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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Serbien Konjunktur
Serbiens Konjunktur muss 2020 in Europa den geringsten Rückgang verkraften. Mehrere Faktoren sorgen bisher für ein relativ gutes Abschneiden in der Coronakrise.
18.11.2020
Von Martin Gaber | Belgrad
Das Jahr 2020 hatte mit einem Plus von 5,1 Prozent im ersten Quartal gut begonnen. Dann traf die Coronapandemie auch Serbien. Der Lockdown legte nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch die Wirtschaft lahm. Diese Maßnahmen äußerten sich in einem Minus von 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal.
Dennoch ist der Ausblick in der Coronakrise für das Gesamtjahr vergleichsweise gut. Im Herbstausblick der Europäischen Kommission belegt Serbien europaweit den ersten Platz. Mit einer leichten Abweichung bestätigt auch das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) den Ausblick der EU. Auch wenn die Wirtschaft mit einem prognostizierten Minus von 1,8 Prozent den Aufwärtstrend der letzten Jahre nicht fortsetzen kann.
Es ist keine Einzelmaßnahme, die Serbiens Wirtschaft solide durch die Krise bringt, sondern ein Paket von Faktoren. So hielt die Regierung große Infrastrukturprojekte nicht nur aufrecht, sondern kündigte weitere Investitionen an. Das Ende 2019 vorgestellte Infrastrukturprogramm Srbija 2025 (Serbien 2025) wurde fortgesetzt. Insgesamt sieht das Projekt bis 2025 Investitionen von bis zu 14 Milliarden Euro vor. Alleine 8 Milliarden davon in Straße und Schiene. Das hat zur Folge, dass die Bauwirtschaft zum Halbjahr 2020 ein Plus von knapp 10 Prozent verzeichnet.
Auch Serbiens Landwirtschaft verzeichnet ein sehr gutes Jahr. Nach einem Plus von 1,7 Prozent im ersten Quartal 2020, legte die Landwirtschaft im zweiten weiter zu und landete bei einem Wachstum von 2,2 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal. Dies spiegelt sich auch im Außenhandel wider. So verzeichneten serbische Exporte aus der Landwirtschaft bis September 2020 ein Plus von über 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Serbiens Digitalwirtschaft zeigt sich ebenfalls unbeeindruckt von der Coronapandemie. Die Informations- und Kommunikationsbranche hat nach einem bereits stabilen Wachstum im vergangenen Jahr in den ersten beiden Quartalen 2020 nochmals um 11,4 und dann 5,4 Prozent zugelegt.
Bei der Digitalisierung ist vor allem China ein wichtiger Partner. Huawei soll Serbiens 5G-Netz gestalten, das 2021 ausgeschrieben wird. Doch schon heute arbeitet der chinesische Konzern an wichtigen Digitalprojekten mit, beispielsweise im Bereich Smart und Safe City. Auch bei Bildungsplattformen setzt Serbien verstärkt auf chinesisches Know-How.
Gerade die Adriastaaten auf dem Balkan werden von der Coronapandemie hart getroffen. In Montenegro beispielsweise arbeitet jeder vierte Beschäftigte im Tourismus. In Serbien hingegen macht der Tourismus nach Angaben der Welttourismusrats WTTC (World Travel and Tourism Council) nur knapp 6 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Rund 135.000 Personen arbeiten in dem Sektor. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 10 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Dennoch leidet die Branche auch in Serbien unter den Beschränkungen. Die Touristenzahlen sind zwischen Januar und September 2020 um rund 50 Prozent eingebrochen, bei ausländischen Touristen sogar um 75 Prozent, so das serbische Statistikbüro.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Serbien waren zwar streng, aber verhältnismäßig kurz. Am 6. März 2020 gab Gesundheitsminister Zlatibor Lončar bekannt, dass es einen ersten Coronafall in Serbien gebe. Kurz darauf gab es erste Beschränkungen für die Einreise nach Serbien. Mitte März wurde der Notstand ausgerufen, gefolgt von Ausgangssperren. Damit gelang es der Regierung in den kritischen Monaten die Zahl der täglichen Neuinfektionen nicht über 500 steigen zu lassen. Bereits in der zweiten Aprilhälfte schien die Spitze überwunden. Die Maßnahmen wurden daraufhin bis Anfang Mai so umfassend gelockert, dass sogar Fußballspiele wieder mit Zuschauern ausgetragen wurden und die Parlamentswahlen stattfinden konnten. Die meisten Branchen konnten ihren Betrieb wieder aufnehmen.
Die Regierung hat die Wirtschaft in dieser Zeit mit zwei Hilfspaketen unterstützt. Zunächst gab es im Frühjahr ein Maßnahmenpaket über rund 5 Milliarden Euro. Ende Juli 2020 verkündete Finanzminister Siniša Mali ein neues Hilfspaket mit umgerechnet weiteren rund 560 Millionen Euro.
Die Europäische Kommission und das wiiw prognostizieren, dass Serbien bereits 2021 das Vorkrisenniveau erreichen könnte. Dafür seien vor allem Investitionen und der private Verbrauch verantwortlich. Entscheidend wird aber auch sein, wie sich das Infektionsgeschehen und die damit verbundenen Rahmenbedingungen in Serbien darstellen. Das Land befindet sich mittlerweile in einer dritten Welle, die deutlich ausgeprägter verläuft als die ersten beiden. Sind die täglichen Infektionszahlen in der ersten und zweiten Welle unter der 500er-Marke geblieben, so verzeichnet der Balkanstaat derzeit über 3.000 Neuinfektionen am Tag. Auf Deutschland hochgerechnet wären das rund 40.000 tägliche Neuinfektionen.
Die Europäische Kommission geht dennoch davon aus, dass Serbiens Wirtschaft 2021 mit über 4 Prozent wachsen wird und zum Vorkrisenniveau zurückkehrt.