Indonesiens seit mehr als 20 Jahren anhaltender Wachstumskurs ist durch die Folgen der weltweiten Corona-Pandemie gefährdet. Vor allem die verarbeitende Industrie des Archipels leidet. Sie ist auf Vorprodukte insbesondere aus China angewiesen, das durch eigene Produktionsstopps vielfach nicht mehr liefern kann. Nach Angaben des Finanzministeriums kommen in der Textil-, Plastik- und Stahlproduktion 20 bis 30 Prozent aller Vorprodukte aus China. In anderen Branchen seien es sogar bis zu 50 Prozent.
Um die dringend benötigten Einfuhren zu gewährleisten und neue Bezugsquellen zu erschließen, hat die indonesische Regierung nun die Lockerung der Einfuhrbeschränkungen (die sogenannten „Lartas“) angekündigt. Beschränkungen gibt es in zahlreicher Form, wie etwa festgelegte Einfuhrkontingente. Sie werden vielfach über die Vergabe von Importlizenzen gesteuert.
Lockerungen gibt es zunächst für Erzeugnisse aus Eisen und Stahl. Für sie war der Import erschwert worden, mit der Folge, dass Lieferanten keine Maschinen oder Ersatzteile mehr ins Land bekamen und mancherorts die Produktion zum Erliegen kam. Begründung für diesen Schritt war die vermeintliche Substituierbarkeit entsprechender Produkte durch heimische Herstellung.
Stahl und Eisen wird in Indonesien in großem Maße im- und exportiert. Beides wird dringend für den Ausbau der heimischen Infrastruktur benötigt. Die Regierung ist bemüht, heimische Hersteller wie das hochverschuldete staatliche Unternehmen Krakatau Steel vor ausländischen, insbesondere chinesischen Einfuhren zu schützen.
Leichtere Einfuhr von Nahrungsmitteln
Weitere Lockerungen der „Lartas“ sind für die Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten, etwa Gemüse, wie Zwiebeln und Knoblauch (komplette Liste der entsprechenden HS-Zolltarifpositionen: Permendag 44/2019) angekündigt. Auch der Import lebender Tiere und Fleisch (Permendag 72/2019) sowie von Medikamenten, deren Inhaltsstoffe und verarbeiteter Nahrungsmittel (Perka BPOM 29/2017 und 30/2017) wird erleichtert.
Bei dieser Maßnahme dürfte es auch um die Stabilisierung der Nahrungsmittelpreise gehen. Denn am 23./24. April 2020 beginnt der muslimische Fastenmonat Ramadan, an dem nach Sonnenuntergang üppig in Gemeinschaft gegessen wird. Zu dessen Ende am 23./24. Mai werden dann Festmahle aufgetischt. Hohe Preise für Grundnahrungsmittel würden zu Unmut in der Bevölkerung führen.
Indonesien ist bei praktisch allen Grundnahrungsmitteln auf Importe angewiesen, seien es Reis, Weizen, Soja, Mais, Milch, Fleisch oder Salz. So ist der Archipel angesichts seines rückständigen Zuckerrohranbaus etwa der weltgrößte Importeur von Zucker. Zudem müssen mehr als 90 Prozent des benötigten Knoblauchs eingeführt werden – nahezu ausschließlich aus China.
Verringerte Importabgaben für Vorprodukte
Über die „Lartas“-Lockerungen hinaus hat das indonesische Finanzministerium die Aufhebung oder Verringerung von Zollsätzen für den Import von Vorprodukten beschlossen. Das soll es der Industrie erleichtern, neue Bezugsquellen jenseits von China zu finden. Von insgesamt 1.022 HS-Zolltarifpositionen für Industrierohstoffe sollen zunächst 313 priorisiert werden (komplette Liste: PMK 34/ 2017: PPh Pasal 22). Dieser Schritt soll die Einfuhr für 19 definierte Sektoren erleichtern:
1. Chemische Industrie und chemische Produkte
2. Elektroindustrie
3. Herstellung von Kraftfahrzeugen, Anhängern und Sattelaufliegern
4. Pharmazeutische Industrie, chemische Arzneimittel und traditionelle Arzneimittel
5. Metallindustrie
6. Transportmittel
7. Papier- und Papierwarenindustrie
8. Lebensmittelindustrie
9. Industriecomputer, elektronische und optische Güter
10. Maschinen- und Ausrüstungsindustrie
11. Textilindustrie
12. Gummiindustrie, Gummi- und Kunststoffwaren
13. Möbelindustrie
14. Druck, Reproduktion und Aufzeichnungsmedien
15. Nichtmetallischer Bergbau
16. Metallindustrie und Ausrüstung
17. Fertigerzeugnisse
18. Getränkeindustrie
19. Lederindustrie, Lederwaren und Schuhe
Von Importen abhängig
Zwar ist Indonesiens Industrie kaum in globale Lieferketten eingebunden. Dennoch benötigt sie Vorprodukte in großem Maße, mangels eigener Herstellung. Nach der Systematik des Handelsministeriums entfallen fast drei Viertel aller indonesischen Importe auf Rohstoffe und Vorprodukte.
Die indonesische Presse berichtet im Vorgriff auf noch nicht offiziell vom Handelsministerium veröffentlichte Zahlen, dass die Importe im Februar 2020 um 5,1 Prozent gesunken sind (im Vorjahresvergleich). Die Einfuhren aus China brachen sogar um 35,3 Prozent ein. Das Reich der Mitte ist mit Abstand größter Handelspartner Indonesiens. Im Jahr 2019 entfielen – jenseits des Öl- und Gassektors – 30 Prozent aller Importe und 17 Prozent aller Exporte auf China.
So fehlen etwa der Elektronikindustrie der indonesischen Freihandelszone Batam die Vorprodukte aus China. Bereits seit Januar 2020 gibt es dort Einschränkungen. Laut Management des Batamindo Industrial Park sind die Hälfte der dort ansässigen 68 Unternehmen (zu denen auch der deutsche Halbleiterhersteller Infineon gehört) auf Zulieferungen aus der Volksrepublik angewiesen, 70 Prozent aller Vorprodukte kommen von dort. Auf der Insel Batam wird fast ausschließlich für den Export produziert.
Schnellere Im- und Exportabwicklung
Nicht nur die Einfuhren, auch die Ausfuhren aus Indonesien sollen erleichtert werden. Lockerungen soll es bei insgesamt 749 HS-Zolltarifpositionen geben. Schwerpunkte sind Fischereiprodukte (komplette Liste: Permen 18/2018) und Produkte der Holzwirtschaft (Permendag 38/2017).
Außerdem sollen die oftmals langwierigen Ein- und Ausfuhrverfahren zum 1. April 2020 gestrafft werden. Laut Wirtschaftsministerium sollen 735 Händler mit einer „guten Reputation“ größere Autonomie beim Warenim- und -export erhalten. Dabei soll die technische Abwicklung der Ein- und Ausfuhrprozesse vereinfacht werden.