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Wirtschaftsumfeld
Asien | Konjunktur, Außenwirtschaft
Das neuartige Coronavirus beeinträchtigt das Geschäftsleben in China massiv. Asiatische Nachbarländer sind stark von der chinesischen Wirtschaft abhängig und spüren die Auswirkungen.
17.02.2020
Von Achim Haug | Bonn
Das neuartige Coronavirus (offizieller Name: COVID-19) versauert den asiatischen Volkswirtschaften den Start ins Jahr 2020. Zahlreiche Länder spüren die Auswirkungen, auch wenn die Epidemie noch weitestgehend auf China beschränkt bleibt. Eine weitere Ausbreitung ist aber nicht ausgeschlossen, daher ergreifen viele Länder Abwehrmaßnahmen, die zum Beispiel den Reiseverkehr treffen. Zugleich sind die asiatischen Volkswirtschaften stark integriert, für alle ist China einer der wichtigsten Handelspartner.
China hat zwar das Image der Werkbank der Welt abgelegt, ist aber als weltgrößter Exporteur wichtiger Lieferant nicht mehr nur von Konsumgütern, sondern auch von Vorprodukten und Maschinen. Davon sind vor allem Länder in Südostasien abhängig, die in die globalen Wertschöpfungsketten der Leichtindustrie integriert sind. Auf der anderen Seite liefern vor allem die ostasiatischen Nachbarn Japan, Südkorea und Taiwan Komponenten und Technologien sowie ihre hochwertigen Endprodukte nach China.
Doch die chinesische Exportmaschinerie ist derzeit in vielen Provinzen gestoppt oder läuft erst langsam wieder an. Die Regierung empfiehlt Heimarbeit, was in den Industriefabriken aber nicht praktikabel ist. Aus Heimatprovinzen heimgekehrte Wanderarbeiter müssen vielfach erst 14 Tage Selbst-Quarantäne hinter sich bringen, bevor sie wieder ins Werk dürfen. Die tatsächlichen Auswirkungen hängen also davon ab, wie schnell das Land die weitere Ausbreitung eindämmen und die Betriebe wieder in den Normalmodus umschalten können.
Am stärksten spüren die Auswirkungen Länder, die stark vom Handel mit China abhängig sind und viele Touristen empfangen. Japan ist Chinas zweitgrößter Handelspartner nach den USA und zieht die meisten Touristen aus der Volksrepublik an. Der Außenhandel mit dem Reich der Mitte spielt aber anteilsmäßig keine sehr große Rolle, die Abhängigkeitsgrade sind in anderen asiatischen Ländern deutlich höher. Zudem ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Asiens robust und diversifiziert und dürfte sich daher rasch erholen, wenn die Virusausbreitung eingedämmt ist. Für Lieferausfälle von Teilen rüstet sich vor allem die Kfz-Industrie.
Vietnam hat dagegen die höchste Außenhandelsabhängigkeit von China: 2018 kamen gut 27 Prozent der Importe vom nördlichen Nachbarn. Firmen aus China suchen zunehmend alternative Produktionsstätten in Südostasien, unter anderem aufgrund des Handelskonfliktes mit den USA. Vietnam gilt hier als einer der größten Gewinner. Diese Fabriken der Textil- und Elektronikindustrie sind aber stark abhängig von Zulieferungen aus China. Doch weder wird der Nachschub produziert, noch laufen Logistikketten wie üblich.
Südkorea liegt dazwischen - das Land ist der drittgrößte Handelspartner Chinas, und der Außenhandel hat eine höhere Bedeutung für das koreanische Bruttoinlandsprodukt als zum Beispiel für das japanische. Südkorea spürt bereits die Absage von Reisegruppen, auch geschäftliche Trips werden eingeschränkt und Messen abgesagt. Vor allem Kfz-Hersteller und die Elektronikindustrie spüren Lieferengpässe - zum Teil stehen die Bänder still.
Die Chinesen haben die Deutschen als reisefreudigstes Volk der Welt überrundet, 2019 sollen sie rund 170 Millionen Auslandstrips absolviert haben. Um die Gefahr der Virusausbreitung zu begrenzen, haben Anfang 2020 viele Länder in Asien die Schranken für Einreisen hochgefahren. Darüber hinaus sind organisierte Reisen abgesagt worden, und Fluggesellschaften haben ihre Flüge aus China eingeschränkt oder komplett eingestellt. Die Top-Reiseziele für Chinesen in Asien liegen in Japan, Thailand, Vietnam und Südkorea. Daneben sind Städtetrips nach Hongkong, Singapur oder Macau beliebt - und fallen jetzt zumeist aus.
Die Destinationen kämpfen mit ausgefallenen Hotelbuchungen, leeren Vergnügungsstätten und Restaurants. Auch der Einzelhandel ist betroffen: Sind chinesische Reisende bei der Hotelbuchung eher sparsam, rollt dafür in den Läden der Renminbi. Besonders Luxusgüter und Accessoires werden im Ausland geshoppt, dazu Kosmetik, Babyprodukte, Nahrungsmittel, gesundheitsfördernde Ergänzungsmittel und Arzneimittel. Auch Unterhaltungselektronik und kleine Haushaltsgeräte werden gerne in die Koffer gepackt. Viele Malls in Asien wirken wie ausgestorben - denn auch die lokale Bevölkerung meidet sie aus Sorge vor Ansteckung.
Die Auswirkungen dürften in den exportorientierten Volkswirtschaften wie Vietnam, Malaysia und Taiwan am stärksten zu spüren sein, daneben leiden die Handelsdrehscheiben Hongkong und Singapur. Schwieriger zu messen sind indirekte Effekte, die Einschränkungen der japanischen und südkoreanischen Produktionsstätten in Südostasien und China auf die wirtschaftliche Entwicklung im jeweiligen Heimatland haben. Besonders betroffen sind die Lieferketten der Elektronikfertigung und Bekleidungsindustrie, aber auch Zulieferer im Kfz-Sektor fehlen.
Generell ist die Erfahrung bei derartigen Krisen aber, dass die Auswirkungen vorübergehend sind und der Rebound schnell wieder das vorherige Niveau herstellt. Ein negativer Eindruck auf die Wachstumsraten im 1. Quartal 2020 wird sich in vielen Ländern der Region sicher niederschlagen, für das Gesamtjahr ist es aber noch zu früh, konkrete Prognosen abzugeben.
Zudem versuchen nicht wenige Länder auch einen Lichtstreif am Horizont zu sehen: Waren internationale Einkäufer und Markenhersteller schon zuvor auf der Suche nach alternativen Produktionsstätten außerhalb Chinas, dürften sie ihre Anstrengungen aktuell noch verstärken.
In einem Themenspecial untersucht Germany Trade & Invest die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft in Asien.