Wirtschaftsumfeld | Russland | Kennzeichnungsvorschriften
Neuer Anlauf beim Kampf gegen Produktfälschungen
Russlands Regierung nimmt den illegalen Handel mit Industrieprodukten stärker ins Visier. Die digitale Produktkennzeichnung soll auf weitere Warengruppen ausgeweitet werden.
15.12.2021
Von Gerit Schulze | Moskau
Fälschungen und Grauimporte ohne Herstellergarantie sind in Russland weiterhin ein großes Problem. Darum will die Regierung den Handel mit diesen Produkten effektiver bekämpfen. Während in der Vergangenheit überwiegend Güter für Endverbraucher im Fokus standen, könnten künftig auch Industrieerzeugnisse einer Kennzeichnungspflicht unterliegen.
Importe werden stärker unter die Lupe genommen
Das geht aus der Strategie zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Industrieprodukten hervor, für die Ende Oktober 2021 eine Roadmap verabschiedet wurde. Konkret sollen Produktion, Verarbeitung, Import und Verkauf illegaler Industrieprodukte unterbunden werden. Darunter fallen Waren, die gefälscht, minderwertig, nicht ordnungsgemäß registriert oder zertifiziert sind sowie Produkte, die ohne Lizenz oder unter Verletzung der Lizenzbedingungen in Verkehr gebracht werden.
Warengruppen mit hoher Priorität bei der Bekämpfung von Fälschungen und Grauimporten
Quelle: Strategie zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Industrieprodukten |
Warengruppen, die mittelfristig stärker kontrolliert und nachverfolgt werden sollen
Quelle: Strategie zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Industrieprodukten |
Digitale DataMatrix-Codes für immer mehr Warenkategorien
Für eine Reihe von Warengruppen hat Russland bereits eine digitale Kennzeichnungspflicht eingeführt.
Waren, die einer in Russland einer digitalen Kennzeichnungspflicht unterliegen (Stand: 1. Dezember 2021)
Warengruppe | Kennzeichnungspflicht seit |
---|---|
Pelzwaren | 12. August 2016 |
Zigaretten und Papirossy | 1. Juli 2020 |
Medikamente | 1. Juli 2020 |
Schuhe | 1. Juli 2020 |
Parfüms und Toilettenwasser | 1. Oktober 2020 |
Fotoapparate und Blitzlichter | 1. Oktober 2020 |
Reifen | 1. November 2020 (für Produktion und Import) |
Produkte der Leichtindustrie | 1. Januar 2021 |
Käse und Speiseeis | 1. Juni 2021 |
Alternative Tabakprodukte | 1. Juli 2021 |
Milchprodukte mit einer Haltbarkeitsdauer von mehr als 40 Tagen | 1. September 2021 |
Milchprodukte mit einer Haltbarkeitsdauer von weniger als 40 Tagen | 1. Dezember 2021 |
Abgepacktes Mineralwasser | 1. Dezember 2021 |
Die Liste soll kontinuierlich ergänzt werden. Neue Vorschläge für eine Ausweitung der Kennzeichnungspflicht werden laut Roadmap ab 2022 vorgelegt.
Waren, für die in Russland eine digitale Kennzeichnungspflicht geplant ist
Warengruppe | Einführung geplant am |
---|---|
Fahrräder | Testphase am 31. Mai 2020 abgeschlossen |
Rollstühle | Testphase am 1. Juni 2021 abgeschlossen |
Bier und bierhaltige Getränke, alkoholhaltige Mixgetränke | Testphase läuft noch bis 31. August 2022 |
Nahrungsergänzungsmittel | Testphase läuft noch bis 31. August 2022 |
Nikotinhaltige Produkte | Testphase läuft seit 11. Januar 2021 |
Antiseptika | Testphase läuft noch bis 31. August 2022 |
Abgepacktes Tafelwasser | 1. März 2022 |
Elektronische Komponenten (Smartphones, Notebooks, Speicher) | Testphase geplant vom 1. Januar bis 1. September 2022 |
Juwelierwaren | 1. März 2023 (für Produktion und Import) |
Ausgewählte Medizintechnik (u.a. Inkontinenzprodukte, koronare Stents, Hörgeräte) | Testphase vom 1. August 2021 bis Februar 2023 |
Um Fälschungen, Grauimporte und den Handel mit Schmuggelware zu unterbinden, ist nicht immer eine digitale Kennzeichnung geplant. Teilweise will die Regierung die Kontrollen verstärken und intensiver auf die Einhaltung der technischen Anforderungen achten.
Für Spielzeug, Bekleidung und Parfümeriewaren kündigt die Roadmap für 2021 und 2022 außerplanmäßige Überprüfungen der Marktteilnehmer an. Solche Kontrollen sollen 2024 auf Hersteller und Betreiber von Fahrgeschäften und Spielplätzen ausgeweitet werden. Ein Jahr später wird die Einhaltung der technischen Reglements auch bei Aufzugsanlagen häufiger überprüft.
Geplante Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Warenverkäufe
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Um die Umsetzung der Regierungsstrategie kümmert sich die Staatskommission zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Industrieprodukten, die Industrieminister Denis Manturow leitet.
Ausweitung auf Industriegüter wird kritisch gesehen
Eine Ausweitung der digitalen Kennzeichnung auf Industriegüter sehen deutsche Unternehmensvertreter kritisch. "Produktfälschungen im Maschinenbau sind in Russland kaum ein Problem", sagt Sven Flasshoff, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Moskau. "Den deutschen Herstellern machen eher Nachbauten zu schaffen, die ähnlich funktionieren. Doch solche Produkte würden durch die Kennzeichnungspflicht nicht vom Markt verdrängt."
Sollte für bestimmte Ausrüstungsgüter eine digitale Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, "dann führt das zu höheren Kosten für den Maschinenbau", glaubt Flasshoff. Er hält nationale digitale Nachverfolgungssysteme zur Bekämpfung illegaler Produkte bei Industriegütern für nicht optimal, weil die Hersteller dann für jeden Einzelmarkt Sonderregeln umsetzen müssen. Besser wäre es, wenn die Produzenten aus eigener Initiative ihre Ware fälschungssicher machen.
Deutsche Hersteller kennzeichnen freiwillig
Der deutsche Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler bringt bereits zweidimensionale Codes auf Produktverpackungen und ausgewählten Wälzlagern an. Kunden können diese Codes weltweit scannen und sich von der Echtheit des Produktes überzeugen, erklärt Bernd Hones, Head of Industrial Department Russia & Central Asia bei Schaeffler. Trotz der freiwilligen Kennzeichnung der Hersteller forciere Russland aber die Pflichtkennzeichnung, auch Wälzlager seien immer wieder im Gespräch.
"Bislang wurden sie aber noch nicht auf die Liste genommen", sagt Schaeffler-Manager Hones. "Aus gutem Grund, denn die Vielfalt von Produkt- und Verpackungsvarianten ermöglicht es kaum, eine einheitliche Markierung für einzelne Lager einzuführen." Darüber hinaus dürfte es schwierig sein, die freiwillige mit der verpflichtenden Kennzeichnung zu kombinieren. Hierfür wäre ein separater Code notwendig. "Das aber ist mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden und benachteiligt ausländische Produzenten gegenüber einheimischen Herstellern", meint der Russland-Experte. "Einen Mehrwert für russische Kunden hätte diese Doppelung nicht."
Jährlich gefälschte Waren für 80 Milliarden Euro
Bei Konsumgütern ist der Handlungsbedarf zur Bekämpfung von Plagiaten groß. Eine Analyse des Forschungsinstituts BrandMonitor ergab, dass Russlands Markt für gefälschte Produkte 2021 um 10 Prozent auf umgerechnet 80 Milliarden Euro steigt. Besonders hoch ist der Anteil bei Markenbekleidung, Turnschuhen und Spielzeug.
Dem Staat entgehen dadurch enorme Zoll- und Steuereinnahmen, heißt es in der Regierungsstrategie. Außerdem werde die Unternehmeraktivität gebremst, da sich Investitionen in die Qualitätsentwicklung, die Einhaltung von Standards und in die Verbesserung der Arbeitsproduktivität weniger lohnen.
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