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Deutschland Wasserstoff

Der Wasserstoffbedarf in Hessen ist groß

Überall entstehen neue Geschäftsmodelle. Manchmal entsteht die Frage: Wo anfangen in der Wertschöpfungskette?

Überall in Deutschland entstehen neue Produkte und Infrastrukturen, um grünen Wasserstoff in der Energieerzeugung oder als Speicher zu nutzen. Aber oft entsteht die Frage: Wo anfangen, bei den Fahrzeugen, bei der Infrastruktur? Das versuchte eine Delegation von Unternehmern aus Belgien und Frankreich im Oktober in Mittelhessen herauszufinden.

Um den Vogelsbergkreis wirtschaftlich zu fördern, haben das Regionalmanagement Mittelhessen, das GTAI-Team Neue Bundesländer/ Strukturwandel und die Firma Energiewächter ein Programm im Rahmen des ISW-Konzeptes entwickelt, um die Stärken der örtlichen Unternehmen und der Region gegenüber ausländischen Märkten zu vermarkten. Es gelang, 12 belgische und französische Unternehmen und Cluster, entlang der gesamten Wertschöpfungskette, für ein viertätiges Besuchsprogramm für Mittelhessen zu begeistern. Sie haben sich verschiedene Projekte in Hessen angeschaut.

Ein gutes Beispiel für eine erfolgreich realisierte, deutsch-französische Zusammenarbeit sind die Wasserstoffzüge in Hessen: Ende des Jahres schon startet die größte wasserstoffgetriebene Zugflotte der Welt - die erste im dauerhaften Regelbetrieb. Gebaut wurden die Brennstoffzellenzüge iLint von der französischen Firma Alstom. Entwickelt wurden sie in Salzgitter auf Basis eines Dieselbetriebes.  Betankt werden sie von der Infraserv Hoechst, der Betreibergesellschaft des Höchster Industrieparkes. Sie ist die größte Wasserstofflieferantin in der Region und produziert ihn als Nebenprodukt aus der Chlor-Alkali-Elektrolyse.  

Die Organisatoren: v.links Michael Piterek, Regionalmanagement Mittelhessen, Axel De Macq AHK Debelux Melanie Volberg GTAI, Raphael Goldstein GTAI, Monika Butterbrodt AHK France, Ferdinand Elsäßer Energiewächter | © GTAI
Besuch bei FFT | © G'T'AI
Netzveranstaltung bei der IHK Gießen-Friedberg | © Tilman Lochmüller
Michael Kraft, Vizepräsident der IHK Gießen-Friedberg | © Tim Lochmüller

Tanken

Auch im eher ländlich geprägten Mittelhessen schafft ein Unternehmer zupackend erste Realitäten: Der Mineralölhändler Roth Holding baut gerade eine Wasserstofftankstelle für Busse, Autos und LKWs in Gießen und ist kurz vor der Fertigstellung. Die belgischen und französischen Unternehmen erfuhren von Frank Roth aus erster Hand, welche besonderen Herausforderungen es in Deutschland gibt und die Gründe, direkt neben der Tankstelle auch noch einen PEM-Elektrolyseur in Containerbauweise aufzubauen. Dieser kann 1.290 kg Wasserstoff pro Tag erzeugen. Mitgereiste Ingenieurbüros wie zum Beispiel Artelia mit 7.000 Mitarbeitern hörten, welche Hersteller welche Komponenten für die Wasserstankstelle und die Elektrolyse bereitstellen. Jetzt fehlen nur noch die Fahrzeuge. Auch hier hatte der Unternehmer eine Idee: Er stellt als Verleiher Autos mit Brennstoffzellentechnologie zur Verfügung, so dass der deutsche Autofahrer die neue Technologie auch mal ausprobieren kann. Ähnlich wie in Deutschland so waren auch in Belgien Unternehmer risikobereit. So hat der Herstelle Van Hool den weltweit ersten Brennstoffzellenbus zur Serienreife gebracht. Dieser fährt unter anderem im öffentlichen Personenverkehr in Köln und in Bergisch Gladbach.

Fliegen

Die Flugzeugindustrie ist die nächste wichtige Branche, die dekarbonisieren muss. Hessen ist Standort für einen der größten Flughafen Europas, den Frankfurter Flughafen. Gerade hat die EU eine Richtlinie beschlossen, Flughäfen zu verpfichten einen wachsenden Anteil „Sustainable Aviation Fuels“ (SAF) beizumischen. Das kanadische SAF+ Consortium produziert synthetisches Kerosin aus CO2-Emissionen der Industrie mit grünem Wasserstoff. Teilnehmer der Delegation war Eric Baldassari, Europa Lead der Firma SAF+ Consortium. Er sagt: „Eine der besten Möglichkeiten, grünen Wasserstoff zu verwerten, ist die Herstellung von e-SAF. Bei SAF+ Consortium sind wir bereit, in Deutschland zu bauen.“ Die großen Abnehmer stehen schon bereit. Airbus will bis 2035 ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug vorstellen. Ein mit Batterien betriebenes Flugzeug ist nicht vorstellbar: Um ein Flugzeug sieben Stunden in der Luft zu halten, wäre ein 260-Tonnen-schwerer Akku nötig.  Der A320 ist für ein maximales Startgewicht von 79 Tonnen ausgelegt.

Auch die Firma FFT in Mücke beobachtet die Entwicklungen in der Luftfahrtindustrie genau.

Für Airbus baut sie derzeit unter Hochdruck eine Prüfanlage für den Brennnstoffzellenbetrieb. FFT ist einer der Weltmarktführer im Bereich flexible, automatisierte Fertigungstechnik. Aber sie brauchen Wasserstoff auch als Ersatz für Gas in der Produktion.

Elektrolyseur | © GTAI
Besuch bei Pfeiffer Vaccum | © Tim Lochmüller
Wasserstankstelle Roth | © Christian Piterek
Hier schlagen Wasserstoffherzen hoch | © Christian Piterek

Wärme

Auch Pfeiffer Vaccum im hessischen Asslar möchte Erdgas durch Wasserstoff im Produktionsprozess ersetzen. Gleichzeitig sehen sie neue Absatzmärkte für ihre Produkte. Vakuumpumpensysteme sind wichtig bei der Herstellung und Recycling von Batteriezellen. Der Beschichtungsspezialist Holzapfel Group kann Bauteile bei Elektrolyseuren mit einer funktionellen Korrosionsschutzschicht versehen. Hier zahlen sich die langen Erfahrungen als Automobilzulieferant aus. Aber das Unternehmen hat auch einen großen Energiebedarf. Wasserstoff könnte eine innovative Energiequelle sein.

Solenco Power möchte Unternehmen, Wohnanlagen, Mehrfamilienhäuser unabhängig vom Strom machen. Dazu soll eine Box in der Lage sein, grünen Wasserstoff zu erzeugen und auch zu speichern. Ein interessanter Ansatz für die deutsche Firma Sera, deren Thema es ist, wie Wasserstoff in Druckflaschen gelagert werden kann und auch im Winter von einer Brennstoffzelle abgerufen und wieder in Wärme umgewandelt werden kann.

Wasserstoffpipelines

Der GTAI-Branchenspezialist Raphael Goldstein sagt: „Im Vordergrund der Fragen standen Marktinformationen, Rechts- und Steuerfragen und die Finanzierung rund um den H2-Markt in Deutschland.“ Informationen rund um das Thema „lokale Wirtschaftsförderung“ stellten Jens Ihle und Christian Piterek vom Regionalmanagement Mittelhessen und Lorenz Kock, Wirtschaftsörderung Vogelsberg zur Verfügung. Schnell wurde bei der Reise klar, dass der Bedarf an grünem Wasserstoff groß ist. Er wird mittels Elektrolyse hergestellt.  Zu diesem Schritt in der Wertschöpfungskette konnten die mitgereisten Elektrolysehersteller John Cockerill oder ITEM Power ihre Projekterfahrung vermitteln.  Für den Transport von immer größer werdenden Wasserstoffmengen werden Pipelines durch Europa gebaut.  Belgien ist wichtiger Partner beim Aufbau einer gemeinsamen europäischen Wasserstoffinfrastruktur. Mit bei der Reise waren auch Vertreter der belgischen Cluster WaterstoffNet, Tweed und Smart Hub Vlaams Brabant. Die großen Nordseehäfen sollen als Anladezentren weiter ausgebaut werden und eine Drehscheibe für die Wasserstoffproduktion in Europa werden.

Daher soll ein Pipelinenetz gebaut werden, das die Häfen und die energieverbrauchenden Industrien verbindet. Zum Beispiel mit dem mitgereisten Stahlkonzern AcelorMittel. Der Konzern will seine Produktion bis 2030 komplett C02-neutral gestalten und dafür eine Pilotanlage bauen, die ab 2024 pro Jahr etwa 100.000 Tonnen Eisenschwamm für die Stahlherstellung produzieren soll. Für die Realisierung benötigt das Unternehmen große Mengen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.

Das geplante europäische Pipelinenetz Das geplante europäische Pipelinenetz | © European Hydrogen Backbone Initiative

Das geplante europäische Wasserstoffnetz wird Norddeutschland, NRW, Sachsen-Anhalt, die Niederlande, Belgien und Frankreich verbinden -  es geht nicht durch Mittelhessen. Aber: Der Vogelsbergkreis produziert eine Menge erneuerbare Energien: 1.156 Gwh wurden 2020 aus Mittelhessen in die hessischen Energienetze eingespeist. Neben Solar- und Biogas ist dies vor allem Wind. Und erneuerbare Energien werden zur Erzeugung von grünem Wasserstoff benötigt, der wiederum die energieverbrauchende Industrie in Hessen versorgt. Die ISW-Reise hat dazu beigetragen, dass Unternehmen wissen, wo sie mit ihren Produkten ansetzen  und neue Geschäftsmodelle entwickeln.

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