder geteilt, in Schichten geteilt oder geschält, dicker als 6 mm; hölzerne Eisenbahn- oder Straßenbahnschwellen, nicht imprägniert (Mio. Kubikmeter) | 28,6 | -4,4 | 2,7 |
Holzspanplatten und ähnliche Platten aus Holz oder anderen holzigen Stoffen (Mio. Kubikmeter) | 9,9 | -1,5 | 30,6 |
Sperrholz (Mio. Kubikmeter) | 4 | -3,2 | 15,4 |
Holzbriketts (1.000 Tonnen) | 164 | 3,9 | 6 |
Vollholzparkett (Mio. Kubikmeter) | 14,2 | 0,1 | 45,4 |
Holzhäuser (Tausend Quadratmeter) | 253 | -8,5 | 31,4 |
Holzfenster (Tausend Quadratmeter) | 445 | -14,7 | 10,2 |
Holztüren (Mio. Quadratmeter) | 14,3 | 1,7 | 30,6 |
Exportverbot soll Wertschöpfung im Land steigern
Rund 85 Prozent der russischen Holzausfuhren besteht aus Rund-, Schnitt- und Brennholz mit einer niedrigen Verarbeitungstiefe. Entsprechend gering fallen die Margen aus. Die Regierung will mehr Wertschöpfung im Land generieren und verhängt auf Weisung von Präsident Wladimir Putin ab 1. Januar 2022 ein Exportverbot für grob oder gänzlich unverarbeitetes Nadelholz. Davon sind rund 7 Prozent der gesamten russischen Holzausfuhren betroffen. Bereits seit 1. Juli 2021 werden Zölle auf die Ausfuhr von unbearbeitetem Rundholz sowie wertvollen Laubholzarten wie Eiche, Buche oder Esche fällig.
Große verarbeitende Betriebe begrüßen das Exportverbot. Es trage dazu bei, die Einkaufspreise im Land stabil zu halten und Engpässe bei der Rohstoffversorgung zu vermeiden. Branchenkenner fürchten jedoch, dass ein Angebotsüberhang und niedrige Erlöse die Modernisierung der Branche beeinträchtigen könnten.
Möbelproduktion wächst zweistellig
Die Fertigung von Möbeln legte im 1. Halbjahr 2021 wertmäßig um 39,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Das Beschaffungsverbot für Importmöbel in Ministerien und Sondereffekte kurbeln die Nachfrage an. Wohlhabendere Familien können wegen der Coronaeinschränkungen nicht ins Ausland reisen und investieren ihr Erspartes stattdessen in die Verschönerung der eigenen vier Wände. Um die Folgen von Lieferengpässen abzumildern, verhängte die Regierung bereits Ende 2020 vorübergehend ein Exportverbot für Hackschnitzel und Spanplatten.
Der Anteil von Produktfälschungen bei Möbeln steigt. Im Jahr 2020 kam jedes fünfte Möbelstück im Gesamtwert von rund 450 Millionen Euro aus illegaler Fertigung, schätzt der Verband der russischen Holzverarbeiter (AMDPR). Hauptgrund dafür ist die gesunkene Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten während der Pandemie. Abhilfe schaffen sollen die digitale Kennzeichnung von Möbeln sowie Herstellerzertifikate.
Möbelproduktion in Russland (Veränderung in Prozent)
Produktgruppe | 2020 | Veränderung 2020/2019 | Veränderung 1. Halbjahr 2021 / 1. Halbjahr 2020 |
---|---|---|---|
Schränke für Küche, Schlafzimmer, Ess- und Wohnzimmer (1.000 Stück) | 7.756 | -11 | 35,6 |
Couch, Sofas, Liegen mit Holzrahmen (1.000 Stück) | 2.127 | -4,6 | 16,5 |
Holzbetten (1.000 Stück) | 2.330 | 17,4 | 79,2 |
Büromöbel aus Holz (Mrd. Rubel) | 19 | -5,8 | 24,9 |
Holztische für Küche und Wohnzimmer (1.000 Stück) | 2.173 | -0,8 | 42,1 |
Nachfrage nach Einfamilienhäusern aus Holz wächst
Holz wird als ökologischer Baustoff im Wohnungsbau immer beliebter. Der Anteil von Holzhäusern an der Fläche der errichteten Einfamilienhäuser wird sich bis 2025 auf etwa 25 Millionen Quadratmeter pro Jahr mehr als verdreifachen, schätzen Experten der Rosselchosbank. Die Regierung fördert den Holzhausbau mit vergünstigten Hypothekenkrediten. Der Trend geht hin zu bezugsfertigen Häusern in Blockbauweise. Die Preisrallye bei Schnittholz sorgt derzeit jedoch für eine Verknappung von Bauholz.
Hersteller erweitern und modernisieren ihre Kapazitäten
Trotz der Coronapandemie stiegen die Investitionen in die Holzindustrie im Jahr 2020 um rund 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 1,9 Milliarden Euro. Die Mittel fließen aktuell in landesweit 62 Investitionsprojekte der Holz- und Forstwirtschaft.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der russischen Holzverarbeitung
Akteur / Projekt | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
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Bau eines Sägewerks / Bezirk Pineschskij, Gebiet Archangelsk | 421,7 | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2023 | |
Bau eines Werks zur Produktion von Sperrholz / Republik Komi | 240,9 | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2023 | |
Bau eines Werks zur Produktion von Sperrholz / Gebiet Omsk | 240,9 | Geplante Fertigstellung: 2024 | Segezha Group (gehört zu AFK Sistema) |
Bau eines Werkes zur Produktion von OSB-Platten / Gebiet Kostroma | 220 | Geplante Fertigstellung: 2023 | |
Bau eines Werkes zur Produktion von Birkensperrholz / Gebiet Wologda | 130 | Geplante Fertigstellung: 2022 | OOO Plitwood, Tel: +7 (817) 259-74-75 |
Bau einer Produktion von laminierten Spanplatten / Gebiet Kaluga | 120,5 | Vereinbarung auf Sankt Petersburger Wirtschaftsforum unterzeichnet | |
Modernisierung des Holzverarbeitungswerks LDK Nr. 1; u.a. Bau eines neuen Kesselhauses, Erweiterung der Sägewerksflächen und der Pelletproduktion, Modernisierung der Wasseraufbereitungsanlagen / Lesosibirsk, Region Krasnojarsk | 78,3 | Investitionsentscheidung getroffen | Segezha Group (gehört zu AFK Sistema) |
Bau eines Werks zur Produktion von Furnier- und Sperrholz / Gebiet Tomsk | k.A. | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2022 |
Die Segezha Group (gehört zu AFK Sistema) übernimmt für 515 Millionen US-Dollar das Unternehmen Inter Forest Rus mit fünf Holzverarbeitungswerken in der Region Krasnojarsk.
Nachfrage nach Holzbearbeitungsmaschinen bleibt hoch
Russlands Holz verarbeitende Betriebe haben einen enormen Bedarf, ihre Produktivität zu erhöhen. Ein Großteil der eingesetzten Maschinen ist veraltet und muss erneuert werden. Bis 2030 sollen sich die Investitionen in neue Maschinen zur Ernte und Verarbeitung von Holz auf rund 58 Milliarden Rubel pro Jahr mehr als verdoppeln, so die Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft. Der Großteil der eingesetzten Holzverarbeitungsmaschinen stammt aus dem Ausland. Einheimische Hersteller halten rund 10 Prozent des Marktes für Holzverarbeitungstechnik. Der Fonds zur Entwicklung der Industrie (FRP) stellt Holzverarbeitern Kredite zur Modernisierung ihrer Anlagen zur Verfügung.
Obwohl teurer, punktet ausländische Technik gegenüber der einheimischen Konkurrenz bei Produktivität und Zuverlässigkeit sowie bei Service und der Ersatzteilversorgung. Im 1. Halbjahr 2021 legten die Ausfuhren von Holzbearbeitungsmaschinen aus Deutschland nach Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17,3 Prozent auf rund 42 Millionen Euro zu, meldet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Der Krefelder Anlagenbauer Siempelkamp liefert eine Spanplattenanlage an den Holzwerkstoffproduzenten Uvadrev in der Republik Udmurtien. Die Montagearbeiten beginnen Anfang 2022.
Einfuhren ausgewählter Maschinen für Forstwirtschaft und Holzbearbeitung nach Russland (Millionen US-Dollar)
HS-Position | 2017 | 2018 | 2019 |
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Maschinen, Apparate und Geräte für die Landwirtschaft und Forstwirtschaft (8432), darunter aus: | 473,4 | 444,8 | 389,8 |
..China | 41,7 | 48,5 | 45,1 |
..Deutschland | 158,2 | 146,8 | 109,3 |
Maschinen, Apparate und Geräte für die Landwirtschaft und Forstwirtschaft (843680), darunter aus: | 936,6 | 464,6 | 489,9 |
..China | 18,1 | 28,9 | 35,8 |
..Deutschland | 68,9 | 56,9 | 59,1 |
Maschinen zur Verarbeitung von Holz, Kork, Hartkautschuk, harten Kunststoffen (8465), darunter aus: | 438,6 | 369,8 | 299 |
..China | 121,6 | 97,3 | 103 |
..Deutschland | 73,7 | 82,7 | 43,5 |
Pressen zum Herstellen von Span- und Faserplatten aus Holz (847930), darunter aus: | 309,8 | 60,4 | 88,9 |
..China | 13,5 | 4,4 | 4,3 |
..Deutschland | 131 | 25,6 | 65,5 |