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Äthiopien will mit Kühlkette und Zertifizierungen Exporte erhöhen

Obst und Gemüse aus Äthiopien soll durch den Aufbau einer Kühlkette endlich auf den Weltmarkt gelangen. Der Sektor hat aber noch ganz andere Sorgen. 

Von Ulrich Binkert | Bonn

In Äthiopien nimmt der lange geplante Bau des “Cool Port Modjo” Formen an. Das 25 Millionen Euro teure Projekt mit Kühlhäusern bekommt von der niederländischen Regierung einen Zuschuss von 10,6 Millionen Euro. Dies vereinbarten Ende Februar 2024 die niederländische Agentur Invest International und die äthiopische Regierung, die den Rest der Finanzierung beisteuert. 

Ausschreibungen für Kühlprojekt sollen bald starten

Die Verantwortlichen werden demnächst Arbeiten ausschreiben, nennen hierfür aber noch keinen Termin. Die Anlage nahe der Hauptstadt Addis Abeba solle spätestens in zwei Jahren fertig gestellt sein. Der Branchenverband Ethiopian Horticulture Producer Exporters Association (EHPEA) hofft auf eine Auftragsvergabe bis in etwa fünf Monaten. Bereits vorhanden ist die Machbarkeitsstudie für das Vorhaben, das die EU als Leuchtturmprojekt in ihre Global-Gateway-Initiative aufgenommen hat. Projektentwickler ist das niederländische Konsortium Flying Swans, das die Investitionen mit 44 Millionen Euro beziffert.

Noch in weiter Ferne scheint eine Ausweitung des Projektes. Es gibt Überlegungen, für eine flächendeckende Kühlkette weitere, kleinere Kühlzentren über Äthiopien verteilt einzurichten. Hinzu kämen Arbeiten im Hafen des benachbarten Dschibuti. Konkrete Pläne für diese Vorhaben lägen aber noch nicht vor.

Das neue Kühlzentrum in Modjo soll vor allem den Export von äthiopischem Obst und Gemüse ermöglichen. Landwirte bleiben bisher oft auf Produkten wie Erdbeeren oder Avocados sitzen oder bauen sie gar nicht an, weil es keine Kühlkette zu ihren Märkten gibt. Ein Export per Flugzeug wäre zu teuer und ökologisch unsinnnig. Diesen Weg nehmen die Blumenzüchter, die meist in Flughafennähe produzieren. Aber selbst diese meist niederländischen Firmen experimentieren laut EHPEA mit Exporten per Schiff.

Kühlkette soll bis zum Hafen in Dschibuti reichen

Modjo ist der wesentliche Güterumschlagplatz der Eisenbahnlinie von Addis Abeba nach Dschibuti. Über den dortigen Hafen wickelt der Binnenstaat Äthiopien rund 95 Prozent seines seegebundenen Außenhandels ab. Mit dem Vorhaben und zusätzlichen Kühlwaggons ließe sich, anders als bisher, eine Kühlkette bis nach Dschibuti einrichten.

Das Kühlprojekt Modjo war ursprünglich Teil eines geografisch weitaus größer dimensionierten Vorhabens. Letztlich fanden sich aber keine privaten Investoren. Sie haben das Henne-Ei-Problem: Es mangelt an zu kühlenden Agrarerzeugnissen - und die Bauern produzieren nicht, weil Kühlung fehlt. 

Private Investoren halten sich zurück

Äthiopische Obst- und Gemüseerzeuger haben laut EHPEA aktuell auch kein Interesse an Investitionen in die Kühllogistik. Dies gilt nach einer anderen Quelle auch für die niederländischen Blumenfarmen. Private Investoren sorgen sich wegen der gewachsenen Unsicherheit im Land. Die Blumenfarmen haben zudem Probleme, ihre Landpachten zu verlängern. Nichts bekannt ist über den Stand eines ebenfalls in Modjo angesiedelten Kühlhausprojektes der Firma WoubGet.

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Die Logistik ist nicht das einzige Problem der Agrarexporteure. "Die phytosanitären Bedingungen bilden eine der größten Herausforderungen für die Branche", sagt ein Beobachter des Marktes. Ausländische Kunden weisen äthiopische Agrarerzeugnisse immer wieder wegen pilzbedingter Aflatoxine oder anderer Qualitätsmängel ab. Teil des Modjo-Projekts wird deshalb der Bau einer Prüfstelle für die Lebensmittelsicherheit sein.

Zertifizierungen als weiterer Flaschenhals

Zu den eigentlichen Qualitätsproblemen kommen Mängel im Zertifizierungswesen Äthiopiens. Diese Branche hat in den letzten vier Jahren zwar Fortschritte gemacht, sagt Yonatan Mengesha. Der technische Leiter von Bless Agri Food Laboratory Service in Addis Abeba begründet dies aber eher damit, dass die Regierung eine nationale Politik der Lebensmittelsicherheit eingerichtet habe. Im Ergebnis lassen sich in Äthiopien nur schlecht jene Zertifizierungen nach internationalem Standard bekommen, die ausländische Abnehmer von ihren Lieferanten verlangen. 

Pfeffer und andere Gewürze sind die Lebensmittel, die laut Yonatan Mengesha am häufigsten wegen fehlender Zertifizierungen an internationalen Grenzen zurückgewiesen werden. Betroffen seien oft auch Ölsaaten und Hülsenfrüchte, also unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse. Besonders streng prüften die Zollbehörden der EU mit ihrem Europäischen Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF).

Nur wenige Firmen können Siegel ausstellen

In Äthiopien gibt es laut Yonatan Mengesha nur zwei Firmen, die akkreditierte Zertifizierungen oder international anerkannte Produktzertifizierungsdienste anbieten: Das staatliche Ethiopian Conformity Assessment Enterprise (ECAE) sowie – seit einem Jahr – Bless. Diese beiden Unternehmen führten auch die zugrunde liegenden Lebensmitteltests durch. Inspektionen, die ebenfalls Teil des Qualitäts- und Sicherheitsprozesses sind, böten neben Bless ein gutes halbes Dutzend weiterer Dienstleister an.

Bless kann akkreditierte Produktzertifizierungen bisher nur begrenzt durchführen: Für abgefülltes Wasser, jodiertes Salz und Mais-Soja-Mischungen. Die Firma plant diese Palette aber auszuweiten. ECAE, das branchenübergreifend prüft, bietet Zertifizierungen ebenfalls nur für eine begrenzte Zahl von Nahrungsmitteln an. 

Lieferanten müssen für ausländische Märkte indes nicht nur ihre Produkte zertifizieren lassen, sondern auch ihre internen Prozesse dafür, etwa nach ISO 22000. Bei diesen Systemzertifizierungen gilt mit DQS ein deutsches Unternehmen als Marktführer. Weiterer maßgeblicher Anbieter ist nach Brancheinformationen auch in diesem Segment ECAE. Eine Systemzertifizierung dauert in Äthiopien laut Yonatan Mengesha je nach Engagement des beantragenden Unternehmens ein halbes bis ganzes Jahr.

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