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Wirtschaftsumfeld | Brasilien | Zahlungsverhalten und Kreditsicherung

Bonität

Bereits bei der Anbahnung von Geschäften sollte das Zahlungsverhalten in Brasilien berücksichtigt werden. Gut gestaltete Verträge und spezielle Instrumente helfen.

Von Johannes Dimas | Rio de Janeiro

Zahlungsmoral und Bonitätsprüfung

Im Zahlungsmoralbarometer 2019 des Kreditversicherers Atradius rechneten in Brasilien schon vor der Pandemie zwei von fünf befragten Unternehmen mit möglichen Liquiditätsengpässen. Rund 39 Prozent der Unternehmen sahen sich in Folge von Engpässen bei der Liquidität gezwungen, Zahlungen an eigene Lieferanten aufzuschieben.

Kleine und mittlere Unternehmen waren von Zahlungsverzug und Forderungsausfällen am stärksten betroffen. Die Totalausfälle beliefen sich hier gemessen am Gesamtwert der Forderungen auf 2,6 Prozent, bei großen Unternehmen auf 2 Prozent. Der Durchschnitt für das Jahr 2019 lag bei 2,5 Prozent. Der Agrar- und Lebensmittelsektor schrieb mit 2,8 Prozent den höchsten Wert an Forderungen ab. Der Metallsektor vermeldete hingegen die geringsten Verzüge und Ausfälle.

Die beantragten Insolvenzen zwischen Januar und September 2021 sind laut der Auskunftei Serasa Experian gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht rückläufig. Im August 2021 waren 5,8 Millionen Unternehmen (darunter auch Kleinst- und Einzelunternehmen) mit insgesamt über 16,1 Milliarden Euro im Rückstand (Umrechnung: 1 EUR = 6,1884 Real, Monatsdurchschnitt August 2021, Bundesbank). Im gleichen Monat lagen 62,25 Millionen Konsumenten mit knapp 40 Milliarden Euro im Rückstand (Umrechnungskurs wie oben). Davon entfielen laut Serasa Experian 29 Prozent auf Banken und Kreditkarten, rund 23 Prozent auf Versorgungsunternehmen und rund 13 Prozent auf den Handel.

Basisdaten der Unternehmen online abrufen

Der Internetauftritt eines Unternehmens verschafft in Brasilien oft keine Klarheit über dessen Basisdaten. Firmen treten regelmäßig unter einem eingängigen Namen („nome fantasia“) am Markt auf, der nicht der Firmenname im engeren Sinne ist („razão social“). Die öffentliche Registrierung eines Unternehmens einschließlich der zwei Firmennamen, des Geschäftszwecks und der Adresse kann unter Angabe der Steuernummer (CNPJ) bei der Bundessteuerbehörde online abgerufen werden.

Angaben zum Stammkapital und zu Gesellschaftern finden sich im Gesellschaftsvertrag. Dieser kann beim zuständigen Register des Bundesstaats eingesehen werden, wo das Unternehmen gegründet wurde. Alternativ bieten sich Auskunfteien an. Auch eine Anfrage bei den Auslandshandelskammern (AHK) kann hilfreich sein.

Das Portal für Transparenz des Bundes listet von den Verwaltungen bestrafte oder sanktionierte Unternehmen auf.

Die Echtheit vieler amtlicher Dokumente kann anhand einer digitalen Signatur online überprüft werden. Die Internetadresse zur Verifizierung findet sich in der Regel auf dem Dokument und muss ebenfalls geprüft werden.

Bonitätsprüfung ist unverzichtbar - aber nicht ausreichend

Laut Atradius wird eine Bonitätsprüfung in Brasilien häufiger durchgeführt als zum Beispiel in Mexiko oder den USA. Immerhin 33 Prozent der im Jahr 2019 befragten Unternehmen bildeten darüber hinaus Rückstellungen, um Unsicherheiten der Prüfungen abzufedern. Folglich sollten auch deutsche Unternehmen die Bonitätsprüfung nicht überbewerten und auf möglichst viele Quellen zurückgreifen. Im Falle von Unternehmen können zusätzlich direkte Auskünfte über die Geschäftsführung eingeholt werden. Viele Auskunfteien bieten Onlineabfragen.

Große lokale und internationale Auskunfteien

Absicherung von Zahlungsausfällen

Das Zahlungsverhalten in Brasilien weicht von deutschen Standards ab. Das Risiko von Verzögerungen oder Ausfällen ist allgemein höher. Euler Hermes, Marktführer bei Kreditversicherungen, stuft das Risiko eines Zahlungsausfalls für brasilianische Unternehmen im 2. Quartal 2021 mit B3 beziehungsweise „Sensitivem Risiko“ ein. Coface stuft Brasilien im gleichen Zeitraum mit C beziehungsweise hoch („High“) ein. Damit liegt Brasilien in beiden Bewertungen hinter Ländern wie Mexiko, Chile oder Uruguay, aber vor Argentinien. Zum Vergleich: Deutschland wird von Euler Hermes mit der Bestnote AA1 ein geringes Risiko bescheinigt.

Risiken frühzeitig begegnen

Dem Thema Zahlungsrisiko sollte schon bei der Anbahnung von Geschäften durch entsprechende Prüfungen, Sicherheiten und vertraglichen Regelungen begegnet werden. Verträge sollten bereits praxistaugliche Klauseln zur Zahlungsabwicklung sowie zu Mediations- und Schiedsverfahren beinhalten. In Brasilien gilt das UN-Kaufrecht, sofern es nicht explizit ausgeschlossen wurde. Da brasilianisches Recht zu beachten ist, kann eine Rechtsberatung notwendig sein. Eine vertragliche Festlegung auf deutsches Recht ist bei Zahlungsverzug in Brasilien wenig hilfreich.

Als vertragliche Sicherungsmittel kommen das Akkreditiv, der Eigentumsvorbehalt, das Sicherungseigentum, die Hypothek, die Bürgschaft oder das Pfandrecht in Betracht. Informationen zu Sicherungsmitteln finden Sie unter: Recht kompakt Brasilien. Für den Import nach Brasilien gibt Zoll und Einfuhr kompakt - Brasilien wichtige Hinweise.

Beim Umgang mit säumigen Schuldnern sind andere Strategien als in Deutschland gefragt. Erster Schritt bei Zahlungsverzug ist typischerweise die Suche nach einer gütlichen Lösung. Spätestens dann sollten die Verhandlungen unter Kenntnis der regionalen Geschäftskultur geführt werden. Das Eintreiben auf dem Rechtsweg wird allgemein als letzte Option gesehen. Grund sind die langen und komplizierten Gerichtsverfahren sowie der weniger ausgeprägte Gläubigerschutz. Es bietet sich an, das verwertbare Vermögen zu bestimmen, bevor Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden oder ein Inkassounternehmen beauftragt wird.

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