Die Gesamtlage in Hongkong hat sich leicht gebessert. Während der Außenhandel floriert, muss der Einzelhandel auf die Grenzöffnung warten. (Stand: 25. März 2021)
Hongkong bekam aufgrund seiner geografischen Nähe zu und seiner engen sozio-ökonomischen Verflechtung mit China als eine der ersten Volkswirtschaften der Welt die Auswirkungen der Coronakrise zu spüren. Die Hoffnung, die Sonderverwaltungsregion (SVR) werde ähnlich wie der große Nachbar wieder frühzeitig zur Normalität zurückkehren können, hat sich indes nur in Teilen erfüllt.
Das liegt weniger an der Pandemielage selbst, denn die Ansteckungszahlen waren zu keinem Zeitpunkt bedrohlich. Seit Jahresbeginn 2021 liegt die Sieben-Tage-Inzidenz im niedrigen einstelligen Bereich. Doch anders als China hat Hongkong keinen großen Inlandsmarkt und kaum verarbeitendes Gewerbe. Die Metropole ist daher dringend auf den freien Verkehr von Dienstleistungen und Personen angewiesen. Die Regierung lässt aber aus Angst vor den neuen Virusmutationen die Grenze weiterhin dicht.
Außenhandel wuchs zuletzt kräftig
Viele Branchen und Geschäftszweige sind stark beeinträchtigt, darunter Flugverkehr und Tourismus sowie das Messe- und Veranstaltungswesen. Deutliche Einbußen gab es außerdem im Einzelhandel und Restaurantsektor, die unter dem Ausbleiben der konsumfreudigen chinesischen Besucher leiden. Wesentlich positiver sieht die Lage im Außenhandel und im Logistiksektor aus. Der Gütertransport funktioniert einigermaßen normal.
Einzelhandel um bis zu 30 Prozent unter Vorkrisenniveau
Insgesamt ging der Warenhandel nach Angaben des Statistikamtes 2020 nur um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Der Einzelhandelsumsatz schrumpfte nominal um ein Viertel. Zwar haben sich Zahlen seit dem Sommer 2020 deutlich aufgehellt, jedoch findet die Besserung wegen des statistischen Basiseffektes nahezu ausschließlich auf dem Papier statt. Schon das 2. Halbjahr 2019 war infolge der politischen Unruhen und Massenproteste schlecht verlaufen. Tatsächlich blieb der Sektor 2020 somit noch rund 30 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2018.
Erwerbslosigkeit bereitet Sorge
Die Erwerbslosigkeit einschließlich der Unterbeschäftigung hat sich in absoluten Zahlen mehr als verdoppelt und lag im Zeitraum Dezember 2020 bis Februar 2021 bei 11,2 Prozent. Die tatsächliche Quote dürfte nach Einschätzung von Landeskennern sogar noch höher ausfallen. Zudem sind immer mehr Unternehmen dazu übergegangen, Löhne und Boni zu kürzen.
Keine belastbaren Statistiken gibt es zur Anzahl der Geschäftsaufgaben. Doch dürften Zehntausende von kleinen Firmen bereits das Handtuch geworfen haben. Auch große internationale Luxusgüteranbieter machen Filialen dicht. In allen Einkaufslagen ist der Leerstand spürbar gestiegen. Vermieter sollen Mietnachlässe von mehr als 50 Prozent anbieten. Insbesondere Shoppingmalls ist daran gelegen, keinen verwaisten Eindruck zu erzeugen.
Hongkongs Indikatoren 2020 (nominale Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in Prozent)
Indikator | Veränderung |
---|
Binnenwirtschaft | |
BIP (real) | -6,1 |
Privatkonsum (real) | -10,2 |
Einzelhandelsumsatz | -24,3 |
Restaurantumsatz | -29,4 |
Anzahl Erwerbslose1 | 121,1 |
Außenwirtschaft | |
Warenexporte | -1,5 |
Warenimporte | -3,3 |
Dienstleistungsexporte (real) | -36,8 |
Dienstleistungsimporte (real) | -35,2 |
Logistik und Transport | |
Flugverkehr (Starts und Landungen) | -61,7 |
Passagierumschlag | -87,6 |
Frachtumschlag | -6,0 |
Schiffsverkehr2 | -45,5 |
Passagierschiffe | -90,4 |
Containerschiffe | -11,7 |
1) 4. Quartal 2020 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum; 2) jeweils AnkünfteQuelle: Statistikamt Hongkong; Civil Aviation Department; Marine Department
Seit dem chinesischen Neujahrsfest geht es bergauf
Immerhin hat sich die Lage seit dem chinesischen Neujahrsfest im Februar 2021 leicht, aber spürbar gebessert. Der Regierung ist es dank einer stringenten Teststrategie gelungen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen und zahlreiche Social-Distancing-Maßnahmen zu lockern. In der Stadt geht das Leben fast normal weiter. Restaurants, Geschäfte, Fitnessstudios und Kinos haben geöffnet. Doch durchgreifende Besserung könnte erst eine weitgehende Grenzöffnung bringen.
Hier zeichnet sich erstmalig eine gewisse Kompromissbereitschaft der Regierung ab. Sie steht enorm unter Druck, da die Bevölkerung die kostenlos angebotenen Impfungen nur zögerlich annimmt. Hongkong befindet sich in der außergewöhnlichen Lage, über mehr Impfstoffdosen als Impfwillige zu verfügen. Das ist genauso gefährlich als wenn es einen Versorgungsmangel gäbe, denn die Grenzöffnung hängt stark von der möglichen Herdenimmunität ab.
Kennzahlen zur Coronapandemie in Hongkong (Stand: 25. März 2021)
Indikator | Wert |
---|
Bewohner (in Millionen) | 7,5 |
Krankheitsfälle insgesamt | 11.420 |
Als geheilt Entlassene | 10.963 |
Todesfälle | 204 |
Aktive Fälle | 253 |
Sieben-Tage-Inzidenz1 | 1,1 |
Fallsterblichkeit (in Prozent) | 1,8 |
Impfungen (in Prozent der Bevölkerung) | 5,4 |
1) pro 100.000 Einwohner (18. bis 24. März 2021)Quelle: Centre for Health Protection
Nun sucht die Regierung nach Anreizen, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Diskutiert werden Lockerungen der Quarantänevorschriften für Geimpfte bei der Einreise. Nach Angaben aus der Luftverkehrsbranche gibt es Pläne, für Personen mit zwei Impfungen und einem negativen Corona-Test die Quarantänepflicht teilweise auszusetzen. Außerdem gewinnt die Idee zur Bildung von sogenannten Travel Bubbles wieder an Zuspruch. Allerdings müsste dafür aufwändig bilateral verhandelt werden.
Durchgreifende Besserung nicht vor dem 4. Quartal 2021
Selbst wenn die Grenze im Sommer 2021 etwas durchlässiger werden sollte, dürfte dies gesamtwirtschaftlich betrachtet wenig bringen. Erst eine weitgehende Öffnung wird den großen Umschwung bringen, dazu dürfte es jedoch frühestens im 4. Quartal 2021, womöglich sogar erst 2022 kommen. Die Regierung ist dennoch optimistisch. Sie erwartet für 2021 eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von real 3,5 Prozent bis 5,5 Prozent.
Das ist nicht unrealistisch. Allein der statistische Basiseffekt dürfte für Besserung sorgen, denn 2019 war die Wirtschaft leicht und 2020 stark geschrumpft. Mit einem Mittelwert von 4,5 Prozent erreicht die Regierungsvorhersage auch den Durchschnitt der Prognosen der privaten Institute und Banken. Dennoch dürfte sicher sein, dass die Wirtschaft 2021 noch ein gutes Stück vom Vorkrisenniveau entfernt bleiben wird. Für die Jahre 2022 bis 2025 gehen die Behörden von einer durchschnittlichen BIP-Zunahme von 3,3 Prozent aus.
Von Roland Rohde
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