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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Irland Brexit
Der deutsch-irische Handel kann vom Brexit profitieren. Viele Firmen in Irland suchen nach neuen Partnern auf dem europäischen Festland.
01.02.2020
Von Torsten Pauly | Berlin
Irland ist wegen seiner Lage und der engen Wirtschaftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich das am stärksten vom Brexit betroffene Land der Europäischen Union (EU). Das Vereinigte Königreich war traditionell sogar Irlands wichtigster Handelspartner. Diese Stellung hat das Land aber seit dem Brexit-Referendum 2016 an die USA verloren. Wickelte Irland 2015 noch 20,6 Prozent seines Außenhandels mit dem Vereinigten Königreich ab, so lag dieser Anteil in den ersten elf Monaten 2019 nur noch bei 17 Prozent.
Mit einem Plus von 4,6 Prozentpunkten besonders stark gestiegen ist dagegen im selben Zeitraum die Außenhandelsquote mit den USA. Viele US-Investoren fertigen in Irland auch für ihren Heimatmarkt. Handelsanteile gewonnen haben zudem die Volksrepublik China (+2,3 Prozent), Deutschland (+1,5 Prozent) und die Niederlande (+1 Prozent).
Die Niederlande fungieren dabei als logistische Drehscheibe für das ganze nordwestliche Kontinentaleuropa. Dies deutet darauf hin, dass die Umorientierung vieler irischer Unternehmen von britischen hin zu Handelspartnern auf dem europäischen Festland bereits vor dem eigentlichen EU-Austritt des Vereinigten Königreichs in vollem Gange ist. Dieser Trend sollte sich nach dem Brexit noch deutlich verstärken.
In den letzten Jahrzehnten ist Irland dank ausländischer Investoren zu einem der exportstärksten EU-Staaten avanciert. Im Jahr 2018 entsprach das Plus im irischen Außenhandel 9.917 Euro je Einwohner. Dies war mehr als dreieinhalbmal so viel wie in Deutschland (2.814 Euro).
Diese multinationalen Konzerne sind vor allem in der Pharma-, Chemie- und Medizintechnikindustrie zu finden. Sie stammen oft aus den USA und beliefern aus IrIand heraus den Weltmarkt. Der britische Markt und somit der Brexit spielt für diese Exporteure nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist eine Schere zwischen den Zentren mit vielen internationalen Firmen und den strukturschwachen ländlichen Räumen entstanden. Diese droht der Brexit noch zu vergrößern.
Denn für irische Agrarerzeugnisse und verarbeitete Lebensmittel ist das Vereinigte Königreich traditionell der wichtigste ausländische Absatzmarkt. Dies liegt an der geographischen Nähe, den seit langem eingespielten Handelsbeziehungen und ähnlichen kulinarischen Vorlieben.
Damit stellt der Brexit für die Wirtschaft im ländlichem Raum eine weitaus größere Herausforderung dar als für die Zentren. Insgesamt sind durch den britischen EU-Austritt 73.000 Arbeitsplätze gefährdet, schätzte die irische Nationalbank Ende 2019.
Doch die Erschließung neuer Exportmärkte schreitet schnell voran. Dies sollte sich nach dem Brexit noch verstärken. Auch der Staat unterstützt irische Anbieter von Nahrungsmitteln und Getränken mit Hilfe der öffentlichen Agentur Bord Bia intensiv bei der Erschließung neuer Märkte.
In den ersten elf Monaten 2019 war die irische Ausfuhr von Nahrungsmitteln ins Vereinigte Königreich zwar um 1,1 Prozent geringer als im selben Zeitraum 2018. Dennoch stiegen die weltweiten Branchenexporte um 5,5 Prozent. Ins Vereinigte Königreich gingen 2019 zwar 39,6 Prozent aller im Ausland abgesetzten irischen Nahrungsmittel, doch dieser Anteil war um 6 Prozent geringer als noch 2015. Dagegen haben die Niederlande als Zielland seit 2015 besonders an Bedeutung gewonnen. Auf Deutschland entfallen seit 2017 leicht höhere Handelsanteile.
Der Brexit stellt aber auch für die Umorientierung vom britischen auf kontinentaleuropäische Märkte eine Herausforderung dar. Ein Lkw aus Irland ist mit einer Fähre über die irische See, einer Fahrt durch England und einer erneuten Verschiffung über die Nordsee doppelt so schnell und in der Regel deutlich günstiger unterwegs als auf einem Direktfrachter durch den Ärmelkanal.
Daher nahm 2016 etwa 31 Prozent aller Fracht zwischen Irland und Kontinentaleuropa den Weg durch Großbritannien, so eine Studie des irischen Amtes für maritime Entwicklung. Mit dem EU-Austritt drohen jedoch nach dem Ende der Übergangsphase Zollformalitäten und gegebenenfalls Grenzkontrollen diese Route zu verkomplizieren, zu verlängern und zu verteuern.
Können sich die EU und das Vereinigte Königreich nicht auf ein Freihandelsabkommen einigen, schmälern Handelshemmnisse und Zölle die Attraktivität britischer Produkte in der EU gegenüber Wettbewerbern aus anderen Mitgliedsstaaten. Waren aus Deutschland können so viele Erzeugnisse aus dem Vereinigen Königreich auf dem irischen Markt verdrängen. Voraussetzung ist, dass sich britische Waren brexitbedingt so stark verteuern, dass Lieferungen aus Deutschland trotz längerer und kostspieligerer Transportwege für irische Besteller günstiger sind.
Eine von der Deutsch-Irischen Industrie- und Handelskammer (AHK) beauftragte Studie kommt zu dem Schluss, dass dies sogar bei 61 Prozent aller britischen Exportwaren der Fall ist. Ohne Freihandelsabkommen werden für britische Waren Zölle gemäß EU-Zolltarif erhoben, die auch für Waren aus allen anderen Drittländern gelten. Auch irische Produkte stellen bei 55 Prozent aller nach Deutschland gelieferten britischen Erzeugnisse in diesem Fall eine günstigere Alternative dar. Die Studie stammt von Edgar Morgenroth, der Ökonomieprofessor in Dublin ist.
Nicht nur britische Ursprungswaren drohen durch den Brexit in Irland Marktanteile zu verlieren. Auch britische Einzel- und Zwischenhändler haben dort dank der geografischen Nähe und der langjährigen Wirtschaftsbeziehungen eine starke Position. Dies gilt für große Ladenketten wie Tesco, aber auch für Nischenmärkte, etwa von Ausrüstungen.
Obwohl das Vereinigte Königreich seit Jahrzehnten kaum noch Maschinen fertigt, kommen mit Abstand die meisten irischen Maschinenimporte von dort. So war der britische Lieferanteil 2018 mit 29,5 Prozent sehr viel höher als der deutsche (11,3 Prozent). Zölle und mögliche andere Handelsrestriktionen stellen jedoch gerade für Zwischenhändler einen bedeutenden Wettbewerbsnachteil dar. Der Brexit sollte daher zu deutlich höheren Direktlieferungen aus Deutschland und anderen Herkunftsländern führen.
Lieferland | 2018 |
---|---|
Vereinigtes Königreich | 29,5 |
USA | 17,1 |
Deutschland | 11,3 |
Niederlande | 4,6 |
Sonstige | 37,5 |
Hilfe beim Markteintritt, bei Handelsfragen und der Geschäftspartnersuche offeriert die Deutsch-Irische Industrie- und Handelskammer.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Länderseite Irland.
Über den geplanten Brexit informiert Germany Trade & Invest regelmäßig auf der Sonderseite Brexit.