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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Dubai Coronavirus
Die Emirate haben mit umfassenden Maßnahmen auf die Pandemie reagiert. Luftfahrt- und Reisebranche sind stark betroffen. Ein finanzielles Hilfspaket soll Unternehmen schützen.
19.03.2020
Von Heena Nazir | Dubai
Mit weitreichenden Mitteln versucht der Golfstaat die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Alle Unterhaltungs-Einrichtungen bleiben vorerst bis Ende März 2020, Schulen bis Anfang April 2020 geschlossen. Im Emirat Abu Dhabi wurden alle Strände gesperrt. Im Emirat Dubai wurde der Betrieb in Fitnesszentren, Bars und Clubs eingestellt. Das Gesundheitsministerium gibt an, dass mit 13.000 pro 1 Million Einwohner getesteten Personen die Emirate weltweit der Spitzenreiter beim Screening sind. Weiter werden Patienten alle Kosten für die Behandlung einer Covid-19-Infektion erlassen. Gesundheitlich zeigen sich die Vereinigten Arabischen Emirate gewappnet.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben 98 offizielle Fälle zum Stand 17. März 2020. Für ein internationales Luftfahrtdrehkreuz, eine Tourismusdestination und einen regionalen Handelsplatz eine noch geringe Anzahl. 26 Patienten sind laut dem Gesundheitsministerium bereits genesen, und bis dato gibt es keine Todesfälle. Seuchenprävention liegt im Fokus. Flugverbindungen wurden eingeschränkt. Seit dem 17. März 2020 gilt eine verschärfte Visaregelung.
Wirtschaftlich sind die Auswirkungen unter anderem durch die weitreichenden Maßnahmen kurzfristig enorm und noch kaum abschätzbar. Aktuellen Prognosen zufolge könnte das Wirtschaftswachstum in einem Positivszenario der MUFG Bank (kurzer Verlauf der Pandemie) auf 1,4 Prozent für 2020 abflachen (zu Beginn des Jahres lag die Prognose bei 2,2 Prozent). In einem Negativszenario (längerer Verlauf der Pandemie) könnte es laut Capital Economics zu einer Stagnation kommen.
Nachdem die OPEC+, insbesondere Saudi-Arabien und Russland, am 06. März 2020 nicht zu einer Einigung kamen, könnte ein länger anhaltender Öl-Preis unter 50 US-Dollar eine Belastung für die VAE darstellen. Die Wirtschaft der Emirate ist zwar inzwischen diversifiziert - besonders in Dubai -, dennoch sind die VAE auch heute noch vom Öl abhängig. Es machte im Jahr 2018 einen Anteil von circa 35 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Laut Hochrechnungen der Abu Dhabi Commercial Bank resultiert ein Ölpreis von 35 US-Dollar pro Barrel in einem Haushaltsdefizit für die VAE von 10 Prozent. Bei einem Ölpreis von 45 US-Dollar pro Barrel wären es 6 Prozent.
Während der Ölsektor 2019 noch um 5 Prozent wuchs, verzeichnete der Nicht-Öl-Sektor lediglich ein Wachstum von 1,4 Prozent. Das schwache Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre hatte bereits vor der aktuellen Krise zu einem eintrübenden Bild geführt. Der IHS Markit PMI Index für Dubai fiel im Januar 2020 auf 50,6 von 52,3 im Dezember 2019 (ein Wert über 50 signalisiert Wachstum). Der niedrigste Wert seit fünf Jahren. Der Januar 2020 verzeichnete den höchsten Rückgang an Arbeitsplätzen seit der Finanzkrise 2009. Aus Gesprächen unter anderem mit deutschen Geschäftsführern vor Ort vernimmt man, dass bereits Ende 2019 westliche Expats so zahlreich abgewandert seien wie zuletzt vor zehn Jahren. Sehr wenige neue Leute ziehen her, und viele, die lange geblieben sind, seien gegangen.
Laut Moody’s Investor Services stellt der Coronavirus einen “weitreichenden Schock” für die emiratische Wirtschaft dar, insesondere aufgrund der Negativwirkungen für die Nicht-Öl Wirtschaft. Besonders betroffen sind Tourismus, Transport, Handel und Immobilienwirtschaft. Im Jahr 2018 trugen Tourismus und Transport zu mehr als 11 Prozent zum BIP der VAE bei. Knapp jeder zehnte Arbeitnehmer ist in diesen Branchen beschäftigt. Die Sektoren sind vor allem auf die internationalen Gäste angewiesen, die knapp 80 Prozent aller Reisenden im Land ausmachen.
Messen und Veranstaltungen werden auf den Sommer oder Herbst verschoben, so beispielsweise die Leitmesse Arabian Travel Market auf Ende Juni 2020. Hotels und Fluggesellschaften versuchen aufgrund des kurzfristigen Geschäftseinbruchs ihre Fixkosten so weit wie möglich zu reduzieren. Die regierungsnahe Emaar Hospitality beispielsweise legte vorübergehend vier Hotels in Dubai still und buchte Gäste auf andere Hotels um. Die Belegschaften von Fluglinien und Hotels sollen bezahlten Urlaub vorziehen oder unbezahlten Urlaub in Anspruch nehmen. Im Vergleich zu den Nachbarn Saudi-Arabien und Kuwait hält die emiratische Luftfahrtbehörde General Civil Aviation Authority an einem offenen Luftraum weiterhin fest, wenn der Flugplan auch weiter ausgedünnt wird.
Im Jahr 2019 verzeichnete das Statistikamt für das Emirat Dubai mit 16,7 Millionen Touristen einen Besucherrekord. Bisher bleiben die hohen Erwartungen für den Tourismussektor in der Zeit der EXPO 2020 positiv. Während der siebenmonatigen Weltausstellung vom 20. Oktober 2020 bis 10. April 2021 werden 25 Millionen Besucher erwartet, mehr als zwei Drittel sollen aus dem Ausland kommen. Da es noch gut ein halbes Jahr bis zur Eröffnung ist, bleibt es offen, inwieweit die Covid-19-Epidemie die EXPO 2020 beinträchtigen könnte.
Mit einem Hilfspaket in Höhe von 27,2 Milliarden US-Dollar stellt sich die emiratische Zentralbank regional am aggressivsten gegen die stark fallende Wirtschaftsaktivität. Die Hälfte der Finanzmittel stellt die Zentralbank den lokalen Banken als zinsfreie Kreditlinie zur Verfügung, die andere Hälfte sollen die Banken aus ihren Eigenkapitalreserven beziehen. Das Paket zielt besonders darauf ab, Unternehmen, aber auch Privatpersonen über einen Zeitraum von sechs Monaten vor Liquiditätsengpässen zu schützen. Dies umfasst unter anderem kostengünstige Umschuldungen und Zahlungsaufschübe für betroffene Firmen und Privatpersonen. Um mittelständischen Unternehmen (SME) besser zu helfen, wurde die Eigenkapitalquote für Kredite an SME zwischen 15 bis 25 Prozent gesenkt. Insgesamt können die lokalen Banken bis zu 60 Prozent Ihrer Eigenkapitalreserven nutzbar machen.