Wirtschaftsumfeld | Indien | Hilfsprogramm
Weitere Milliarden zur Stützung der Konjunktur
Indiens Regierung gibt erneut staatliche Mittel zur Bekämpfung der Coronakrise frei. Die Maßnahmen sind vielfältig und bauen zum Teil auf bestehenden Programmen auf.
19.07.2021
Von Florian Wenke | Mumbai
Um die Folgen der Coronapandemie abzumildern und der Wirtschaft beim Neustart zu helfen, hat Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman am 28. Juni 2021 erneut staatliche Hilfen versprochen. Das Maßnahmenpaket soll einen Umfang von 84,8 Milliarden US-Dollar (US$) haben (Umrechnungskurs laut Federal Reserve Bank vom 25. Juni 2021: 1 US$ = 74,14 indische Rupien (iR)). Die Wirtschaft befand sich schon auf dem Weg aus der Krise, als das Land im Frühjahr 2021 von einer heftigen zweiten Infektionswelle erschüttert wurde. Die neuen Maßnahmen sollen der Konjunktur nun zusätzlichen Schwung verleihen.
Übersicht der geplanten Ausgaben im Rahmen des neuen Hilfspakets (in Milliarden US$) *)
Maßnahme | Summe |
---|---|
Zusätzliche Kreditgarantien im Rahmen des Emergency Credit Line Guarantee Scheme | 20,2 |
Kreditgarantien für besonders von der Coronapandemie betroffene Sektoren | 14,8 |
Unterstützung für Reformen beim Result Linked Power Distribution Scheme | 13,2 |
Verlängerung von Nahrungsmittelsubventionen im Rahmen von | 12,7 |
Liquiditätsspritze für die Export Credit Guarantee Corporation (ECGC) | 11,9 |
Unterstützung für den National Export Insurance Account (NEIA) | 4,5 |
Förderung für den Breitbandausbau im ländlichen Raum über Bharatnet | 2,6 |
Sonderausgaben für Gesundheitsinfrastruktur mit Fokus auf Ausbau der | 2,0 |
Zusätzliche Subventionen für Landwirte beim Kauf von Düngemitteln | 2,0 |
Kreditgarantien für Kredite, die durch Mikrofinanzinstitutionen (MFI) vergeben werden | 1,0 |
Kreditgarantien dominieren das Paket
Schon in der Vergangenheit nutzte die indische Regierung Kreditgarantien als Mittel zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie. Auch diesmal setzt sie diese in großem Maße ein. Auf diese Weise soll beispielsweise der Gesundheitssektor mit 6,7 Milliarden US$ unterstützt werden. Die Zinsen für die Bankkredite werden auf 7,95 Prozent gedeckelt. Die Kreditgarantien können für neue, aber auch für Erweiterungsprojekte genutzt werden. Diese müssen jedoch außerhalb der acht großen Metropolregionen des Landes liegen. Dadurch erhofft sich die Regierung, dass private Gesundheitsversorger ihre Infrastruktur in kleineren Städten und dem ländlichen Raum stärken.
Weitere Kreditgarantien gibt es auch für Sektoren, die besonders unter der Pandemie und ihren Folgen leiden. Darunter zählt die Regierung beispielsweise den Tourismussektor. Auch hier sinkt durch die staatlichen Garantien der Kreditzins auf 8,25 Prozent. Dieser liegt damit einige Prozentpunkte unterhalb der sonst in Indien üblichen zweistelligen Raten. Kreditgarantien werden auch im Rahmen des Emergency Credit Line Guarantee Scheme (ECLGS) gewährt. Durch das neue Paket stockt die Regierung diese Mittel noch einmal um mehr als 20 Milliarden US$ auf.
Weil Mikrokredite besonders für Arme und Ein-Personen-Unternehmen in Indien wichtig sind, werden auch für diese Gruppen Kreditgarantien in Höhe von 1 Milliarde US$ bereitgestellt. Der Fokus soll explizit auf der Ausgabe neuer und nicht auf der Umschuldung bereits bestehender Kredite liegen. Durch die staatlichen Garantien liegen die Zinsen hier ebenfalls unter dem sonst üblichen Marktniveau.
Exporteure sollen unterstützt werden
Die Export Credit Guarantee Corporation (ECGC) sichert bisher rund 30 Prozent der indischen Exporte ab. Über einen Zeitraum von fünf Jahren erhält sie nun rund 11,9 Milliarden US$, um mehr Ausfuhren mit Kreditgarantien abzusichern. Darüber hinaus gehen rund 4,5 Milliarden US$ an den National Export Insurance Account (NEIA). Dieser unterstützt sogenannte Project Exports. Dies sind meist Ingenieurs-/Bauleistungen im Infrastrukturbereich. Dabei treten indische Firmen häufig als Generalunternehmen auf, die schlüsselfertige Projekte anbieten. Die zusätzlichen Finanzmittel sollen gleichfalls über fünf Jahre fließen und mehr Project Exports gegen Ausfallrisiken absichern.
Regierung streut die Hilfe breit
Um die Landwirte zu unterstützen, werden Gelder für bestehende Düngemittelsubventionen aufgestockt. Weitere 2 Milliarden US$ sollen den Kauf von Diammoniumphosphaten (DAP) sowie Phosphor und Kalium (P&K) vergünstigen. Indiens Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten zwar an wirtschaftlicher Bedeutung verloren, ist aber immer noch eine wichtige Einkommensquelle für einen großen Teil der Bevölkerung.
Die seit vielen Jahren finanziell angeschlagenen regionalen Energieversorger (DISCOMs) werden mit 13,2 Milliarden US$ ebenfalls unterstützt. Sie sollen zukunftsfähig gemacht werden und so unter anderem dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Indien gewachsen sein.
Um die Infrastruktur zu stärken, sind darüber hinaus rund 2,6 Milliarden US$ für den Breitbandausbau im ländlichen Raum eingeplant. Weitere 2 Milliarden US$ stehen für den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur mit Fokus auf der Versorgung von Kindern zur Verfügung.
Auch arme Haushalte profitieren. Lebensmittelsubventionen im Rahmen des Programms Pradhan Mantri Gareeb Kalyan Anna Yojana (PMGKAY) werden nun vorerst bis November 2021 verlängert. Dadurch soll eine Versorgung der Ärmsten mit Grundnahrungsmitteln gesichert werden.
Kritik bleibt nicht aus
Bereits in der Vergangenheit haben Experten bemängelt, dass die Hilfsmaßnahmen der Regierung fast ausschließlich die Angebotsseite stützten und ihre Wirkung sich nicht kurz-, sondern lediglich mittel- bis langfristig entfalte. Oft werden daher Direktzahlungen an die Haushalte gefordert, die allerdings auch in diesem Paket nur bedingt - etwa in Form der Subventionen für Grundnahrungsmittel - berücksichtigt wurden. Zudem hatten Volkswirte mehrfach betont, dass die Kreditgarantien zwar temporär zur Entlastung von Firmen beitragen, aber nicht zwingend für mehr Wachstum sorgen würden. Kritiker führen ebenfalls an, dass die Maßnahmen das Fiskaldefizit weiter vergrößern dürften. Die indische Regierung hatte ohnehin bereits mit einem Defizit in Höhe von 6,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für das laufende Finanzjahr (1. April bis 31. März) geplant. Nach Berechnungen von Banken könnte der Wert nun auf 7 bis 8 Prozent ansteigen und damit die Staatsverschuldung in die Höhe treiben. Insgesamt gehen Experten davon aus, dass der Wachstumsimpuls der Maßnahmen weniger als 1 Prozent des BIP betragen wird.