Im Rohstoffsektor sprudeln die Investitionen

Die Erschließung von Öl- und Gasfeldern bietet Anbietern von Ausrüstungen und Dienstleistungen ein unvermindert lohnendes Geschäftsfeld. Das Energieberatungsunternehmen Rystad Energy beziffert das erwartete Auftragsvolumen für Bohrarbeiten in Aserbaidschans Öl- und Gasindustrie für 2022 auf gut 1 Milliarde US-Dollar (US$). Bis 2030 sollen die jährlichen Ausgaben auf 1,6 Milliarden US$ steigen. Für Waren und Dienstleistungen (ohne Bohrarbeiten) dürften 1,4 Milliarden US$ (2022) beziehungsweise 1,6 Milliarden US$ (2030) anfallen.

Allerdings sind die Zeiten besonders großer Investitionen wohl vorbei. Zum einen wirken sich die nach 2015 im Schnitt gesunkenen Weltmarktpreise für Kohlenwasserstoffe negativ auf die Investitionsneigung aus. Zum anderen zwingt die eingeleitete Energiewende auch die Öl- und Gasfördergesellschaften ihre Geschäftsstrategie zu überdenken.

Grüne Förder- und Produktionsprozesse stehen im Fokus

Ein Abebben der weltweiten Nachfrage nach Öl und Gas ist in absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Somit werden auch die Investitionen in der Branche weiter sprudeln. Doch die Öl- und Gasförderer sind mehr denn je gefordert, in innovative, energieeffiziente und umweltschonende Produktionsprozesse zu investieren. Sie setzen inzwischen mehr auf ökologisch orientierte Projekte in den Sektoren erneuerbare Energien, umweltschonende Kraftstoffe oder CO₂-Speicherung.

Die zentralen Planer des Landes erwarten für 2022, dass der Branche (inklusive Ölverarbeitung) Kapital in Höhe von 4,2 Milliarden US$ zufließt. Damit würden die Investitionen erstmals wieder real steigen. In den Jahren 2016 bis 2021 schrumpften sie preisbereinigt im Schnitt jährlich um 11,2 Prozent. Von dem im Zeitraum 2000 bis 2021 insgesamt in die Branche geflossenen Kapital in Höhe von 113 Milliarden US$ entfielen vier Fünftel auf ausländische Investoren.    

Offshore-Ölfeld im Kaspischen Meer gilt als Hauptprojekt 

Unter den Öl- und Gasprojekten ragt die Erschließung der großen Offshore-Tiefseeölfelder Azeri-Chirag-Guneshli (ACG) durch das Konsortium AIOC (Azerbaijan International Operating Company) hervor. Im Herbst 2017 haben Aserbaidschan und AIOC die 1994 abgeschlossene Vereinbarung zur rechtlichen Regelung des Projekts (Production Sharing Agreement/PSA) bis 2049 verlängert.

Die Vertragspartner rechnen für die neue Vertragslaufzeit (32 Jahre) mit einer Ölförderung von 500 Millionen Tonnen und Investitionen von 43 Milliarden US$. Im Vertragsgebiet ACG wurden bisher (1994 bis 1. Dezember 2012) 545 Millionen Tonnen Öl (für den Export) und 189 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert. Aserbaidschan ist mit hohen 75 Prozent an den jährlich erzielten Gewinnen aus dem ACG-Projekt beteiligt. Diese Einnahmen summierten sich bis 1. Dezember 2021 auf 155 Milliarden US$. Auf die ACG-Ölfelder entfallen heute zwei Drittel der Ölförderung im Land.  

Das Konsortium betreibt gegenwärtig sechs Ölbohr- und -förderplattformen sowie mehr als 140 Öl- und Gasbohrlöcher. Es hat in den ersten drei Quartalen 2021 rund 1,2 Milliarden US$ investiert und 398 Millionen US$ in das operative Geschäft gesteckt. Im Jahr 2022 werden die Investitionen im Vergleich zu 2021 voraussichtlich höher ausfallen.

Vertragsparteien des PSA sind die nationale staatliche Ölgesellschaft SOCAR (heutiger Anteil am Konsortium: 25,0 Prozent) und die Unternehmen BP (Großbritannien, 30,37 Prozent), Chevron, ExxonMobil (beide USA, 9,57 und 6,79 Prozent), Inpex, Itochu (beide Japan, 9,31 und 3,65 Prozent), Equinor (Norwegen, 7,27 Prozent), TPAO (Türkei, 5,73 Prozent) und ONGC Videsh (Indien, 2,31 Prozent). Konsortialführer ist das Mineralölunternehmen BP. Die nachgewiesenen Öl- und Gasreserven des ACG-Blocks betragen 1,2 Milliarden Tonnen Rohöl und 350 Milliarden Kubikmeter Erdgas.

Gasprojekt Schah Denis-2 auf Expansionskurs

Die industrielle Exploration des Gasvorkommens Schah Denis, einer der weltweit größten Gas- und Kondensatlagerstätten, ist das zweite Großprojekt im aserbaidschanischen Kohlenwasserstoffsektor. Ende 2013 vereinbarten SOCAR und der Betreiber des Gasfelds, BP, die zweite Erschließungsphase des Offshore-Vorkommens. Sie startete Mitte 2018 und hat einen langfristigen Investitionsrahmen von 28 Milliarden US$. In den ersten drei Quartalen 2021 wurden 524 Millionen US$ in das Projekt investiert.

Im Herbst 2020 wurde über den neu errichteten Südlichen Gaskorridor (Southern Gas Corridor, SGC) das erste Gas aus der Lagerstätte an Länder der Europäischen Union geliefert (Italien, Griechenland und Bulgarien). Der Korridor mit einer Durchleitkapazität von 16 Milliarden Kubikmeter umfasst die Südkaukasus-Pipeline (Baku - Tbilisi/Georgien - Erzerum/Türkei), die über das türkische Staatsgebiet führende Transanatolische Pipeline (TANAP) und die sich anschließende Transadriatische Pipeline (TAP) von der türkisch-griechischen Grenze (Kipoi) bis in das italienische San Foca.

Im Jahr 2022 will Aserbaidschan 19 Milliarden Kubikmeter Erdgas über dieses Pipelinesystem an ausländische Abnehmer liefern, darunter 8 Milliarden Kubikmeter an die Türkei, 7 Milliarden Kubikmeter an Italien und 4 Milliarden Kubikmeter nach Georgien, Griechenland und Bulgarien. Im Jahr 2021 wurden 17,6 Milliarden Kubikmeter Gas durch den Südlichen Gaskorridor gepumpt.    

Auch abseits der Großprojekte wird viel erkundet und erschlossen

Die nationale Ölgesellschaft SOCAR förderte 2021 in Kooperation mit Onshore-Partnerunternehmen 7,9 Millionen Tonnen Öl und 7,9 Milliarden Kubikmeter Gas. Sowohl neue und verlängerte Production-Sharing-Vereinbarungen  sowie Risiko-Service-Verträge tragen zur Wiederbelebung des Investitionsgeschehens in der Öl- und Gaswirtschaft bei. Bedeutende laufende und geplante Erkundungs- und Erschließungsprojekt sind in der nachfolgenden Übersicht aufgelistet

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