Special China Seidenstraße
"China versucht, seine Auslandskredite geheim zu halten"
China ist größter Gläubiger bei Entwicklungsländern. Was an den Kreditverträgen besonders ist, erklärt Sebastian Horn, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, im Interview.
22.04.2021
Von Sebastian Holz, Lukas Latz | Bonn
Die großen Infrastrukturprojekte im Rahmen der neuen Seidenstraße finanziert China durch Kredite staatlicher Banken wie China Development Bank und China Export Import Bank. Mit den besonderen Konditionen dieser Banken für Entwicklungs- und Schwellenländer beschäftigt sich der Volkswirt Sebastian Horn. Ein Gespräch.
Herr Dr. Horn, Welche Rolle spielt China als internationaler Geldgeber für Staaten?
In den letzten fünf bis zehn Jahren ist China der wichtigste internationale staatliche Gläubiger von Entwicklungs- und Schwellenländern geworden. Die ausstehenden Forderungen, so schätzen meine Kollegen und ich in einer Studie, sind größer als die der Weltbank, die des Internationalen Währungsfonds (IWF), oder aller anderen bilateralen Gläubiger zusammen. China selbst veröffentlicht jedoch keine Zahlen zu ausstehenden Forderungen.
Was ist das Besondere an Chinas Krediten?
In den Verträgen stehen Geheimhaltungsklauseln. Teilweise unterliegt sogar die Existenz des Kredits der Geheimhaltung. Ausnahmen gibt es nur, wenn ein nationales Gesetz die Regierung des Empfängerlandes zwingt, die Verträge offenzulegen. China setzt außerdem Klauseln ein, die den chinesischen Gläubigern, Seniorität, das heißt eine bevorzugte Stellung in der Zahlungshierarchie geben. Die Verträge, die wir in einer anderen, gerade veröffentlichten Studie untersucht haben, untersagen dem Schuldner, Chinas Kredite in Verhandlungen des Pariser Clubs einzubringen − einem Zusammenschluss bilateraler Gläubiger von Staatsunterschuldnern, in dem auch Deutschland Mitglied ist. Wenn ein Land in Zahlungsausfall gerät, legt jedes Mitglied offen, was es für Forderungen hält, und dann versucht man einen Schuldenerlass zu finden, der für alle Gläubiger die gleichen Verluste mit sich bringt. Chinesische Staatsbanken dagegen wollen bilateral verhandeln und sichern sich damit Spielräume für eine Vorzugsbehandlung.
Ist das überhaupt praktikabel? Wie will China denn auf die Vorrangigkeit seiner Schulden bestehen?
Zum Teil werden im Rahmen der Kreditverträge spezielle Auslandskonten eingerichtet. Der Schuldner überweist Einnahmen aus dem finanzierten Projekt oder aus Rohstoffexporten auf ein Konto im Ausland. Darauf kann der chinesische Gläubiger im Zahlungsausfall zugreifen. Die chinesische Bank kann dann einfach die liquiden Mittel auf diesem Konto pfänden.
Kam das schon mal vor?
Das wissen wir nicht. Im Papier selbst beleuchten wir das Beispiel von Ecuador: die China Development Bank schloss einen Kreditvertrag über 1 Milliarde US-Dollar mit dem Finanzministerium von Ecuador ab. Gleichzeitig wurde ein Öllieferungsabkommen zwischen einer ecuadorianischen und einer chinesischen staatseigenen Ölfirma geschlossen. China bezahlt für Öllieferungen auf ein chinesisches Konto. Wenn Ecuador seinen Kredit nicht bedienen könnte, kann die China Development Bank auf dieses Konto zugreifen.
Wie beurteilen Sie das? Ist das ein Knebelvertrag?
Wir sehen diese Konditionen nicht ausschließlich negativ. China verleiht sehr viel Geld an hochriskante Länder, die sonst überhaupt keinen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt haben. China versucht, Verträge zu schreiben, um sich gegen makroökonomische und politische Risiken in den Ländern abzusichern. Das ist nachvollziehbar.
Aber wenn ein Staat zahlungsunfähig wird, wird es kompliziert?
Ja. Durch die Vertragsklauseln schafft China Koordinierungsschwierigkeiten, wenn man sich auf die Umstrukturierung von Schulden einigen muss. Sambia ist gerade in Zahlungsausfall. Die privaten Gläubiger und die chinesischen Staatsbanken finden keine Einigung, weil unklar ist, wie hoch die chinesischen Forderungen sind. Das ist für Sambia ein großes Problem, weil es sehr dringend eine Lösung bräuchte, um mit der Covid-Krise zurechtzukommen.
Bild vergrößernIst es denn bei anderen Geldgebern grundsätzlich transparenter?
Die Forderungen von Weltbank und IWF sind sehr transparent. Wenn ein Land Staatsanleihen auf dem internationalen Kapitalmarkt ausgibt, dann ist das auch transparent, denn die Schuldtitel werden an Börsen gehandelt. Es gab in der Vergangenheit allerdings immer wieder auch Probleme mit Krediten von privaten Banken und von Staatsbanken, die nicht vollständig erfasst waren. Das ist also kein rein chinesisches Problem. Durch die weitreichenden Geheimhaltungsklauseln ist das Problem der versteckten Schulden bei China allerdings besonders relevant.
Was bedeutet die Intransparenz bei den Verträgen für Unternehmen, die mit hochverschuldeten Staaten handeln?
Für einen Unternehmer, der an einen Schuldnerstaat liefert und dort Forderungen hält, sind die Senioritätsfragen unter Umständen sehr relevant. Denn er geht ja zunächst mal davon aus, dass er gleichrangig bedient wird wie alle anderen Gläubiger. Aber es kann eben sein, dass ein chinesischer Konzern oder eine chinesische Bank Treuhandkonten mit einem Schuldnerland vereinbart haben, und der Unternehmer entsprechend eine nachrangige Forderung erhält und zunächst mal die chinesischen Gläubiger bedient werden. Alle Akteure, die Geld verleihen oder eine Dienstleistung erbringen, haben hier ein großes Interesse an Transparenz. Einfach um zu wissen, wer sonst noch Forderungen an den Schuldner stellt und wie er diese Forderung unter Umständen besichert hat.
Wie arbeiten Entwicklungsbanken anderer Staaten? Zum Beispiel die deutsche KfW?
Die KfW veröffentlicht ihre Verträge mit Entwicklungsländern auch nicht. Dabei hätten vor allem die G7-Länder ein sehr großes Interesse, mit gutem Beispiel voranzugehen. Es wäre der beste Hebel, um China in die Pflicht zu nehmen. Solange man selbst nicht vollständig transparent ist, ist es sehr schwierig, von China eine Offenlegung zu fordern. Abgesehen von den internationalen Partnern haben vor allem auch die Bürger eines Landes das Recht, zu kontrollieren und zu verstehen, wozu ihre Regierung Schulden aufnimmt. Letztendlich sollte das auch im Interesse Chinas sein. Es gibt viele Gerüchte über Chinas Kreditvergabepraktiken. Viele davon sind übertrieben.
Weiterführende Links
Persönliche Seite beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel | |
Studie und Datenbank (2021) | |
Arbeitspapier des National Bureau of Economic Research (2019) | |
Internationale Schuldenstatistik der Weltbank |