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Special | Indonesien | Smart Farming

Digitalisierung der Landwirtschaft in Indonesien

Der Agrarsektor des Archipels bedarf dringend der Technisierung, denn immer mehr Nahrungsmittel müssen importiert werden. Doch Smart Farming steht erst am Anfang.

Von Frank Malerius | Jakarta

  • Ziele: Smart Farming soll Indonesiens Erträge steigern

    Die Landwirtschaft muss ihre Produktivität erhöhen, um Nahrungsmittelimporte zu senken. Eine umfassende Strategie für den Einsatz digitaler Technologien gibt es aber nicht.

    Smart Farming ist ein neues Phänomen in Indonesien, erst seit wenigen Jahren kommt es im Nahrungsmittelanbau zur Anwendung, und das zumeist auch nur im kleinen Maßstab. Doch allmählich hat die Politik das Thema entdeckt. Schließlich kann der Einsatz von digitalen Technologien Erträge steigern, die Produktqualität auf exportfähiges Niveau heben oder Dünger einsparen, der teuer importiert oder mit hohem Energieeinsatz selbst erzeugt werden muss. Doch jenseits vieler kleinteiliger Entwicklungspläne sucht man eine umfassende Smart-Farming-Strategie bisher vergebens.

    Der Bedarf an besseren Anbaumethoden ist groß, denn Indonesien muss für immer größere Summen Nahrungsmittel importieren. Das jährliche Bevölkerungswachstum beträgt mehr als 3 Millionen Menschen. Gleichzeitig sind Nahrungsmittel ein wichtiges Exportgut des Archipels.  

    Der Druck für eine Technologieoffensive ist hoch, doch der Einsatz von Smart Farming im großen Maßstab ist schwierig, denn die heimische Landwirtschaft ist kleinbäuerlich geprägt. Viele Bauern bearbeiten nur kleine Parzellen, haben wenig Know-how und können sich keine Technologie leisten. Eine Ausnahme ist der Palmölbau, der zu immerhin 60 Prozent auf großen Plantagen stattfindet. Dort ist reichlich Kapital für moderne Anbaumethoden vorhanden.

    Millennials aufs Land

    Ein weiteres Problem ist die Überalterung der Bauern. Landwirtschaft steht für Armut, Rückständigkeit und harte Arbeit - jüngere Menschen wollen dieses Leben nicht. Sie zieht es in die Städte. Als eine Folge davon ist der indonesische Reisbauer im Durchschnitt Ende Vierzig und hat bestenfalls einen Mittelschulabschluss. Das sind keine besonders guten Voraussetzungen für Veränderung und Innovation. 

    Ausgesprochenes Ziel von Regierungsinitiativen im Bereich Smart Farming ist daher, Millennials aufs Land zu locken. Die Chancen dafür sind durchaus vorhanden, denn junge Indonesier sind ausgesprochen digitalaffin. Praktisch jeder besitzt ein Smartphone und geht online einkaufen. In den Städten ersetzen E-Wallets bereits einen großen Teil des Bargeldverkehrs.  

    In Vertrieb und Marketing von landwirtschaftlichen Produkten ist die Digitalisierung hingegen viel weiter fortgeschritten als in deren Anbau. So vermittelt etwa das Vorzeige-Start-up Tanihub landwirtschaftliche Produkte vom Kleinbauern via Internet an Händler und Endkunden. Andere Start-ups wie Sayurbox ("Gemüsekiste") liefert in Großstädten Gemüse und andere Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs als individuelle Online-Bestellungen nach Hause oder ins Büro.

    Regierung fördert Kleinprojekte

    Die Regierung hatte 2018 die Strategie "Making Indonesia 4.0" ausgerufen. Zu den fünf Kernbranchen, die besonders gefördert werden sollen, gehört die Landwirtschaft allerdings nicht, wohl auch aufgrund ihrer kleinteiligen Struktur. Bisher gibt es überwiegend kleinere Projekte, die oft in Kooperation mit staatlichen Unternehmen und zumeist öffentlicher Finanzierung durchgeführt werden. Zuständige Institution auf politischer Seite ist das Landwirtschaftsministerium.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Agrarwirtschaft: Struktur erschwert Agrar-Innovation

    Indonesiens Landwirtschaft ist unterentwickelt, und die Bewirtschaftung kleiner Flächen behindert den Fortschritt. Dennoch entstehen vielerorts Smart-Farming-Initiativen.

    Indonesien ist längst eine Dienstleistungsgesellschaft, die Landwirtschaft trägt nur noch 13 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Dennoch hat der Agrarsektor des Archipels eine enorme Bedeutung, weil er etwa 30 Prozent aller Arbeitskräfte absorbiert. Allerdings ist er schwach entwickelt. Er ist kleinbäuerlich geprägt und leidet infolgedessen unter geringer Produktivität. Die bewirtschafteten Flächen sind oftmals so klein, dass ein erheblicher Teil der Bauern als Netto-Nahrungsempfänger gilt.

    Als eine Folge dieser Marktstruktur ist der Archipel in steigendem Maße auf Nahrungsmittelimporte angewiesen, 2020 wurden dafür 15,4 Milliarden US-Dollar (US$) aufgewendet. Das riesige und fruchtbare Land mit seinem günstigen Klima verzeichnete seinen letzten Außenhandelsüberschuss mit Nahrungsmitteln im Jahr 2006. Bei nahezu allen Grundnahrungsmitteln ist Indonesien von Einfuhren abhängig, seien es Reis, Weizen, Mais, Soja, Rindfleisch, Milch, Knoblauch, Zucker oder Salz. Selbst die traditionelle heimische Küche basiert längst auf Importen. Auch drei Viertel des Kochgases müssen eingeführt werden.

    Cash Crops verdrängen Nahrungsmittelanbau

    Die Landwirtschaft ist geprägt vom Palmölanbau. Er erstreckt sich nach Angaben des Statistikamtes BPS über eine Fläche von 14,9 Millionen Hektar. Das ist etwa ein Viertel der gesamten indonesischen Agrarfläche und entspricht der gemeinsamen Ausdehnung von Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Palmöl ist nach Kohle das zweitwichtigste Ausfuhrgut des Landes.

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    Wichtige, nahezu ausschließlich kleinbäuerlich erzeugte Exportgüter sind Kautschuk, Kakao und Kaffee. Sie verdrängen den Nahrungsmittelanbau, weil sie den Bauern bessere Einkommenschancen versprechen.

    Auch wenn es für Indonesien volkswirtschaftlich wenig sinnvoll ist, auf einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln zu setzen, hat dieser dennoch eine große psychologische Bedeutung im Land. Denn viele ältere Menschen können sich noch gut an Zeiten der Unterversorgung erinnern. Sobald die Regierung Reis aus Thailand, Vietnam oder Indien importiert, ist die öffentliche Empörung über diese Abhängigkeit groß.

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    Diese Befindlichkeit ist Ansporn für die Ausweitung der Landwirtschaft und den Einsatz von Smart Farming. Die Regierung hat in mehreren Regionen sogenannte Food Estates geschaffen, deren Erträge gezielt Nahrungsmittelimporte substituieren sollen. Zu den größten gehört das 32.000 Hektar umfassende Food Estate in Zentralkalimantan.

    Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur in Indonesien

    2020

    Einwohner (in Millionen)

    273,5 

    landwirtschaftliche Nutzfläche (in 1.000 Hektar)

    63.3001)

    Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in Prozent)

    13,3 2)

    IMD Digital Competitiveness Ranking

    56

    1) 2018; 2) 2019Quelle: UN; FAO; IMD

    Keine umfassende Smart-Farming-Strategie 

    Vielerorts im Archipel sind kleinere Initiativen entstanden: Drohnen helfen bei der Schädlingsbekämpfung, Sensoren überwachen den Säuregehalt des Bodens. Apps bieten den Bauern aktuelle Informationen über das Wettergeschehen und helfen bei der Einsparung von Düngemitteln.

    Junge Gründer bestimmen dabei das Bild, wie etwa der Smart-Farming-Anbieter Mitra Sejahtera Membangun Bangsa ("Partner für den nationalen Ausbau"). Das Unternehmen bekam auf der digitalen Hannover Messe im April 2021 den Hermes Award in der Kategorie Start-up verliehen. Es wurde 2018 gegründet und bietet vom Einsatz von Boden- und Wettersensoren, der Drohnendüngung bis hin zu Cloudlösungen ein breites Portfolio an Leistungen, die vielerorts zum Einsatz kommen, sei es bei der Ernteoptimierung von Melonenbauern in Yogyakarta oder im Nach-Ernte-Management von Mais in Nusa Tenggara Timur, dem rückständigen Südosten des Archipels.

    In einigen Bereichen kommen digitale Technologien aber auch im größeren Maßstab zur Anwendung: So wird etwa die Gesamtfläche der Reisfelder Indonesiens mithilfe von Satellitenbildern bestimmt, um zuverlässiger Ernteerträge prognostizieren zu können und gegebenenfalls die Lagerhaltung durch Importe auszuweiten. 

    Ein weiteres Beispiel bietet der deutsche Reifenhersteller Continental, der in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bei seinem nachhaltigen Anbau von Kautschuk in der Provinz Westkalimantan eine digitale Tracking-Technologie verwendet. Sie macht das Produkt entlang der gesamten Wertschöpfungskette rückverfolgbar - vom Kleinbauern bis in die Fabrik. Technologiepartner ist das auf landwirtschaftliche Lieferketten spezialisierte indonesisch-schweizerische Tech-Unternehmen Koltiva. 

    Staatliche Förderung notwendig

    Dennoch steckt Smart Farming noch in den Kinderschuhen. Eine umfassende Regierungsstrategie mit einer Roadmap, einem fixen Budget und definierten Entwicklungszielen ist nicht bekannt. Dennoch gibt es öffentliche Förderung. So werden mehrere Initiativen vom Landwirtschaftsministerium, dem Ministerium für Information und Kommunikation, dem staatlichen Mobilfunkkonzern Telkom sowie der staatlichen Bank Negara Indonesia (BNI) unterstützt.

    Beispielsweise fördert die BNI in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium seit 2020 sechs Smart-Farming-Projekte in den fünf Provinzen West-, Zentral- und Ostjava sowie West- und Nordsumatra. Die Bank bringt Technologie-Start-ups und Bauern zusammen und bietet eine günstige Projektfinanzierung. Schwerpunkte sind Präzisionsdüngung und Schädlingsbekämpfung. Darüber hinaus wird Bauern mithilfe von Apps und Sensoren vermittelt, wie Niederschläge, Temperatur und Bodenbedingungen mit dem Düngemittelbedarf zusammenhängen.

    Neben Ministerien und Staatsunternehmen gehören Universitäten wie etwa die Fakultät für Agrartechnik und Biosysteme der renommierten Universität Gadjah Mada in Yogyakarta zu den Treibern der Entwicklung. Die meisten Smart-Farming-Projekte sind aber direkt oder indirekt auf staatliche Unterstützung angewiesen. Denn Kleinbauern können sich ihre Dienste nicht leisten. 

    Einige Hindernisse beim Einsatz von Smart Farming sind der Geographie des Archipels geschuldet. Denn jenseits der Ballungszentren gibt es oft nur eine schlechte, in abgelegenen Regionen auch manchmal gar keine Internetverbindung. Auch die Stromversorgung hat mancherorts Lücken.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Marktstruktur: Hoffnung liegt auf ausländischen Investoren

    Die Aufhebung der Investitionsbeschränkungen für ausländische Unternehmen soll Technologie und Know-how in die indonesische Landwirtschaft locken.

    In Indonesien gibt es bisher keinen Smart-Farming-Sektor, der entsprechende Technologien in größerem Umfang standardisiert herstellt oder vermarktet. Die Initiative liegt zumeist bei kleinen Start-ups von jungen Indonesiern, die individuelle Lösungen für ihre Kunden entwickeln und dabei aufgrund der Finanzschwäche ihrer Kunden zumeist auf staatliche Förderungen angewiesen sind.

    Anspruchsvolle Lösungen aus dem Ausland

    Einfache Technologien wie Standard-Drohnen, aber auch Sensoren werden im Land hergestellt. Bei anspruchsvolleren Technologien ist der Sektor, so wie die meisten Branchen, auf Importe angewiesen. Dafür sind junge Indonesier begeisterungsfähig für Technologie und digitale Lösungen. Zahlreiche digitale Alltagsanwendungen, wie etwa bargeldloses Zahlen oder Online-Einkäufe, sind in Indonesien viel weiter verbreitet als in Deutschland.

    Für die Entwicklung von Smart-Farming-Lösungen gibt es talentierte Programmierer. Sie sind auf dem Arbeitsmarkt allerdings heiß umkämpft und können sich die lukrativsten Arbeitsplätze aussuchen. Kleinere Start-ups haben gegen die großen finanzstarken Unicorns wie Gojek, Tokopedia oder Traveloka zumeist das Nachsehen. Programmierer werden zwar kontinuierlich in speziellen Coding-Camps nachgeschult, sie können die Nachfrage aber nicht annähernd decken. Der Mangel an Softwareentwicklern ist längst zu einem Flaschenhals für den digitalen Fortschritt geworden.  

    Alleinige Eigentümerschaft erlaubt

    Hoffnungen für die Modernisierung der Landwirtschaft ruhen auf der aktuellen Reform des Investitionsrechts und des Arbeitsrechts. Bisher war der Sektor für ausländische Investoren weitgehend geschlossen. Bauern und Kooperativen sollten als ökonomisch besonders verletzliche Teile der Gesellschaft vor Konkurrenz geschützt bleiben. Doch der Druck zum Fortschritt war letztlich zu hoch. 

    Durch die Gesetzesreform können Ausländer nun alleinige Eigentümer von landwirtschaftlichen Unternehmen sein, vormals war jenseits des Plantagensektors nur ein Anteil von maximal 30 Prozent erlaubt. Inwieweit das Anreiz genug für ausländische Investoren ist, bleibt abzuwarten.

    Indonesien gilt als schwieriger Investitionsstandort mit eingeschränkter Rechtssicherheit und einer ausufernden Bürokratie. Dennoch hat es seit Amtsantritt von Joko Widodo 2014 substanzielle Verbesserungen gegeben. So ist der Archipel im Doing-Business-Index der Weltbank von Platz 128 (2013) auf Rang 73 (2020) vorgerückt.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Indonesien („Ekonid“)

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Kementerian Pertanian

    Landwirtschaftsministerium (zuständig für Bewirtschaftung)

    Kementerian Agrarian dan Tata Ruangan

    Ministerium für Agrarwirtschaft und Raumplanung (zuständig für Ausweisung von Flächen)

    Kementerian Kelautan dan Perikanan (KKP)

    See- und Fischereiministerium

    Kementerian Kehutanan dan Lingkungan Hidup

    Ministerium für Forstwirtschaft und Umweltschutz

    INAGriTech

    Jährliche Landwirtschaftstechnikmesse in Jakarta (nächster Termin: 25.-27. August 2021)

    Indo Agritech

    Jährliche Fachmesse für Agrartechnologie in Jakarta

    AgroFood

    Jährliche Fachmesse für Agrarprodukte in Jakarta

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