Branchen | Südafrika | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Die meisten Unternehmen der Chemiebranche in Südafrika sind bisher relativ gut durch die von der Coronapandemie ausgelöste Wirtschaftskrise gekommen.
06.05.2021
Von Marcus Knupp | Berlin
Petrochemie prägt Südafrikas Chemiebranche
Das größte Branchenunternehmen im Land ist der staatliche Petrochemie-Konzern Sasol. Es wurde 1950 zur Verflüssigung von Steinkohle gegründet. In den am 30. Juni 2020 zu Ende gegangenen zwölf Monaten hatte der Umsatz des Unternehmens ein Volumen von rund 215 Milliarden Rand (circa 11,4 Milliarden Euro), was einer nominalen Abnahme von 5,3 Prozent im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum entspricht. Zuwächse gab es vor allem im Bereich Basischemikalien, während die Verarbeitung von Energierohstoffen Federn lassen musste. Im Umsatzvolumen nehmen Kraftstoffe aber weiterhin die erste Stelle ein.
Neben der Nahrungsmittelindustrie und der Metallverarbeitung war die Chemie zur Jahreswende 2020/2021 die umsatzstärkste Branche der verarbeitenden Industrie Südafrikas vor dem Automobilbau. Im Jahr 2020 betrugen die Verkäufe an chemischen, petrochemischen, pharmazeutischen und Kunststoffprodukten aus einheimischer Fertigung in Südafrika vorläufigen Berechnungen zufolge etwa 25,6 Milliarden Euro.
Eine detaillierte Erhebung der Produktion wird nur alle drei Jahre durchgeführt und liegt zuletzt für 2017 vor. Unter den chemischen Vorprodukten für die Industrie stellten Polymere für die Kunststoffherstellung mit umgerechnet rund 1,9 Milliarden Euro den größten Posten. Die Produktion von Mineraldüngern erreichte 2017 etwas über eine Milliarde Euro, gefolgt von Carbonsäuren mit rund 868 Millionen Euro und Sprengstoffen mit einem Produktionswert von 774 Millionen Euro. Die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln in Südafrika summierte sich im selben Jahr auf 582 Millionen Euro.
Sowohl bei den Kunststoffprodukten als auch Gummiwaren sind vor allem Zulieferungen für die Automobilindustrie auf den vorderen Plätzen der Produktionsstatistik zu finden. So stehen hier Teile und Komponenten aus Kunststoff mit einem Wert von 648 Millionen Euro für 2017 vor zahlreichen Vorprodukten ganz oben auf der Liste. Reifen für Personenwagen und Nutzfahrzeuge dominieren im selben Jahr mit 716 Millionen Euro die Produktion der südafrikanischen Gummiindustrie, gefolgt von Übertragungsriemen.
Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Südafrika (in Millionen Euro; Veränderung und Marktanteil in Prozent)
Sparte | 2017* | Veränderung 2017/2014 | Marktanteil |
---|---|---|---|
Petrochemische Produkte | 15.744,5 | -15,84 | 45,4 |
Industriechemikalien, Agrarchemikalien | 7.161,5 | 0,43 | 20,7 |
Kunststoffe und Kunststoffprodukte | 6.362,5 | 6,43 | 18,4 |
Reinigungsmittel und Kosmetik | 1.636,9 | 58,15 | 4,7 |
Arzneimittel | 1.557,0 | 14,18 | 4,5 |
Gummiprodukte | 1.106,8 | 1,64 | 3,2 |
Farben und Lacke | 1.080,4 | 1,34 | 3,1 |
Blick auf die Region
Die auf Autarkie gerichtete wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas während der Apartheid hat insbesondere in der Grundstoffindustrie zur Entstehung größerer lokaler Unternehmen beigetragen. Beispiele bietet vor allem die kohlebasierte organische Chemie. Aber auch in Bereichen wie der Herstellung von Arzneimitteln oder Düngemitteln hat der lokale Bedarf die Entwicklung von Unternehmen gefördert, die heute auch international aufgestellt sind.
Hinzu kommt eine Anzahl ausländischer Unternehmen, die in Südafrika zum einen industrielle Abnehmer sowie einen im afrikanischen Kontext großen Markt vorfinden. Zum anderen nutzen sie das Land als Basis für die Bearbeitung der Region, was durch die südafrikanische Zollunion erleichtert wird. Schwerpunkt der Chemieindustrie in Südafrika ist die Provinz Gauteng um die Metropole Johannesburg im Landesinneren, wo rund die Hälfte der Unternehmen der Branche ansässig ist. Es folgen die Provinzen KwaZulu-Natal um Durban und Western Cape.
Häufig suchten die Unternehmen mit ihren Standorten im Inland die Nähe der Kohlevorkommen. Inzwischen allerdings rückt die günstige Lage zu den Exporthäfen stärker in den Vordergrund, womit küstennahe Standorte wichtiger werden, wie das Beispiel Richards Bay zeigt. Angesichts flauer Konjunktur und zum Teil schwieriger Produktionsbedingungen, zum Beispiel durch Ausfälle in der Stromversorgung, deuten die Konsolidierung von Produktionskapazitäten durch Übernahmen sowie der partielle Rückzug einiger Akteure auf die angespannte Wettbewerbslage in Südafrika hin.
Wichtige Branchenunternehmen in Südafrika (Umsatz in Millionen Euro)
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2020 |
---|---|---|
Petrochemie | 11.365 | |
Arzneimittel | 2.044 | |
Sprengstoffe | 1.275 | |
Kunststoffe | 1.172 *) | |
Düngemittel | 943 *) | |
Petrochemie | 724 | |
Arzneimittel | 389 *) | |
Phosphate, Dünger | k.A. | |
Arzneimittel und Agrarchemikalien | k.A. |
Die gesamten Raffineriekapazitäten Südafrikas gibt der Fachverband SAPIA (South African Petroleum Industry Association) mit 718.000 Barrel pro Tag (bpd; 1 Barrel = 159 Liter) an. Davon entfallen 523.000 bpd auf die Verarbeitung von Rohöl und Erdgas und 195.000 bpd auf die Raffinierung synthetischer Rohstoffe durch Sasol und PetroSA. Neben diesen staatlichen Akteuren sind etliche internationale Energiekonzerne in diesem Bereich aktiv.
Die Raffinerie Sapref bei Durban (180.000 bpd) ist ein Joint Venture von BP und Shell. Hinter dem Betreiber Engen (Raffinerie Enref, Durban, 135.000 bpd) steht die malaysische Petronas; diese Anlage war allerdings nie voll einsatzfähig und läuft auf etwa der halben Kapazität. Die Anlage Natref in Sasolburg südlich von Johannesburg (108.000 bpd) wird gemeinsam von Sasol und Total betrieben. In Kapstadt schließlich befindet sich die veraltete und ineffiziente Raffinerie Chevref (100.000 bpd), die das lokale Unternehmen Off the Shelf Investments (OTS) 2018 von Chevron übernommen hat. Finanziert wurde die Transaktion durch den Rohstoffkonzern Glencore. Berichten zufolge soll an die Übernahme die Verpflichtung geknüpft sein, in den kommenden Jahren sechs Milliarden Rand (circa 400 Millionen Euro) in die Modernisierung der Anlage zu investieren.
Förderung von Industrievorhaben
Die Förderung von Industrievorhaben in Südafrika erfolgt durch die staatliche Finanzinstitution Industrial Development Corporation (IDC). Übergeordnetes Ziel ist der Aufbau wettbewerbsfähiger weiterverarbeitender Industrien in verschiedenen Sektoren, darunter die chemische und pharmazeutische Industrie. Als Fokussparten nennt IDC die Bereiche Pflanzenschutz, Farben und Lacke, Arzneimittel, Seifen und Reinigungsmittel, Kunstfasern, Kunststoffe einschließlich Recyclingverfahren sowie medizinische Produkte.