Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | EAWU | Klimawandel

EAWU goes green

Eine Arbeitsgruppe wird sich mit der Regulierung von Treibhausgasemissionen befassen und eine Klimaagenda ausarbeiten.

Von Viktor Ebel | Bonn

Vom 19. bis 20. August 2021 tagte der Eurasische Regierungsrat in Cholpon-Ata, Kirgisistan. Die Regierungschefs waren sich einig, dass die Klimapolitik künftig in die Zuständigkeit der Union einbezogen wird und die Eurasische Wirtschaftskommission (EAWK) hierfür neue Befugnisse erhalten soll. Eine hochrangige Arbeitsgruppe werde an einer einheitlichen Klimadatenbank und der Bilanzierung des CO₂-Fußabdrucks arbeiten. Ziel ist, die Umweltaktivitäten in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten.

EU setzt EAWU unter Zugzwang

Der von der Europäischen Kommission vorgestellte „Green Deal“ werde massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, sagte Russlands Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Maxim Reschetnikow, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur TASS am 24. August. Das im Juli 2021 vorgestellte „Fit for 55“-Paket stellt die EAWU vor große Herausforderungen. Mit dem Maßnahmenpaket will die Europäische Union (EU) die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent reduzieren und bis 2050 gar die komplette Klimaneutralität erreichen.

Denn die neuen Verordnungen und Richtlinien betreffen vor allem Industrie, Energie und Verkehr – Bereiche, in denen die EU einen wichtigen Markt für die EAWU darstellt. Mögliche Klimazölle auf Importe von CO2-intensiven Produkten wie Eisen, Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel und Strom sowie der baldige Verzicht auf Verbrennungsmotoren und Kohle lassen auch Politiker und Unternehmer in der EAWU umdenken.

Initiative geht von Russland aus

Es ist nicht überraschend, dass gerade Russland nun auf eine gemeinsame Umweltstrategie drängt. Das Volumen der russischen Exporte, die vom CO2-Grenzsteuerausgleich betroffen wären, beträgt bis zu 65 Milliarden Euro. Alleine die Hauptausfuhrgüter Öl, Ölprodukte und Erdgas erreichten 2020 einen Wert von 60 Milliarden Euro. Zudem sind auch Güter mit hohem CO2-Fußabdruck wie Metalle, Zement und Düngemittel im Wert von jährlich 3 Milliarden bis 5 Milliarden Euro betroffen. Teilweise sind ganze Branchen bedroht, wie der Kohlebergbau, für den die EU mit 41 Prozent der Exporte der wichtigste Abnehmer ist.

Klimabilanz in ausgewählten EAWU-Mitgliedsstaaten, der EU und Deutschland (2019)

Land

Energieverbrauch pro Kopf (in Gigajoule)

Anteil von fossilen Energieträgern (in Prozent)

CO2-Emissionen (in Millionen Tonnen)

Energieintensität der Wirtschaft (kep/$ 2015p) *)

Russland

204,3

88

1532,6

0,206

Belarus

111,9

99

59,0

-

Kasachstan

167,1

97

239,9

0,151

EU

134,3

74

3330,4

-

Deutschland

157,3

77

683,8

0,071

*) Kilogramm Öläquivalent pro US-Dollar in Preisen von 2015 bei konstanter KaufkraftparitätQuelle: BP Statistical Review of World Energy 2020, Enerdata Statistisches Jahrbuch der Weltenergie 2020

Die Agentur Belta berichtet über eine Gesprächsrunde der Eurasischen Wirtschaftskommission mit den Wirtschaftsministern der EAWU-Staaten, die zu dem Schluss kommen, dass die rasch wachsende Bedeutung dieses Themas die Entwicklung von Technologien und den Übergang zu einem neuen System stimulieren sollte.

Sergej Glasjew, EAWU-Minister für Integration und Makroökonomie, verweist auf Instrumente wie Zahlungen für die Überschreitung von Emissionsgrenzwerten und eine Verwendung von Finanzmitteln für vorbeugende Umweltschutzmaßnahmen. Es sei auch wichtig, eine eigene Agenda zu Klimafragen in der EAWU zu formulieren, so Glasjew. Russland gilt mit seiner Flüssiggasstrategie, der Roadmap für Wasserstoff und einer seit Jahren forcierten und auf Energieeffizienz abgestimmten Modernisierung von Wohngebäuden sowie kommunalen Dienstleistungen als Vorreiter innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Green Deal kommt nicht bei allen gut an

Maxim Reschetnikow befürchtet, dass die grenzüberschreitende Kohlenstoffregulierung letzten Endes nur neue Handelshemmnisse und Protektionismus schaffen könnte. Wenn die Reduktion von Emissionen im Vordergrund steht, so müssten grundlegende Prinzipien eingehalten werden. Der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung nennt im Interview mit TASS neben der Technologieneutralität (Gleichstellung von Atomenergie mit anderen CO₂-armen Energieträgern) auch die Klimaneutralität durch Absorption.

Er schlägt vor, bei der Berechnung der CO₂-Abgabe beispielsweise die effektive Waldbewirtschaftung, die ein großes Absorptionspotenzial hegt, und die Injektion von CO₂ in ausgebeutete Rohstofflagerstätten einzubeziehen. Dass diese Mechanismen von der EU nicht berücksichtigt werden, sieht er kritisch.

Außerdem verstoße die Grenzabgabe gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), die eine Ungleichbehandlung von heimischen und importierten Gütern untersagen. Zudem sei die Abgabe unfair gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern, die im Gegensatz zu den Industrienationen den Höhepunkt ihres Energiebedarfs noch nicht erreicht haben.

Kirgisistan lädt zum Umweltforum der EAWU im Jahr 2022

Um sicherzustellen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels nicht zu unfairen Wettbewerbsmethoden führen, hat der kirgisische Premierminister Ulukbek Maripow bei der Sitzung des Eurasischen Regierungsrates für 2022 ein EAWU-Umweltforum am See Issyk-Kul vorgeschlagen. Dort sollen neue Schwerpunkte der Integration definiert werden, die eine kohlenstoffarme, ressourcenschonende und diversifizierte Wirtschaft fördern, ohne die von Coronapandemie und Kaufkraftverlust finanziell gebeutelte Bevölkerung weiter zu belasten.

Bis dahin könnte sich auch zeigen, ob die von der EU vorgelegten Pläne WTO-konform sind oder ob betroffene Länder vor das Schiedsgericht der WTO ziehen werden. Reschetnikow hofft auf eine ausgewogene Umsetzung des Green Deal, macht zugleich aber keinen Hehl daraus, dass es nicht an Klagegründen und Unterstützern mangelt, darunter die BRICS-Staaten, die USA, Japan und Australien.

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.