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Tourismussektor in Spanien hofft auf die Sommersaison
Nach Mindereinnahmen von rund 106 Milliarden Euro im Vorjahr soll 2021 die Wende zum Besseren bringen. Viele Tourismusunternehmen erfinden sich in der Krise neu.
19.04.2021
Von Oliver Idem | Madrid
Der Tourismus ist von der Coronakrise besonders hart getroffen. Der Branchenverband Exceltur schätzt, dass die Einnahmen des Sektors 2020 das Vorjahresresultat um 106,4 Milliarden Euro unterschritten. Das entspräche einem Einbruch des Geschäfts mit in- und ausländischen Kunden um etwa zwei Drittel.
Das Gastgewerbe hatte seinen Anteil am spanischen Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen Jahren immer weiter gesteigert. Noch 2019 konnten 12,3 Prozent Anteil an der Wirtschaftsleistung erreicht werden. Im Pandemiejahr 2020 fiel die Quote auf nur noch 4,3 Prozent.
Für das schwach begonnene neue Jahr geht der Verband im Vergleich zu 2019 von 58 Milliarden Euro weniger Einnahmen aus. Die letzten Übernachtungszahlen lagen um 85 beziehungsweise 86,5 Prozent unter dem Niveau von Januar und Februar 2020. Im Februar reisten 94 Prozent weniger Gäste aus dem Ausland an als zwölf Monate zuvor.
Im Januar 2021 ermittelte das Statistikamt INE eine um 73 Prozent niedrigere Rentabilität der Hotelzimmer. Sie betrug gegenüber dem Vorjahresmonat nur noch 12,15 Euro. In den wenigen geöffneten Häusern kostete eine Übernachtung durchschnittlich 62 Euro und war damit um 24 Prozent günstiger als im Januar 2020.
Hoffnung auf erfolgreiche Impfungen und neue Reiselust
Die Erwartungen für die Reisebranche sind mit Blick auf den Sommer gemischt. In einigen wichtigen europäischen Quellmärkten kommen die Impfkampagnen langsamer voran als geplant. Das könnte für einen Dämpfer sorgen.
Umgekehrt besteht bei einer hohen Nachfrage das Risiko, dass sich das Coronavirus durch Kontakte und Mobilität wieder stärker verbreitet. Der Erfolg der Sommersaison hängt auch an den aktuellen Test- und Quarantäneregelungen und dem Angebot an nationalen und internationalen Verkehrsverbindungen.
Abseits dieser kurzfristigen Faktoren bleibt Spanien ein Schwergewicht im internationalen Tourismus. Das Land punktet mit landschaftlicher Attraktivität, reichlich Sonne und einem breit gefächerten Angebot für Reisende.
Wie die Buchungen für Osterurlaub auf Mallorca zeigten, kann sich auch kurzfristig eine starke Dynamik entfalten. Zudem stimmt vorsichtig optimistisch, dass die Durchschnittsausgaben ausländischer Gäste 2020 nur um 13,8 Prozent auf 133 Euro pro Tag fielen.
Die geringen Besucherzahlen waren also die Hauptursache für den Einbruch der Einnahmen. Statt 83,5 Millionen kamen 2020 nur noch 18,9 Millionen Gäste nach Spanien. Einer Schätzung zufolge hatten 50 Millionen potenzielle Auslandsgäste wegen Reiserestriktionen überhaupt keine Möglichkeit, das Land zu besuchen.
Durchhalten mit Hilfe neuer Geschäftsideen
Die noch geöffneten Hotels überbrücken die nachfragearme Zeit mit neuen Ideen. Beispielsweise entwickeln sie Kurzzeitangebote, Offerten für neue Zielgruppen oder passen ihre Bedingungen an die Bedürfnisse der verunsicherten potenziellen Kunden an.
Hotelketten wie Meliá, NH und RIU warben im Frühjahr 2021 verstärkt um Touristen aus dem Inland. Aufgrund von Reisebeschränkungen zwischen den Autonomen Regionen können jedoch viele Spanier derzeit keinen klassischen Inlandsurlaub machen.
Viele seit Monaten von Kurzarbeit betroffene Reiseveranstalter und Reisebüros fusionieren oder arbeiten punktuell zusammen. Die Autovermietung Europcar setzt in Spanien stärker auf Unternehmensflotten als auf das Tourismusgeschäft. Zudem rücken nachhaltige und kontaktlose Mobilität bei Europcar in den Blickpunkt.
Avale und Kurzarbeit als Überbrückung für den Tourismussektor
Die spanische Regierung setzt für die Zukunft auf einen umweltverträglichen Tourismus mit einem wesentlich stärkeren Einsatz digitaler Technologien. Wie im April 2021 bekannt wurde, wird das Resilienzprogramm 3,4 Milliarden Euro für die Modernisierung und Wettbewerbsfähigkeit der Branche enthalten. Einzelheiten zu dem Programm auf Basis der Next-Generation-EU-Gelder lassen jedoch noch auf sich warten.
Momentan zielen verschiedene Hilfsmaßnahmen darauf ab, die Branchenunternehmen, ihre Liquidität und die Arbeitsplätze zu erhalten. Hotellerie und Gastronomie sind neben dem Handel die Sektoren, die auch im 1. Quartal 2021 am stärksten auf die Kurzarbeit angewiesen waren. Ihnen stand der Zugang zum allgemeinen Avalprogramm der Regierung sowie zur vereinfachten Kurzarbeit offen. Bis Ende 2020 flossen vor allem durch die Staatsbürgschaften rund 51 Milliarden Euro in Tourismus, Gastronomie und Handel.
Zwei kleinere sektorspezifische Hilfsmaßnahmen wurden aber von Branchenvertretern als unzureichend kritisiert. Im Sommer 2020 brachte die Regierung zunächst ein 4,3-Milliarden-Euro-Paket auf den Weg, das bevorzugten Zugang zu Darlehen sowie Modernisierungskredite enthielt. Im Dezember 2020 folgten weitere Hilfen für Tourismus, Gastgewerbe und Handel im Wert von 4,2 Milliarden Euro. Diese umfassten die Reduzierung von Geschäftsmieten, die Sicherung von Liquidität und Steueraufschübe.
Erst nach einem Jahr Krise folgten im März 2021 Direkthilfen für Unternehmen mit mindestens 30 Prozent Umsatzeinbruch 2020 gegenüber dem Vorjahr. Diese Maßnahmen sind vorrangig auf den Tourismus und weitere besonders betroffene Zweige zugeschnitten. Zudem sollen sie Wirkung in den am stärksten betroffenen Regionen entfalten. Für diese Direkthilfen stehen 7 Milliarden Euro zur Verfügung.
Viele Zweige sind indirekt von der Tourismuskrise betroffen
Der Absturz nach sieben Rekordjahren in Folge bis 2019 sendet Schockwellen aus. Handel und Dienstleister in den Tourismusgebieten spüren Umsatzrückgänge. Mobilfunkbetreiber nehmen deutlich weniger Roaminggebühren ein.
Restaurants und Bars mussten 2020 einen Einbruch ihrer Umsätze um 42 Prozent hinnehmen. Laut dem Beratungsunternehmen The NPD Group erwirtschafteten sie nur noch knapp 21,9 Milliarden Euro. Bereits 85.000 Unternehmen mussten nach Angaben der Branchenorganisation Hostelería de España während der Coronakrise schließen. Auch die Brauereien sind hart getroffen, da laut Cerveceros de España 70 Prozent des Biers in Bars und Restaurants konsumiert wird.