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Wirtschaftsumfeld
Bericht Wirtschaftsumfeld Tschechische Republik Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland
Prag (GTAI) - Mit der aktuellen Wirtschaftslage waren die Niederlassungen deutscher Unternehmen im Frühjahr 2019 noch sehr zufrieden. Doch beim Ausblick wächst die Skepsis.
09.05.2019
In der sehr positiven Bewertung der aktuellen Lage ließ die Konjunkturumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (AHK Tschechien) im Frühjahr noch das Spitzenjahr 2018 nachklingen. Sieben von zehn deutschen Niederlassungen in Tschechien schätzten die Wirtschaftslage als gut ein. Die Geschäftslage des eigenen Unternehmens bezeichneten 63 Prozent als gut. Schlecht ging es nur 2 Prozent.
Mit Blick auf das Gesamtjahr 2019 aber ziehen erste Wolken auf. Nur gut jedes zehnte der befragten 150 Unternehmen mit deutschem Hintergrund geht davon aus, dass sich der Ausblick für die tschechische Wirtschaft verbessern wird. Jedes dritte Unternehmen hingegen denkt an eine Verschlechterung, bei den Industrieunternehmen sogar 42 Prozent. Derart pessimistisch antworteten die Umfrageteilnehmer zuletzt 2013. Vor einem Jahr gingen nicht einmal 10 Prozent von einer Verschlechterung aus.
Diese Eintrübung greift die konjunkturellen Abkühlungstendenzen auf. Tschechiens Volkswirtschaft ist grundsätzlich weiter auf Wachstumskurs. Doch wurden - wie in vielen anderen Staaten der Europäischen Union (EU) - die Erwartungen an die Dynamik zurückgenommen. Nach einem Zuwachs des Bruttoinandsprodukts von im Vergleich zum Vorjahr real 4,5 Prozent 2017 und 2,9 Prozent 2018, rechnet das Finanzministerium 2019 mit 2,4 Prozent.
Zurückhaltender als 2018 sind die Geschäftsleute daher auch bei den Erwartungen für die eigene Firma. Nurmehr 36 Prozent rechnen mit einer besseren Geschäftslage als im Vorjahr (2018: 57 Prozent). Zwar geht etwas mehr als die Hälfte von einem höheren Umsatzniveau aus. Doch waren es 2018 noch zwei Drittel. Die größere Vorsicht hat auch mit der Entwicklung der Exportabsätze zu tun: 2019 glauben nur 29 Prozent der Umfrageteilnehmer, diese steigern zu können (2018: 55 Prozent).
"Internationale wirtschaftspolitische Entwicklungen, seien es der Brexit oder Handelskonflikte, sowie teilweise hausgemachte Barrieren in Gestalt des akuten Fachkräftemangels und der rasant gestiegenen Löhne sorgen für Verunsicherung", erklärt Bernard Bauer, Geschäftsführer der AHK Tschechien. Dies zeichne sich auch bei den Erwartungen der Unternehmen ab. Insbesondere beim tschechischen Exportmotor, der Automobilbranche, bereite der Rückgang der Auslandsnachfrage Sorgen. Fast jede dritte befragte Firma rechnet für die Zeit nach dem Brexit mit einem Rückgang der Exporte auf die Insel.
Diese Stimmung färbt auf die Investitionsbereitschaft ab. Nur noch ein Drittel der Firmen wollen die Investitionsausgaben steigern. Mehr als die Hälfte aber wird sie stabil halten. Für 2019 planen die Unternehmen, durchschnittlich ein Fünftel ihrer Investitionen für die Automatisierung von Prozessen aufzuwenden. Einzelne geben sogar bis zu 90 Prozent dafür aus. Auf die Frage, wann in den Unternehmen künstliche Intelligenz (KI) eingeplant sei, gab jedes sechste an, sie bereits einzusetzen. Rund 12 Prozent wollen in ein bis zwei Jahren so weit sein, weitere 28 Prozent in drei bis fünf Jahren.
Milan Slachta, General Manager der Bosch Group in Tschechien, sieht die Chance, dass Tschechien den Trend der Digitalisierung mitgestalten kann, sofern gute Bedingungen dafür geschaffen werden. "Dabei ist es erforderlich, sich nicht nur auf die techologischen Voraussetzungen, wie zum Beispiel ein 5G-Netz, zu konzentrieren, sondern auch auf attraktive Bedingungen für Fachleute, die solche Technologielösungen entwickeln," sagt er. Dazu sei es nötig, das Ausbildungssystem zu reformieren und mehr für die Fortbildung der bisherigen Berufsprofile zu tun.
Die Investitionen in neue Technologien sind auch vor dem Hintergrund eines leergefegten Arbeitsmarktes und steigender Lohnkosten vielfach unabdingbar, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Die AHK-Umfrage ergab, dass aufgrund der personellen Engpässe jede sechste Firma in den vergangenen zwei Jahren schon Aufträge ablehnen musste. Die Löhne nehmen weiter zu, wenn auch nicht mehr so stark. Jede zweite Firma rechnet 2019 mit einer Steigerung der Lohnkosten zwischen 3 und 8 Prozent. Auf einen noch stärkeren Anstieg stellt sich jede fünfte ein.
Attraktivere Arbeitsbedingungen, sprich Lohnerhöhungen und Sonderzahlungen, setzen die meisten Arbeitgeber ein, um im Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten. Gut acht von zehn Umfrageteilnehmern haben in den vergangenen beiden Jahren zu dieser Maßnahme gegriffen. Sechs von zehn gaben an, in Digitalisierung und Automatisierung investiert zu haben, um den Mangel an Fachkräften abzufedern. An dritter Stelle steht die Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen, die fünf von zehn Unternehmen pflegen. Mit dem Einsatz von Zeitarbeitskräften reagierten 36 Prozent, der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte 28 Prozent und einer Ausbildung in der Firma 27 Prozent. Bedenklich ist, dass 16 Prozent der befragten Unternehmen dennoch Aufträge ablehnen mussten. Zu einer Verlagerung der Produktion kam es bei 11 Prozent.
Es verwundert daher kaum, dass die Investoren unter 21 Standortkriterien die Verfügbarkeit von Fachkräften erneut am schlechtesten bewerteten. Auf dem vorletzten Platz landete erstmals das Berufsbildungssystem, das die Unternehmen wegen seiner Praxisferne kritisieren.
Spitzenargument für den Standort Tschechien bleibt für die Niederlassungen deutscher Unternehmen unverändert die EU-Mitgliedschaft. Zu den fünf am besten bewerteten Kriterien gehören ferner die Zahlungsdisziplin, die Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer, die akademische Ausbildung sowie die Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer.
Im Ranking der 15 Länder Mittel- und Osteuropas (MOE) hat Tschechien nach drei Jahren als attraktivster Standort der Region diesen Platz an Estland abgeben müssen und liegt an zweiter Stelle. Polen folgt auf Rang drei. Dieses MOE-Ranking der Investitionsstandorte basiert auf Daten der deutschen Auslandshandelskammern in diesen 15 Ländern. Christian Rühmkorf, Leiter Kommunikation & Public Affairs der AHK Tschechien, hält diese Verschiebung für symptomatisch. "Der neue Spitzenreiter Estland hat genau dort seine Stärken, wo Tschechien bislang hinterherhinkt", sagt er unter Verweis auf die Infrastruktur, die öffentliche Verwaltung, den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln und die Transparenz der öffentlichen Auftragsvergabe.
Mehr Informationen zu Tschechien finden Sie unter http://www.gtai.de/Tschechien.