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Wirtschaftsumfeld | Italien | Investitionsklima

Praxischeck

Firmen beklagen hohe Produktionskosten und Bürokratie, schätzen aber den bewährten Industriestandort.

Von Oliver Döhne | Mailand

Die chronische politische Instabilität Italiens scheint unter Ministerpräsident Mario Draghis großer Koalition zurzeit vorübergehend außer Kraft gesetzt. Ende Juni 2022 aber kam es zu Unstimmigkeiten. Die anstehenden Wahlen im Mai 2023 (oder früher, falls die Regierung zerfällt) könnten diese Instabilität jedoch bald zurückbringen.

Dennoch berichten Unternehmen davon, dass die Wirtschaft auch in politisch turbulenten Zeiten meist souverän ihr Tagesgeschäft weiterverfolgt und die Rahmenbedingungen sich nicht grundsätzlich ändern. Zurzeit ist Italien klar auf europäischem Kurs und sowohl den Zielen des Klimaschutzes wie auch des Zusammenhalts Europas verpflichtet. 

Genehmigungen vereinfacht

An zentralen Stellen der Regierung sitzen Fachleute und Unternehmen, die sich nach Kräften darum bemühen, Italiens größte Bremsklötze auf dem Weg in eine moderne, grüne und digitale Zukunft wegzurollen. Dazu zählen die uneinheitlichen und oft unüberschaubaren Vorschriften und Normen im Wirtschaftsleben, unabsehbare lange Zeiträume bei Genehmigungen und in der Rechtsprechung, intransparente Auftragsvergaben sowie fehlende Planungsfähigkeit in der öffentlichen Verwaltung. Besonders, wenn es um Genehmigungen geht, ist viel Geduld gefragt.

Im Rahmen des Programms zum Abbau von Bürokratie Decreto Semplificazioni werden seit kurzem Genehmigungsprozesse verschlankt und zusammengefasst. Allerdings wird es laut Fachleuten einige Zeit dauern, bis eine spürbare Effizienzsteigerung eintreten wird. Dies auch, weil es wichtig ist, dass diese Vereinfachungen nicht auf Kosten der Umwelt oder der Transparenz gehen. Einen One-Stop-Shop, einen einzigen Ansprechpartner, (sportello unico) soll es für strategisch wichtige Investitionen ausländischer Unternehmen auch weiter in den Sonderwirtschaftszonen (ZES) geben.

Überraschend schnell und modern laufen bereits viele Interaktionen mit der öffentlichen Verwaltung ab, zum Beispiel was digitale Unterschriften, Steuerunterlagen und auch Gründungsdokumente betrifft. Besonders der Norden ist hier zum Teil sehr fortgeschritten.

Firmen besorgt um steigende Kosten

In einer im Mai 2022 veröffentlichten Umfrage der AHK Italien gaben 61,5 Prozent der Mitgliedsunternehmen als Hauptrisiko Italiens - Mehrfachnennungen waren möglich - die hohen Energiepreise an, und 59 Prozent die hohen Preise und Engpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen. Etwa 42 Prozent sorgten sich vor wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Weitere Risiken waren laut Umfrage ein möglicher Nachfragerückgang (40 Prozent), der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften (36), die Höhe der Arbeitskosten (21 Prozent), die Infrastruktur (10) und Handelshemmnisse (13 Prozent). Hierbei fällt im Vergleich zu der Vorjahresumfrage auf, dass besonders die Preise kritischer bewertet werden, während die Infrastruktur, die Qualifizierung von Arbeitskräften und Nachfragerückgänge etwas seltener genannt wurden. 

Der aktuelle Global Competitiveness Report 2021 bestätigt die weiter bestehenden Herausforderungen für den Investitionsstandort Italien, insbesondere die institutionellen Probleme und Ineffizienzen im Verwaltungsapparat. 

Länderrating des World Economic Forums 2020 - Italien und Deutschland im Vergleich

Kriterien

Italien

Deutschland

1 Qualität öffentlicher Institutionen

28

11

2 Modernisierung der Infrastruktur in Bezug auf die Energiewende und den Zugang zu Strom sowie Kommunikations- und Informationstechnologien

27

19

3 Fortschrittliches Besteuerungssystem

35

10

4 Fokus des Bildungssystems auf Wissen und Fähigkeiten, die zukünftig benötigt werden

34

13

5 Arbeitsgesetzgebung und soziale Sicherungssysteme 

28

4

6 Altersvorsorge, Kinderbetreuung und Gesundheitsinfrastruktur

23

11

7 Anreize für langfristige Investitionen, verbesserte Stabilität und mehr Inklusion

14

15

8 Wettbewerbs- und Kartellrecht in Bezug auf Industrie 4.0; gewährleisteter Marktzugang national und international

8

11

9 Schaffung moderner Märkte insbesondere in Bereichen, die eine Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Hand benötigen

24

12

10 Anreize für und Ausweitung von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovationen zur Schaffung neuer "Märkte der Zukunft"

24

10

11 Anreize für Firmen, Themen wie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion anzugehen

35

17

Quelle: World Economic Forum (Global Competitiveness Report) 2021

Fachkräftemangel bleibt ein Problem 

Trotz leichter Verbesserungen ist die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitnehmer laut vieler Unternehmen weiterhin ein Problem. Obwohl der allgemeine und auch universitäre Bildungsstand in Italien überdurchschnittlich hoch ist, offenbaren Untersuchungen weiterhin beträchtliche Defizite bei technischen und digitalen Kenntnissen. Besonders der steigende Bedarf an grünen Arbeitskräften könnte in den kommenden Jahren für weitere Engpässe sorgen. Laut der Studie Green Italy werden bis 2025 etwa 741.000 Stellen mit Nachhaltigkeitsprofil unbesetzt bleiben. Bei rund 38 Prozent der grünen Stellen fehlen passende Bewerber, während es auf dem Arbeitsmarkt insgesamt rund 25 Prozent sind. 

Gute Noten für Anreize und Infrastrukturausbau

Dem World Economic Forum zufolge gelingt es den schwachen staatlichen Institutionen in Italien noch nicht ausreichend, langfristige Entwicklungspläne aufzustellen und Vertrauen in der Bevölkerung zu erwecken. Auch hapert es noch an einem fortschrittlichen Steuersystem und an digitaler Innovation zugunsten der Bevölkerung. Positiv bewertete das Forum hingegen den Marktzugang, die Wettbewerbspolitik, öffentlich-private Entwicklungspartnerschaften, den Infrastrukturausbau für Energie und Kommunikation sowie Anreize für langfristige Investitionen.  

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