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Special | Europa | Seidenstraße

Auf dem Balkan sind chinesische Firmen sehr aktiv

Chinesische Baukonzerne konzentrieren sich in Europa auf die Balkanregion. Die Nicht-EU-Staaten zeigen sich empfänglicher für chinesische Angebote.

Von Sebastian Holz | Bonn

Die Westbalkanregion hat bis heute einen großen Nachholbedarf an Energie- und Transportinfrastruktur. Verglichen mit dem europäischen Durchschnitt hat die Region eine geringe Schienen- und Straßendichte. Veraltete und emissionsreiche Kraftwerke versorgen die knapp 18 Millionen Einwohner der sechs Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. 

Die Europäische Union (EU) unterstützt die Region bereits seit Jahren. Vier der Länder sind EU-Beitrittskandidaten; Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo sind potenzielle Beitrittskandidaten. Sie alle profitieren von EU-Geldern, die Reformen vorantreiben, Ausbildungsprogramme unterstützen und auch zum Infrastrukturausbau beitragen. Da der Infrastrukturbedarf aber besonders groß ist, ist für die Länder der Region auch das chinesische Angebot der Belt and Road Initiative (BRI) attraktiv. 

Fünf der sechs Länder des Westbalkans sind Mitglied der 16+1 Initiative, einem Kooperationsformat von China und 16 mittel- und osteuropäischen Staaten, bei dem es auch um den Infrastrukturausbau in der Region geht. Dabei kommt den Ländern der Region zugute, dass sie mangels EU-Mitgliedschaft nicht an EU-Ausschreibungsverfahren gebunden sind. Damit können sie chinesische Finanzierungsangebote leichter annehmen, wodurch sich auch der hohe Anteil an Projekten erklärt, die von der staatlichen China Exim Bank gefördert werden. Ähnlich wie die China Development Bank ist sie in vielen Partnerländern der neuen Seidenstraße aktiv. Die von chinesischen Institutionen finanzierten Projekte müssen qua Kreditvertrag - dabei häufig von (staatlichen) chinesischen Generalunternehmern - ausgeführt werden.

Serbien und China stehen sich nahe

Von den Balkanländern steht Serbien China am nächsten. Unter Präsident Aleksandar Vucic haben die Länder ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen deutlich vertieft. So spielt China etwa eine bedeutende Rolle beim Ausbau der Digitalinfrastruktur in Serbien. 

Aber auch im Bausektor haben sich chinesische Konzerne längst etabliert. Die Liste der chinesischen Bauprojekte in Serbien ist die vielfältigste und gewichtigste in ganz Europa. Firmen aus der Volksrepublik bauen mehrere Abwasseranlagen und modernisieren Kraftwerke. Sie erweitern auch die Belgrader U-Bahn. Mehrere Autobahnprojekte, darunter die Strecke E763, Teil des Prestigeprojekts "Korridor XI", werden ebenfalls mit chinesischer Hilfe erbaut. Alleine diese Route schlägt mit fast 1 Milliarde Euro zu Buche. Viele der Projekte werden von der China Exim Bank finanziert.

Ausgewählte Auslandsprojekte chinesischer Firmen in Serbien (Projektwert in Millionen Euro)

Projekt

Wert

Firmen (Mutterkonzern)

Anmerkungen

U-Bahn Belgrad

6000

PowerChina, Alstom, Egis, Schneider

Zwei neue Linien mit 20 und 23 Haltestellen; Absichtserklärung 2020, Vertrag Mai 2021; Finanzierung durch Frankreich, China, Serbien

Umbau der Stahlfabrik Smederevo

1400

China Metallurgical Construction Engineering Group

Modernisierung des 2016 von Heesteel erworbenen Kraftwerks; Baubeginn 2019

Budapest-Belgrad Bahnstrecke

1045

China Railway Group, CCCC

Finanziert durch China Exim Bank; Modernisierung von insgesamt 183,1 km Strecke; Baubeginn 2017, Fertigstellung bis 2024

Autobahn E763 (Corridor 11)

952

Shandong Hi-Speed Group, CCCC

Finanziert durch China Exim Bank; Neubau mehrerer Bauabschnitte (mindestens 120 km von insgesamt 269 km); erste Verträge 2016, teilweise noch im Bau

Reifenfabrik Linglong

800

Energy China Tianjin

Neubau einer Reifenfabrik der Firma Linglong in der Freihandelszone Zrenjanin; Vertrag 2018k, Fertigstellung bis 2025

Abwasseranlage in Veliko Selo, Belgrad

800

China Machinery Engineering Corporation

Mehrere Teilprojekte, Vertrag 2020

Kostolac Kraftwerk Phase II

640

China Machinery Engineering Corporation

350 MW Kohlekraftwerk nach EU-Emissionsstandards in Pozarevac; Baubeginn 2017

Fruskogorski-Korridor

606

China Road and Bridge Corporation (CCCC)

Finanziert durch China Exim Bank; Neubau von 48 km Verbindungskorridor zwischen E75 und E70 mit Brücken und Tunneln; Vertrag und Baubeginn 2021

Autobahn Belgrad-Zrenjanin-Novi Sad

530

Shandong Hi-Speed Group

106 km Neustrecke; Baubeginn 2021

Industriepark in Borca, Belgrad

229

China Road and Bridge Corporation (CCCC)

Bau eines Industrieparks für die Ansiedelung von chinesischen Gewerbe-, Logistik- und Hochtechnologiefirmen; Vereinbarung 2018, Bau hat noch nicht begonnen

Autobahnbrücke E70/E75 über den Fluss Sava

227

PowerChina, Azvirt

Finanziert durch China Exim Bank; Neubau einer Autobahnbrücke nach EU-Standard; Vertrag 2016

Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk Pancevo (160 MW)

212

Shanghai Electric, Energy China Tianjin

Kraftwerk soll Raffinerie Pancevo und Stadtbevölkerung versorgen; Baubeginn 2018

Fernwärmeleitung Obrenovac

210

SEPCO II, PowerChina

Finanziert durch China Exim Bank; Vertrag 2017, im Bau

Autobahnabschnitt Iverak-Lajkovac

158

China Shandong Economic Technical Coorperation Group

18,3 km lange Anbindung an E763 in Lajkovac; Baubeginn Juni 2020

Autobahn E75 "Donaukorridor" 

k.A.

Shandong Hi-Speed Group

68 km langer Autobahnabschnitt der E75; Vertrag 2021

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Balkan Investigative Reporting Network

In Bosnien baut China Energieinfrastruktur

In Bosnien und Herzegowina liegt der Fokus der chinesischen Aktivitäten auf der Energiewirtschaft. Gleich mehrere Wasser- und Kohlekraftwerke wurden oder werden von chinesischen Firmen gebaut oder modernisiert. Die Ankündigung von September 2021, dass China künftig keine Kohleprojekte mehr finanzieren werde, wirkt sich dabei auf bereits geplante Projekte wie das Braunkohlekraftwerk Bonavici aus, dessen Finanzierung sich derzeit in der Schwebe befindet. Auch in Bosnien übernehmen die China Exim Bank und China Development Bank die Finanzierung vieler Bauprojekte.

Ausgewählte Auslandsprojekte chinesischer Firmen in Bosnien und Herzegowina (Projektwert in Millionen Euro)

Projekt

Wert

Firmen (Mutterkonzern)

Anmerkungen

Tuzla 450MW Kohlekraftwerk

722

Gezhouba Group

Finanzierung durch China Exim Bank; Vertrag 2014, Baubeginn 2020

Ugljevik III Kraftwerk (2x350 MW) und Tagebau

700

China National Electric Engineering Company (Sinomach)

Finanziert durch China Development Bank; Vertrag Juli 2021

Braunkohlekraftwerk Bonavici (350 MW)

450

Dongfang Electric

Finanziert durch ICBC China; angekündigt 2013, mehrmals verschoben, Finanzierungsschwierigkeiten

Stanari Kohlekraftwerk (300 MW)

350

Dongfang Electric

Finanziert durch China Development Bank; erstes Projekt im Rahmen der 16+1 Initiative; Inbetriebnahme 2016

Banja Luka-Prijedor Autobahn

297

Shandong Hi-Speed Group

Vierspurig, 42 km, 7 Tunnel, 35 Brücken; Vertrag 2017, Baubeginn 2021 (36 Monate)

Banja Luk-Novi Grad-Dobrljin 

265

Shandong Hi-Speed Group

110 km Bahnstrecke; vereinbart 2017, noch kein Baubeginn

Dabar Wasserkraftwerk

240

Gezhouba Group

Finanzierung durch China Exim Bank; Trebinje Region; 160 MW; Vertrag vom 04.05.20

Buk Bijela Wasserkraftwerk (93,52 MW)

200

China National Aero-Technology International Engineering

Finanzierung durch China Exim Bank; Wasserkraftwerk über dem Fluss Drina in der Republika Srpska; vereinbart 2017

Čapljina Autobahn

100

China State Construction, PowerChina

Bau eines 10 km langen Streckenabschnittes mit Brücken; Teil des Paneuropäischen Korridors V

Wasserkraftwerk Bistrica

90

China National Aero-Technology International Engineering

Vertrag 2019

Ulog Wasserkraftwerk (34,44 MW)

70

PowerChina

Baubeginn 2019, geplante Fertigstellung März 2024

Flughafen Trebinje

50

China National Aero-Technology International Engineering

Neubau Flughafen in Republika Srbska; Vertrag 2019, im Bau

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Balkan Investigative Reporting Network

Chinesische Firmen bauen Straßen in Montenegro und Nordmazedonien

Geringer fällt das chinesische Engagement in den kleineren Balkanstaaten Montenegro und Nordmazedonien aus. Aber auch dort konnten sich Sinohydro und andere chinesische Firmen Aufträge sichern, speziell in den Bereichen Straßenbau, Wasserkraft und Windkraft. Das Kohlekraftwerk Pljevlia in Montenegro soll bis 2023 an europäische Standards angepasst werden. Auftragnehmer ist die chinesische Dongfang Electric Corporation.

Die Bar-Boljare-Autobahn in Montenegro machte im vergangenen Jahr international Schlagzeilen. Das Land hatte sich trotz negativer Machbarkeitsstudien der EU für die Umsetzung des komplizierten Projektes entschieden, das eine gefährliche Serpentinenroute ersetzen soll. Dafür wurde bei der China Exim Bank ein Kredit in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar aufgenommen. Nachdem die montenegrinische Regierung im Jahr 2021 Schwierigkeiten bekommen hatte, den Kredit zu bedienen, schloss sie ein Abkommen mit drei westlichen Banken, mit dem die Rückzahlungszinsen halbiert werden konnten.

Ausgewählte Auslandsprojekte chinesischer Firmen in Montenegro and Nordmazedonien (Projektwert in Millionen Euro)

Land

Projekt

Wert

Firmen (Mutterkonzern)

Anmerkungen

Nordmazedonien

Kicevo-Ohrid Autobahn

370

Sinohydro

Finanziert durch China Exim Bank; 56,6 km Teil vom europäischen Korridor VIII; Baubeginn Mai 2014

Nordmazedonien

Miladinovci-Stip Autobahn

203

Sinohydro

Finanziert durch China Exim Bank; vereinbart 2013, eröffnet 2019

Nordmazedonien

Kozjak Wasserkraftwerk (2x40 MW)

150

China International Water & Electric Corporation (Three Georges Group)

Finanziert durch Bank of China; Juni 2004 Inbetriebnahme; Erweiterung auf 100 MW 2009

Montenegro

Bar-Boljare Autobahn

867

China Road and Bridge Corporation (CCCC)

Finanziert durch China Exim Bank; Gesamtlänge 180 km; Baubeginn 2015, Fertigstellung 2022

Montenegro

Mozura Windpark (23x2 MW)

87

Shanghai Electric, Enemalta

Inbetriebnahme 2019.

Montenegro

Umbau des Kohlekraftwerks Pljevlja I

55

Dongfang Electric 

Anpassung an EU-Standards; Vertrag Juni 2021, Umsetzung bis 2023

Montenegro

Renovierung der Straße M2 zwischen Tivat-Budva

 k.A.

China Civil Engineering Construction

Vertrag Juli 2021

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Balkan Investigative Reporting Network

In Albanien und im Kosovo ist China kaum aktiv

In Albanien hält sich das chinesische Engagement im Bausektor in Grenzen. Die chinesische Geo-Jade Petroleum Corporation kaufte im Jahr 2016 Albaniens einziges Ölfeld von seinem kanadischen Vorbesitzer. Chinas größter Kupferkonzern Jiangxi Copper Corporation hält 50 Prozent der Anteile am türkischen Bergbaukonzern Nesko Metal und ist darüber auch an Albaniens Ölfeldern beteiligt. Zwischen 2016 und 2020 war der Flughafen Tirana im Besitz der China Evergrande Group, bevor der albanische Ölkonzern Kastrati den Flughafen zurückkaufte. Größere chinesische Bauprojekte finden sich in dem Land dagegen nicht.

Wenig transparent sind Chinas wirtschaftliche Aktivitäten in Kosovo. Die Volksrepublik erkennt die Unabhängigkeit des Landes offiziell nicht an. Die beiden Länder handeln trotzdem miteinander, am Infrastrukturbau im Kosovo beteiligt sich China aber bislang nicht.

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