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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Handelspolitik

EU-Integration wichtiges Anliegen der ukrainischen Handelspolitik

Die Ukraine passt viele Standards an EU-Normen an. Unternehmen beklagen aber zunehmend protektionistische Tendenzen.

Von Fabian Nemitz | Kiew

Die stärkere Einbindung in den Binnenmarkt der Europäischen Union (EU) ist der wichtigste Vektor der ukrainischen Handelspolitik. Das 2014 unterzeichnete Assoziierungsabkommen und das damit verbundene vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen (DCFTA) bilden hierfür die wichtigste Grundlage.

Seit Inkrafttreten des DCFTA ist für eine Vielzahl von Waren ein zollfreier Handel zwischen der EU und der Ukraine möglich. Zahlreiche nationale Standards werden schrittweise an EU-Richtlinien angepasst. Laut dem jüngsten Bericht zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens belief sich der Stand der Implementierung Ende 2020 auf 54 Prozent, darunter 85 Prozent bei technischen Handelsbarrieren. Ein wichtiger Schritt im Zollbereich war die 2019 beschlossene Einführung zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (AOE). Als erstes Unternehmen hat im März 2021 der Tabakkonzern JTI eine AOE-Zulassung erhalten.

Im Februar 2021 lobte das Europäische Parlament die erreichten Fortschritte unter anderem bei der Deregulierung der Wirtschaft und der größeren Transparenz der öffentlichen Finanzen, kritisierte aber auch deutlich die mangelnden Fortschritte bei der Eindämmung der Einflussnahme von Oligarchen, beim Rule of law und bei der Korruptionsbekämpfung.

Zu den wichtigsten Zielen, die zu einer Vertiefung der Integration führen sollen, zählen eine Überprüfung der bisherigen Fortschritte sowie der Handelsliberalisierung. Das nächste große bilaterale Gipfeltreffen findet am 12. Oktober 2021 in Kiew statt.

Ukraine hofft auf besseren Zugang zum EU-Markt

Die Ukraine hofft auf eine Ausweitung der zollfreien Quoten für Agrargüter und Nahrungsmittel auf dem EU-Binnenmarkt. Bei vielen Produkten sind diese jeweils in den ersten Wochen des Jahres ausgeschöpft. Kritisch sieht man in Kiew auch das große Defizit im Handel mit der EU und den geringen Anteil von Industriegütern an den ukrainischen Exporten.

Herausforderungen für die Ukraine birgt der Green Deal der EU mit dem geplanten Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Dies gilt besonders für die Stahlindustrie.

Folgende Punkte nannte Premierminister Denys Schmyhal Ende Juni 2021 als aktuell wichtigste Ziele der EU-Integration:

Gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertung von Industriewaren

Große Hoffnungen setzt die Ukraine auf einen vereinfachten Marktzugang für Industriegüter zur EU. Das Abkommen über die Konformitätsbewertung und Anerkennung von Industrieprodukten (ACAA) spielt dabei eine Schlüsselrolle. Das "industrial visa-free regime" soll den ukrainischen Markt stärker in den Binnenmarkt der EU integrieren. Vor dem Abkommen wird die Anpassung der ukrainischen Gesetzgebung und Qualitätsinfrastruktur an die EU-Standards geprüft. Die Rechtsvorschriften sind bereits recht weit angeglichen. Aktuell wird die Qualitätsinfrastruktur begutachtet. Nach Einschätzung des German Economic Team bestehen dabei aber noch erhebliche Herausforderungen.

Bedeutung der EU als Handelspartner wächst

Die Bedeutung der EU als Handelspartner und Absatzmarkt für die Ukraine ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Gleichzeitig legt auch der Außenhandel mit China stark zu, während Russland an Bedeutung verliert.

Übersicht über die wichtigsten Lieferländer

Handelspartner

2012

2018

2019

2020

Gesamte Wareneinfuhr in Milliarden US$, darunter aus

83,1

57,2

60,8

54,3

  EU *) (Anteil in %)

31,5

40,6

41,1

43,9

  China (Anteil in %)

9,5

13,3

15,1

15,3

  Russland (Anteil in %)

33,0

14,1

11,5

8,4

  Belarus (Anteil in %)

6,1

6,6

6,2

5,3

*) jeweils einschließlich Vereinigtes KönigreichQuelle: Ukrainischer Statistikdienst (Derzhstat)

Übersicht über die wichtigsten Abnehmerländer

Handelspartner

2012

2018

2019

2020

Gesamte Warenausfuhr in Milliarden US$, darunter aus

67,8

47,3

50,1

49,2

  EU *) (Anteil in %)

25,2

42,6

41,5

37,8

  China (Anteil in %)

2,6

4,6

7,2

14,4

  Russland (Anteil in %)

26,0

7,7

6,5

5,5

  Belarus (Anteil in %)

3,3

2,8

3,1

2,7

*) jeweils einschließlich Vereinigtes KönigreichQuelle: Ukrainischer Statistikdienst (Derzhstat)

Agrargüter, Nahrungsmittel und Metalle stehen für Großteil der Exporte

Die ukrainische Handelspolitik dringt auf einen verbesserten Marktzugang für die eigenen Hauptexportprodukte. Rund 70 Prozent der Warenausfuhr entfallen auf Agrargüter und Nahrungsmittel sowie Erze, Metalle und Metallwaren. Das sind Bereiche, in denen viele Länder versuchen, ihre Märkte abzuschotten.

In den vergangenen Jahren hat die Ukraine mehrere Freihandelsabkommen unterzeichnet, darunter mit Kanada (2016), Israel (2019) und dem Vereinigten Königreich (2020). Verhandlungen mit der Türkei laufen. Weitere Freihandelsabkommen sind geplant, darunter mit den USA, China, Indonesien und Vietnam.

Forderungen nach mehr Schutz der heimischen Industrie

In ihrer Nationalen Wirtschaftsstrategie bis 2030 bekennt sich die Ukraine zum freien Handel, behält sich aber die Anwendung nichttarifärer Regulierungsmaßnamen vor. In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Bestrebungen zur Einführung von Präferenzen lokaler Produkte bei öffentlichen Beschaffungen.

Am 21. Juli 2021 hat das Parlament den Gesetzesentwurf Nr. 3739 "Über das öffentliche Beschaffungswesen" in erster Lesung angenommen. Der Gesetzentwurf sieht die Einführung zeitlich befristeter lokaler Mindestwertschöpfungsanteile in Bereichen des Maschinen- und Fahrzeugbaus bei öffentlichen Ausschreibungen vor. Das Vorhaben ist umstritten - nicht zuletzt, da es gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU verstößt. Die zweite, abschließende Lesung ist bislang nicht erfolgt.

Daneben klagen Unternehmen in letzter Zeit über zunehmende Forderungen nach Schutzmaßnahmen für die heimische Industrie, so etwa für PVC, Fensterprofile oder im Bereich der Agrarchemie.

Weiterführende Informationen:

Delegation der Europäischen Union in der Ukraine

Portal der ukrainischen Regierung mit Informationen zum Stand der EU-Integration

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