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Branche kompakt | Israel | Abfallwirtschaft

Abfallwirtschaft hat noch einen langen Weg vor sich

Israel hat die Abfallwirtschaft lange vernachlässigt. Jetzt ist höchste Zeit für schnelle Expansion. Von dieser können auch deutsche Firmen profitieren.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

  • Marktchancen

    Die israelische Abfallwirtschaft ist unterentwickelt. Bis 2030 will die Regierung das ändern. Ein Ausbau des Recyclings würde ausländischen Firmen Geschäftschancen bieten.

    Nachholbedarf schafft Geschäftsmöglichkeiten

    Die israelische Abfallwirtschaft ist stark ausbaubedürftig. Zwar werden Ausbau und Rationalisierung dieses Sektors seit Jahren versucht zu verbreiten, doch bleibt die Recyclingquote niedrig.

    Die letzte statistische Erfassung der Abfallmengen liegt für das Jahr 2017 vor, in dem nach Angaben des Zentralamts für Statistik landesweit Abfälle mit einem Gesamtgewicht von 20,9 Millionen Tonnen anfielen. Laut dem Umweltschutzministerium nimmt die Abfallmenge um 1,8 Prozent pro Jahr zu und damit ungefähr im Gleichschritt mit dem Bevölkerungswachstum. Das führt zu der Schätzung, dass sich das Gesamtabfallgewicht 2020 auf 22 Millionen Tonnen belief.

    Die jüngsten verfügbaren Angaben zum Recycling liegen für 2020 vor. In diesem Jahr wurden Abfälle mit einem Gesamtgewicht von 7,4 Millionen Tonnen recycelt. Daraus ergibt sich eine Recyclingquote von lediglich 34 Prozent. Nach Angaben des Umweltschutzministeriums wird für das Jahr 2030 eine auf die gesamte Abfallmenge bezogene Recyclingquote von 51 Prozent angestrebt. Das bedeutet, dass das Recycling in den kommenden Jahren einen präzedenzlose Ausbau erfahren muss.

    Abfallrecycling nach Kategorien 2015 bis 2020 (ausgewählte Jahre) in Tausend Tonnen

    Kategorie

    2015

    2019

    2020

    Insgesamt

    5.261

    7.612

    7.406

      Baumüll

    1.611

    3.625

    3.789

      Kohleasche 1)

    1.043

    741

    634

      Metalle

    577

    780

    618

      Organische Abfälle

    871

    1.157

    1.070

      Papier und Pappe

    457

    435

    405

      Garten- und Holzabfälle

    365

    363

    388

      Schlacke

    78

    113

    115

      Kunststoff

    63

    76

    82

      Öl

    27

    19

    14

      Textilien

    9

    11

    11

      Andere 2)

    158

    292

    281

    Summen enthalten Rundungsdifferenzen; 1) wegen des rückgängigen Anteils von Kohle an der Stromerzeugung geht auch die anfallende Menge von Kohleasche zurück; 2) Abfälle zur Gewinnung von Ersatztreibstoffen, Batterien, Reifen, Glas und TonerQuelle: Zentralamt für Statistik (Central Bureau of Statistics)

    Recycling von Siedlungsabfällen muss deutlich steigen

    Beim Recycling von Siedlungsabfällen gibt es Versäumnisse. Siedlungsabfälle werden immer noch zu 80 Prozent auf Deponien entsorgt. Laut Regierungsvorgaben soll dieser Prozentsatz bis 2030 auf 20 Prozent sinken. Die Menge der Siedlungsabfälle dürfte in dem Zeitraum von 2020 bis 2030 von schätzungsweise 5,5 Millionen Tonnen auf 6,6 Millionen Tonnen steigen – dies unter der Annahme, dass sie weiterhin genauso schnell wie bisher wächst. Die wiederverwendete Menge der Siedlungsabfälle würde dementsprechend von 1,1 Millionen Tonnen 2020 auf circa 5,3 Millionen im Jahr 2030 steigen.

    Damit dieses Ziel erreicht wird, müssen die Recyclingmengen für diese Kategorie ein Mehrfaches des zu Beginn des Jahrzehnts verzeichneten Standes erreichen. Ob ein so ehrgeiziges Ziel wirklich erreicht werden kann, mag dahingestellt sein. Doch es wird deutlich, dass das Recycling von Siedlungsabfällen ein Schwerpunkt der Ausbaupläne werden muss.

    Die genannten Recyclingziele umfassen nicht die Energiegewinnung durch Müllverbrennung. Wie das Umweltschutzministerium gegenüber Germany Trade & Invest erklärte, sollen weitere 20 Prozent der Siedlungsabfälle bis 2030 auf diesem Weg behandelt werden. In den letzten Jahren hat Israel Pläne für den Bau von vier Müllverbrennungsanlagen rückgängig gemacht, da diese als nicht umweltfreundlich genug betrachtet wurden. Nunmehr ist die Errichtung von drei neuen Müllverbrennungsanlagen geplant, die höheren ökologischen Anforderungen genügen sollen. 

    Ein weiterer wichtiger Bereich ist Baumüll. Nach den jüngsten verfügbaren Angaben schlug der Bereich 2017 mit 6,8 Millionen Tonnen beziehungsweise 32 Prozent der landesweiten Abfallmenge zu Buche. Im Jahr 2020 belief sich die Recyclingquote von Baumüll auf 56 Prozent, nachdem sie im vergangenen Jahrzehnt stark gestiegen war.

    Trotz dieser Verbesserung merkte das Amt des Staatskontrolleurs (etwa vergleichbar mit dem Bundesrechnungshof, doch mit weitaus größeren Aufsichtsbefugnissen als dieser ausgestattet) an, in führenden Ländern der Europäischen Union (EU) nähere sich die Recyclingquote von Baumüll der 100-Prozent-Marke. Deshalb bleibt das Baumüllrecycling nach wie vor ausbaubedürftig.

    Chancen für deutsche Anbieter

    Der Ausbau der Abfallwirtschaft wird auch deutschen Anbietern relevanter Anlagen und Ausrüstungen zahlreiche Geschäftschancen öffnen. Das gilt umso mehr, weil deutsche Umwelttechnik in Israel einen hervorragenden Ruf genießt. Da viele Betriebe ihre Effizienz steigern müssen, können modernste Anlagen und Ausrüstungen oft besonders gefragt sein. Der größte Teil der Recycling-Technik wird importiert. Deshalb treten ausländische Anbieter oft nicht gegen einheimische Konkurrenz, sondern gegeneinander an.

    Das Umweltschutzministeriums will Innovationen in der Abfallwirtschaft fördern. Auch das kann deutschen Unternehmen den Verkauf moderner technologischer Lösungen für die Abfallbranche erleichtern. 

    Die beiden wichtigsten Gesetze in der Abfallfallwirtschaft sind das Gesetz zur Wahrung der Sauberkeit (Maintenence of Cleanliness Law) und das Gesetz zum Einsammeln und Recycling von Abfällen (Waste Collection and Recycling Law). Ergänzt werden sie durch eine Reihe von Spezialgesetzen, die für einzelne Abfallarten gelten und das Recycling von Verpackungen, Getränkebehältern, Reifen, Elektro- und Elektronikmüll sowie Gefahrensubstanzen betreffen.

    Für die Zukunft plant die Regierung ein Rahmengesetz, das die Zuständigkeiten und Pflichten aller an der Abfallwirtschaft beteiligten Akteure regeln soll. Das Gesetzeswerk soll sich nach einschlägigen EU-Bestimmungen richten. Abweichungen von EU-Vorlagen sollen nur dann erfolgen, wenn Israels landesspezifische Gegebenheiten dies verlangen. Wie das Umweltschutzministerium im März 2022 gegenüber Germany Trade & Invest erklärte, haben die Arbeiten an der Formulierung des Gesetzes bereits begonnen und sollen bis 2024 im Wesentlichen abgeschlossen sein.

    Trend zu Recycling trotz Schwankungen positiv 

    Die Recyclingkette beginnt mit den Kommunen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, Flächen für Sammel- und Sortieranlagen bereitzustellen. Grundsätzlich gilt, dass die Einsammelquote von Abfällen bei Unternehmen und Handelsgeschäften viel höher als bei Privathaushalten ist.

    Eine aktuelle Aufschlüsselung der Abfallstruktur liegt nicht vor, doch dürften sich die Anteile einzelner Kategorien seit 2017 zumindest nicht wesentlich verändert haben. Auf das Abfallgewicht bezogen sind die Anteile folgendermaßen zusammengesetzt (Prozentsätze sind gerundet):

    • Baumüll: 39,2 Prozent 
    • Mischabfälle: 32,5 Prozent 
    • Agrarabfälle: 26,3 Prozent auf
    • Gefahrenstoffe: 1,4 Prozent
    • Rückstände der Abwasserreinigung: 0,5 Prozent

    Die recycelte Abfallmenge weist einen insgesamt positiven Trend auf, obwohl sie in einzelnen Jahren auch rückläufig sein kann. Im Jahr 2020 war das Gewicht recycelter Abfälle um 40,8 Prozent höher als 2015, aber um 2,7 Prozent niedriger als 2019.

    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in Israel

    Projekt

    Stand

    Projektträger

    Ausbau des recycelten Gesamtabfallgewichts von schätzungsweise 7,5 Millionen Tonnen 2020 auf rund 12 Millionen Tonnen 2030

    Strategiesuche

    Ministry of Environmental Protection (federführend)

    Circa 10 Müllsortieranlagen

    Frühes Planungsstadium

    Ministry of Environmental Protection (federführend)

    3 Müllverbrennungsanlagen bis Ende des Jahrzehnts

    Frühes Planungsstadium

    Ministry of Environmental Protection (federführend)
    Quelle: Umweltschutzministerium (Ministry of of Environmental Protection), GTAI-Recherchen

    Von Wladimir Struminski | Jerusalem

  • Branchenstruktur

    Die Branche ist privatwirtschaftlich organisiert. Die Anzahl der Großbetriebe ist gering. Eine Reihe von Hightech-Firmen entwickelt neue Recycling-Technologien. 

    Betriebe aller Größen aktiv

    Die Recyclingbranche umfasst rund 150 Betriebe. Bei einigen von ihnen handelt es sich um Großbetriebe, während die meisten klein oder mittelgroß sind.

    Landesweit sind vier Sortieranlagen, vier Ersatzbrennstoffunternehmen, drei Anlagen zur Behandlung organischer Abfälle und drei Verarbeitungsanlagen für Glasabfälle tätig. Die Verwertung von Altpapier wird hauptsächlich vom größten Papierhersteller des Landes, Hadera Paper, bewältigt. 

    Rund 40 Deponien und/oder Verwertungsbetriebe entsorgen oder behandeln Bauabfälle. Auf weiteren elf Deponien werden andere Abfallarten entsorgt.

    Die Recyclingindustrie ist weitgehend privatwirtschaftlich aufgestellt. Zum Teil kommen aber auch öffentlich-private Modelle zum Einsatz. Ein Beispiel dafür ist die Shafdan-Anlage bei Tel Aviv, die organische Abfälle sortiert und behandelt. In Kommunen gibt es eine Reihe von Build-Operate-Transfer (BOT)-Projekten.

    Führende Akteure

    Ein Schlüsselakteur der israelischen Abfallwirtschaft ist Veridis Environmental Services Israel. Wie aus Angaben der Wirtschaftsauskunftsfirma Dun & Bradstreet Israel hervorgeht, ist die Veridis-Tochter T.M.M. Integrated Recycling Industries das mit Abstand umsatzstärkste Unternehmen der Branche und erzielte 2021 einen Umsatz von umgerechnet 224 Millionen US-Dollar (US$). An zweiter Stelle lag die T.M.M.-Tochter Y.R.A.V. mit einem Umsatz von 138 Millionen US$. Veridis betreibt unter anderem die Ersatztreibstoffanlage in Hiriya bei Tel Aviv.

    Für das Einsammeln von Materialien sind größtenteils Fachfirmen verantwortlich, die aufgrund von separaten Gesetzen ins Leben gerufen wurden. Für das Recycling von Getränkebehältern ist die Firma E.L.A. zuständig, während Tamir für Verpackungen und Amnir für Altpapier verantwortlich sind. Beim Recycling von Reifen agieren die Firmen T.M.Z. und Tyrec; M.A.I. und Ecocommunity sammeln Elektronikmüll ein.

    Die Firma Mifat, die sich auf Transport und Behandlung fester Siedlungsabfälle spezialisiert, erzielte 2021 einen Umsatz von umgerechnet 74 Millionen US$. Das staatseigene Unternehmen ESC obliegt dem Recycling von Gefahrenstoffen und gehörte mit 61 Millionen US$ ebenfalls zu den umsatzstärksten Unternehmen der israelischen Abfallwirtschaft. Mit 60 Millionen US$ Umsatz folgt dicht die Zvi Cohen Ecology Group, die entlang der gesamten Recyclingkette, vom Abtransport bis zur Herstellung von Recyclingprodukten beziehungsweise Deponieentsorgung, tätig ist.

    Energieerzeugung aus Abfällen ist ein Entwicklungsschwerpunkt 

    Eine Reihe von Hightech-Unternehmen befasst sich mit der Entwicklung neuer Technologien für die Abfallwirtschaft. In der Datenbank der gemeinnützigen israelischen Hightech-Organisation Start-up Nation Central waren im März 2022 zwölf solcher Unternehmen mit marktgängigen Produkten beziehungsweise Technologien tätig.

    Technologische Schwerpunkte dieser Unternehmen sind Energieerzeugung aus Abfällen und die Gewinnung von Rohstoffen durch Recycling. Weitere 15 Firmen entwickelten entsprechende Produkte und Technologien, die aber noch keine Marktreife erlangt hatten.

    Von Wladimir Struminski | Jerusalem

  • Rahmenbedingungen

    Viele Recyclingbetriebe kämpfen mit hohen Kosten und niedriger Produktivität. Die Regierung will den Markt für Recyclingprodukte fördern. Importbeschränkungen bestehen nicht.

    Kostendruck und niedrige Produktivität bremsen die Entwicklung

    Die Regierung ist daran interessiert, Recyclingprodukte umfassend zu nutzen. Allerdings leiden viele Recyclingbetriebe an niedriger Produktivität und müssen sich zudem mit hohen Herstellungskosten auseinandersetzen. Das mindert in vielen Fällen die Rentabilität der Produktion und die Wettbewerbsfähigkeit der Recyclingprodukte. Dies hemmt wiederum die Entwicklung der Branche als Ganzes.

    Als Hilfsmaßnahme plant die Regierung bei Aufträgen der öffentlichen Hand den Produkten den Vorrang zu geben, die auf recycelte Materialien zurückgreifen. Damit soll der öffentliche Sektor nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen und die Akzeptanz von Recyclingprodukten steigern, sondern auch die Ertragslage der Abfallwirtschaft verbessern.

    Auf lange Sicht fördert Israel den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen auch recycelte Produkte größere Absatzchancen bekommen.

    Keine Beschränkungen für Importe von Recycling-Ausrüstung 

    Importbeschränkungen für Recycling-Anlagen und -Ausrüstungen bestehen nicht. Allerdings müssen die importierten Produkte von ihrer Beschaffenheit her mit den Bestimmungen der Betriebszulassung des israelischen Käufers übereinstimmen. Falls relevant, müssen die Produkte den in Israel geltenden baurechtlichen Vorschriften entsprechen. Bei Müllabfuhrwagen sind die Nutzungsbedingungen im Zulassungsschein einzutragen.

    Beim Verkauf an Auftraggeber der öffentlichen Hand müssen sich ausländische Lieferanten zu Gegengeschäften verpflichten, wenn der Auftragswert 5 Millionen US$ übersteigt.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Wladimir Struminski | Jerusalem

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade and Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Israel

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Ministry of Environmental Protection

    Umweltschutzministerium, federführend für die Abfallwirtschaft zuständig

    Ministry of Economy and Industry

    Fördert Recycling in der Industrie

    Association of Chemical, Pharmaceutical, and Environmental Industries

    Fachverband im Rahmen der Industriellenvereinigung (Israel Manufacturers' Association), der unter anderem die Recyclingbranche vertritt

    Union for Environmental Defense

    Umweltschutzorganisation inkl. rechtlicher Aspekte

    Arava Institute for Environmental Studies

    Akademische Umweltschutzorganisation

    Society for the Protection of Nature in Israel (SPNI)

    Naturschutzorganisation

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