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Wirtschaftsumfeld | Belarus | Sanktionen

EU verhängt Wirtschaftssanktionen gegen Belarus

Die Europäische Union hat im Juni 2021 erstmals harte Wirtschaftssanktionen gegen Belarus verabschiedet. Damit werden wichtige Devisenbringer des Landes unter Druck gesetzt. 

Von Fabian Nemitz | Kiew

Die Europäische Union (EU) hat sich im Juni 2021 auf neue Sanktionen gegen Belarus geeinigt. Erstmals greift sie dabei auf harte Wirtschaftssanktionen zurück, deren Einführung die belarussische Opposition bereits seit längerem fordert.

Auslöser für das entschiedene Handeln der EU war die erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine in Minsk am 23. Mai 2021, bei der der oppositionelle Journalist Raman Pratassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega festgenommen wurden. In der Folge hat die EU am 4. Juni 2021 beschlossen, ihren Luftraum und ihre Flughäfen für belarussische Fluggesellschaften zu sperren. Eine Reihe weiterer Länder hat sich diesen Maßnahmen angeschlossen.

Hintergrund der Sanktionen, die die EU seit Oktober 2020 schrittweise einführt, sind die weithin als gefälscht geltenden Präsidentschaftswahlen von August 2020 und die danach einsetzende Welle an Gewalt und Repressionen gegen Protestierende, Oppositionsmitglieder und Journalisten.

Neue EU-Sanktionen zielen auf wichtige Devisenbringer des Landes

Kernpunkte des am 21. Juni 2021 verhängten vierten Sanktionspakets sind restriktive Maßnahmen gegen 78 Personen und acht Organisationen, darunter den Lkw-Bauer MAZ und den Hersteller von Großmuldenkippern BELAZ. Beide Unternehmen machen nur wenig Geschäfte in der EU, greifen aber auf Vorprodukte von dort zurück.

Das fünfte Sanktionspaket trat am 24. Juni 2021 in Kraft und umfasst folgende Maßnahmen:

  • Verbot der Lieferung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (dual use) und von Technologien für militärische Zwecke,
  • Verbot der Lieferung von Ausrüstungen, Technologie oder Software, die in erster Linie für die Nutzung zur Überwachung und Abhörung des Internets und von Telefongesprächen bestimmt sind,
  • Handelsbeschränkungen in Bezug auf Mineralölerzeugnisse, Kaliumchlorid und Güter, die zur Produktion oder Verarbeitung von Tabakerzeugnissen verwendet werden,
  • Einschränkung des Zugangs zum Kapitalmarkt der EU,
  • Einschränkungen in der Entwicklungszusammenarbeit (z.B. EBWE).

Die Maßnahmen der EU treffen wichtige Devisenbringer von Belarus. Die Petrochemie und Düngemittelindustrie sind Kernbranchen des Landes. In den Jahren 2018 und 2019 standen sie für rund 30 Prozent der Erlöse aus dem Warenexport. 

Übersicht über wichtige Ausfuhrgüter der Republik Belarus (Angaben in Milliarden US$)

Produkt (SITC-Warencode)

2018

2019

Hauptabnehmerländer 2019 (Anteile in %)

Gesamt, darunter

33,7

33,0

Russland (41,3), Ukraine (12,6), Vereinigtes Königreich (7,0)

  Erdöl, Erdölerzeugnisse (33)

8,0

6,3

Vereinigtes Königreich (35,0), Ukraine (34,3), Deutschland (11,6), Niederlande (8,4)

  Düngemittel (56)

3,2

3,3

Brasilien (17,7), China (10,8), Indien (10,6), Ukraine (8,4), Indonesien (5,3), Polen (4,9)

Quelle: UN Comtrade

Die EU ist ein wichtiger Handelspartner der Republik Belarus: In den vergangenen Jahren entfielen auf sie rund 20 bis 25 Prozent der belarussischen Exporte. Allerdings betreffen die Einschränkungen der EU nach Berechnungen der russischen Zeitung RBC nur rund 13 Prozent der belarussischen Exporte in die EU. Damit dürften die Effekte für Belarus verkraftbar bleiben. Hinzu kommt die Tatsache, dass einige Sanktionen nur schrittweise eingeführt werden und nicht für Verträge gelten, die bis 25. Juni 2021 abgeschlossen worden sind.

Wareneinfuhr der EU-28 aus Belarus (in Millionen Euro)

Produkt (SITC-Warencode)

2018

2019

Gesamt, darunter

4.433

4.257

  Erdöl, Erdölprodukte (33)

1.001

679

  Düngemittel (56)

408

459

Quelle: Eurostat

USA verkünden weitere Sanktionen

Auch die USA haben Sanktionen gegen Belarus verhängt. Am 19. April 2021 beschlossen sie, die Sanktionen gegen neun belarussische Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Petrochemie und Düngemittel wieder in Kraft zu setzen. Noch ist unklar, ob sich die Sanktionen auch gegen Geschäftspartner der sanktionierten Unternehmen richten. Dies könnte sich kritisch auf die Versorgung der belarussischen Raffinerien auswirken. Darüber hinaus verkündete das US-Finanzministerium am 21. Juni 2021 neue Sanktionen gegen 16 Personen und 5 Einrichtungen in Belarus.

Ukraine könnte die Lage noch verschlimmern

Noch größer wären die Schwierigkeiten für Belarus, wenn sich die Ukraine den Sanktionen anschlösse. Das Nachbarland ist der zweitwichtigste Absatzmarkt und ein bedeutender Abnehmer von Ölprodukten und Düngemittel. Andererseits ist aber auch die Ukraine stark auf Belarus als Lieferland angewiesen. Rund ein Drittel ihres Bedarfs an Kraftstoffen importiert das Land aus Belarus.

Petrochemie

Die Beschränkungen zur Ausfuhr von Mineralölerzeugnissen treffen die belarussische Wirtschaft am härtesten, da EU-Länder wie Polen und Ungarn wichtige Abnehmer sind. Das Portal Infobank beziffert die möglichen Einbußen auf 500 Millionen US-Dollar (US$). Sollte sich die Ukraine den Sanktionen anschließen, könnten die Ausfälle auf 1 Milliarde US$ steigen.

Kalidünger

Auch die Düngemittelindustrie wird unter den Sanktionen leiden, allerdings weniger als zunächst gedacht. Die Sanktionen gelten in der aktuellen Fassung nicht für das Hauptexportprodukt Kaliumchlorid mit einem Kaliumgehalt von 40 bis 62 Prozent.

Belarus steht für rund ein Fünftel der Weltproduktion von Kalidünger. Wichtigstes Branchenunternehmen ist der Staatskonzern Belaruskali. Allerdings exportiert Belarus nur einen kleinen Teil des Kalidüngers in die EU. Die Hauptabnehmerländer sind Brasilien, China und Indien. Selbst wenn sich die Ukraine den Sanktionen anschließt, würden sich die Ausfälle laut Infobank höchstens auf 100 Millionen US$ belaufen.

Tabakbranche

Die Sanktionen gegen die Tabakbranche richten sich gegen einen Wirtschaftszweig, in dem Unternehmer mit engen Verbindungen zu Lukaschenka involviert sind. Exportzahlen zu diesem Sektor werden seit einigen Jahren nicht mehr veröffentlicht. Laut Medienberichten ist Belarus in umfassenden Schmuggel von Tabakwaren in die EU, aber auch nach Russland verwickelt.

Belarus kündigt Gegenmaßnahmen an

Die belarussische Regierung hat Vergeltungsmaßnahmen gegen die Sanktionen der EU angekündigt. Am 28. Juni 2021 erklärte die Regierung den Austritt des Landes aus der "Östlichen Partnerschaft" der EU. Minsk wird bei den Bemühungen zur Verringerung der irregulären Migration nicht mehr mit der EU zusammenarbeiten. Außerdem rief Belarus seinen Gesandten aus Brüssel zurück und forderte den Leiter der EU-Delegation in Minsk auf, das Land zu verlassen.

Im Mai 2021 hatte Belarus bereits ein sechsmonatiges Einfuhrverbot gegen Waren der Unternehmen Beiersdorf, Liqui Moly und Skoda erlassen. Hintergrund der Maßnahme war der angekündigte Rücktritt der Firmen als Sponsoren bei der Eishockey-WM, sollte ein Teil der Veranstaltung wie ursprünglich geplant in Belarus stattfinden.

Vor dem Hintergrund der schlechten Beziehungen zwischen Belarus und dem Westen sollten sich Transportunternehmen vor möglichen Einschränkungen in Acht nehmen. Belarus ist eine wichtige Drehscheibe für den Verkehr zwischen Ost und West. Falls Landrouten geschlossen werden, würde dies Lieferketten und den Transitverkehr erheblich beeinträchtigen. 

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