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"Neue Normalität" stellt Büromöbelbranche vor Herausforderungen

Der Trend zur Heimarbeit verlangt Herstellern und Händlern viel ab, nicht nur hinsichtlich Logistik und Vertrieb. In den USA machen viele Anbieter aus der Not eine Tugend.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Die Möbelbranche in den USA zeigt sich seit Pandemieausbruch ziemlich robust: Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um 3,5 Prozent geschrumpft ist, konnte die Einrichtungsbranche ihren Umsatz um circa 0,6 Prozent auf rund 115 Milliarden US-Dollar (US$) steigern. Diese Zahlen veröffentlichte die Fachzeitschrift Furniture Today. Zu verdanken ist das in erster Linie dem boomenden Onlinehandel: Laut Coresight Research stieg der Onlineumsatz mit Möbeln und Haushaltswaren 2020 um 41 Prozent auf 36,1 Milliarden US$.

 „Vor der Pandemie kauften nur drei von zehn Verbrauchern Möbel online und sieben gingen in ein Ladengeschäft“, sagt Shambhu Jha von der US-Dependance des Marktforschungsunternehmens Fact.MR. Jetzt ist es genau umgekehrt. „Wir erwarten, dass der Onlinemarkt noch weiter wachsen wird“, meint Gregg Brockway, Mitgründer und Geschäftsführer der US-Vintagemöbel-Plattform Chairish. Der Zuwachs dürfte sich aber verlangsamen: Coresight Research geht 2021 nur noch von einem Onlineumsatzplus von 3 bis 4 Prozent aus.

Boom bei Heimbüromöbeln

Die Coronakrise hat den Markt tüchtig aufgewirbelt. Besonders stark litt das Segment der Büromöbel: Laut den Marktforschenden von Freedonia ging die US-Nachfrage nach solchen 2020 insgesamt um 11 Prozent zurück. Gleichzeitig boomten Heimbüromöbel: Als die Menschen im Zuge der Pandemie ihre Arbeitsplätze zunehmend in die eigenen vier Wände verlagerten, bestellten sie immer mehr davon. Viele Unternehmen – darunter Google, Twitter und Shopify – stellten ihrer Belegschaft sogar bis zu vierstellige Beträge für die Ausstattung von Heimarbeitsplätzen zur Verfügung.

Viele Produzenten waren darauf allerdings nicht vorbereitet. Zum einen verlagerte sich die Nachfrage vor allem auf preiswerte Stühle und Schreibtische zulasten der Markenhersteller. Zum anderen sind Heimarbeitsplätze oft viel kleiner als Büros. Gefragt sind daher platzsparende Lösungen. Auch sollten die Möbel so konzipiert sein, dass sie sich leicht zusammenbauen lassen, da sie direkt an die Verbraucher geliefert werden. So hat zum Beispiel der US-Anbieter iMovR ein elektrisches Stehpult entwickelt, das sich schnell und ohne Werkzeuge aufbauen lässt.

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Darüber hinaus waren die Anforderungen an die Logistik enorm: Unternehmen wie Herman Miller und Steelcase hatten ihre Büromöbel zuvor nur über ihre Händler vertrieben, die wiederum eigene Teams beschäftigen, um die Waren an gewerbliche Endkunden zu liefern und dort zu installieren. Statt Firmen waren die Besteller nun aber Heimarbeitende, und gekauft wurde fast nur noch im Internet.

Anderer Arbeitsstil erfordert neue Bürokonzepte

Dennoch arbeiten Möbelproduzenten auch weiterhin an Konzepten für den herkömmlichen Bürobetrieb. Designer von Herman Miller entwerfen zum Beispiel Lösungen für kleine Satellitenbüros, also Büroeinheiten eines Unternehmens außerhalb seiner offiziellen Geschäftsräume. Einige Firmen könnten das im „New Normal“ anstreben, um dadurch unter anderem die Auslastung ihres Frontoffice zu reduzieren. Da viele mit zunehmendem Impferfolg zumindest zeitweise in ihre angestammten Büros zurückkehren werden, dürfte auch die Nachfrage nach herkömmlichen Büromöbeln wieder steigen. Denn die Unternehmen müssen ihre Arbeitsplätze umgestalten, um Ansteckungsgefahren zu reduzieren.

Im Zuge der Pandemie hat es immer mehr Menschen aus den US-Ballungszentren in Vororte oder auf das Land gezogen. Niedrige Hypothekenzinsen beflügelten diesen Trend. Nischen-Start-ups haben die Abwanderungsmuster schnell erkannt: So haben der Onlinemarktplatz für gebrauchte Möbel AptDeco, der Möbelverleih Fernish und Guest House, das möblierte Wohnungen zum Verkauf anbietet, ihr Geschäft auf diese Kunden ausgedehnt und unterstützen sie bei der Einrichtung ihrer neuen Wohnungen.

Neue Technologien helfen dabei, den Umsatz zu steigern

Im Zuge des boomenden Internethandels haben die großen Produzenten ihr Onlineangebot erweitert und andere Wege gefunden, um an Privatpersonen zu verkaufen. So hat zum Beispiel der US-Möbelbauer Kimball im Dezember 2020 das E-Commerce-Unternehmen Poppin übernommen, das Möbel entwirft, die sich mit modernen Büro- und Arbeitsumgebungen kombinieren lassen.

Ikea hat seine Appstrategie überarbeitet und bietet nun Produktkonfiguratoren, 3D-Visualisierungen und neue AR-Tools (Artificial Intelligence) an. Außerdem verbinden immer mehr Anbieter ihre Onlineshops mit sozialen Netzwerken. Denn über die Hälfte der US-Nutzer ist nur per Mobilgerät auf Social Media unterwegs und möchte ihre Einkäufe am liebsten in einer einzigen App erledigen. Diesen Trend versucht die Branche einzufangen.

Einen starken Zuwachs beim Möbelabsatz verzeichnen auch die Onlineriesen Amazon und Wayfair: Wayfair konnte die Zahl seiner Kunden 2020 um über die Hälfte auf 31,2 Millionen ausbauen. Und Amazon hat beim Verkauf von Möbeln und Einrichtungsgegenständen seinen Vorsprung gegenüber Walmart um vier Prozentpunkte ausgebaut.

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Unterbrochene Lieferketten belasten die Branche

Ein großes Problem für die Möbelbranche bilden unterbrochene Lieferketten: Nicht nur die Versandzeiten haben sich deutlich erhöht, auch die Lieferkosten. Daher verwundert es kaum, dass die US-Einfuhr von Büromöbeln 2020 um fast 12 Prozent auf das Niveau von 2016 (knapp 1,7 Milliarden US$) eingebrochen ist. Das entspricht etwa 13 Prozent der US-Büromöbelnachfrage.

Zudem werden einige Materialien immer knapper, vor allem Holz und Schaumstoff. Mitunter waren es Lager- und Logistikprobleme, die dazu führten, dass Loves Furniture bereits nach weniger als einem Jahr Geschäftstätigkeit Insolvenz beantragen musste. Der US-Einzelhändler hatte seine meisten Geschäfte in Michigan, war aber auch in Illinois, Maryland, Ohio, Pennsylvania und Virginia präsent.

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