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Deutsche Wettbewerbsposition | Kfz-Industrie

"Produktionsstandort Deutschland braucht Auslandsaktivitäten"

Deutschland ist größter Fahrzeugexporteur der Welt. Gleichzeitig steigt die Produktion im Ausland. Ein Interview mit Angela Mans vom Verband der Automobilindustrie.

Von Sofia Hempel, Fabian Möpert | Bonn, Berlin

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) ist der mitgliederstärkste Spitzenverband der deutschen Kfz-Branche. Im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI) spricht Angela Mans, Leiterin Außenwirtschaft beim VDA, über die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie.

Angela Mans, Leiterin Außenwirtschaft beim VDA Angela Mans, Leiterin Außenwirtschaft beim VDA | © VDA

Frau Mans, Deutschland ist in der Kfz-Industrie nach wie vor Exportweltmeister. Gleichzeitig wurden 2021 landesweit so wenige Autos produziert wie seit Mitte der 1970er Jahre nicht mehr. Wie viel ist der Titel des Exportweltmeisters wert?

Auf den Titel können wir stolz sein. Kein anderes Land exportiert so viele Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile. Im Jahr 2021 waren das Waren im Wert von 227 Milliarden Euro und damit 12 Prozent mehr als im ersten Coronajahr 2020. 

Und: Kaum ein Land hat eine so offene Volkswirtschaft. Auch die Importe unserer Branche stiegen 2021, konkret um 3 Prozent auf 120,2 Milliarden Euro, wobei vor allem Teile und Zubehör mit 9,2 Prozent zulegten. Übrigens: Mehr als jeder zweite in Deutschland neu zugelassene Pkw kommt aus dem Ausland, hierzu zählen auch die im Ausland produzierten Fahrzeuge deutscher Hersteller.

Diese Offenheit macht unsere Industrie wettbewerbsfähig und resilient. Tendenzen der Abschottung schaden allen. Wir sehen es kritisch, wenn andere Länder und Regionen den Marktzugang erschweren. Wir brauchen Handel und grenzüberschreitende Investitionen, auch um die Ziele der Transformation und Nachhaltigkeit zu erreichen.

Welche Rolle spielt China?

China hat mit über 20 Millionen neu zugelassenen Pkw im Jahr inzwischen den weltgrößten Einzelmarkt. Im Vergleich dazu: In den USA sind es knapp 15 Millionen "Light Vehicles", in der EU knapp 12 Millionen Pkw (2021). Deutsche Hersteller haben in China einen Marktanteil von rund 20 Prozent, 2021 haben sie dort 4,3 Millionen Fahrzeuge verkauft.

Dank der guten Marktposition ist China auch der größte Abnehmer für Ausfuhren deutscher Hersteller und Zulieferer. Sie exportierten 2021 Waren im Wert von über 30 Milliarden Euro nach China – umgekehrt wurden automobile Produkte im Wert von lediglich 3,5 Milliarden Euro importiert. Wir haben trotz der Produktion vor Ort einen enormen Handelsüberschuss.

Wir brauchen - natürlich unter Beachtung aller politischen und zu diskutierenden Rahmenbedingungen - China. Dort sind wichtige Rohstoffe vorhanden und gleichzeitig gibt es enormes Potenzial, klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. Umso wichtiger ist es, im Rahmen der neuen China-Strategie der Bundesregierung und der EU ein konstruktives Miteinander zu ermöglichen.

Die Automobilproduktion ist global aufgestellt. Wird das in der Krise ein Problem?

Exporte und lokale Produktion haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gut ergänzt und konnten gesteigert werden. Die Exportquote, der Anteil der Ausfuhren an der Gesamtproduktion im Inland, ist kontinuierlich gestiegen. Sie lag in den 1980er Jahren noch unter 60 Prozent (1984: 59 Prozent), 2021 waren es 76,8 Prozent.

Gleichzeitig legte die Auslandsproduktion deutlich zu: Seit 2009 werden im Ausland mehr Pkw produziert als in Deutschland, inzwischen sind es drei Viertel der Gesamtproduktion. Im Jahr 2021 haben deutsche Hersteller insgesamt weltweit 12,5 Millionen Pkw produziert, davon 9,5 Millionen im Ausland.

Der Produktionsstandort Deutschland und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit brauchen diese Auslandsaktivitäten, tragen sie doch wesentlich zum Ausgleich konjunktureller und politischer Risiken bei. Sie stärken die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte auch über das weltweit vernetzte Produktionsmodell.

Wie werden sich die deutschen Kfz-Exporte in den kommenden Jahren entwickeln?

Die Exportstärke der Automobilindustrie ist eine Stärke Deutschlands. Sie braucht entsprechende Rahmenbedingungen, um sich zu entfalten. Standorte entstehen dort, wo die Märkte und das Umfeld attraktiv sind. Eine zu hohe Kostenbelastung, überbordende Bürokratie und eine potenzielle Überfrachtung der Handelspolitik mit anderen Zielen stellen zunehmend Herausforderungen dar.

Hinzu kommen die Coronakrise, die geopolitischen Konflikte und der schreckliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Es gibt Knappheiten bei Rohstoffen, Energie, Vorleistungen, Arbeitskräften und Dienstleistungen. Dazu gesellen sich Inflation und Zinsanstieg. Einen solchen Mix aus negativen Einflussfaktoren haben wir bisher noch nicht gesehen. Das belastet den Exportstandort Deutschland. Um Exportweltmeister im Automobilsektor zu bleiben, sind enorme Anstrengungen und Reformen notwendig.

Welche sind das genau?

Wir brauchen Freihandelsabkommen mit wichtigen Märkten und verlässlichen Partnern. Unsere Partner dürfen den fairen Marktzugang nicht erschweren. In den USA gibt es beispielsweise Pläne, die Förderung der Elektromobilität an Bedingungen einer lokalen Produktion zu knüpfen. Das lehnen wir entschieden ab.

Wichtig ist auch, wie sich die Märkte für Elektromobilität entwickeln. Bisher dominiert auch hier China. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Voraussetzungen für die Anwendung von Freihandelsabkommen erfüllbar sein. Hier stellen die Ursprungsregeln eine besondere Herausforderung dar, weil ein Großteil der Batterien bislang nicht in der EU hergestellt wird. Auch diese Tatsache muss bei der Ausgestaltung von Abkommen mehr berücksichtigt werden.  

In den Schwellenländern China, Indien, Mexiko und Brasilien wurden 2021 mehr Autos gebaut als insgesamt in den USA, Japan, Deutschland und Spanien. Was bedeutet das für unsere Automobilindustrie?

Am Aufbau der Produktion in den Schwellenländern war und ist die deutsche Automobilindustrie maßgeblich beteiligt. Mit über 2.500 Produktionsstätten außerhalb Deutschlands sind deutsche Hersteller und Zulieferer global präsent. Der Standort Deutschland profitiert dabei auch von der Auslandsproduktion.

Gleichzeitig stellt die Transformation hin zu emissionsfreier Mobilität neue Anforderungen an den Standort Deutschland: Die Wertschöpfungsketten verändern sich dramatisch, was sich auf die Beschäftigung auswirkt. Eine vom europäischen Zulieferverband CLEPA beauftragte Studie sieht einen potenziellen Verlust von 500.000 Arbeitsplätzen in der EU, sollte ein radikaler Wandel mit beschleunigter Elektrifizierung umgesetzt werden. Auch bei Berücksichtigung neu entstehender Arbeitsplätze liegt der Nettoverlust bei voraussichtlich 275.000 Arbeitsplätzen.

Wie werden die Megatrends wie Elektromobilität und automatisiertes Fahren die globale Stellung deutscher Autobauer verändern?

Deutschland hält in der Transformation einen Spitzenplatz: Mit über 50 Prozent der weltweiten Patente bei Zukunftsthemen wie dem vernetzten und automatisierten Fahren, sichert die deutsche Automobilindustrie ihre internationale Technologieführerschaft.

Auch bei der Umsetzung der Elektromobilität sind wir weltweit vorne. Deutschland ist nach China der zweitgrößte Markt für Elektromobilität. China und die EU kamen 2021 zusammen auf 87 Prozent des Weltmarktes für Elektroautos. Aus dieser Perspektive bleibt es Daueraufgabe für die Unternehmen und die deutsche und europäische Politik, unsere Technologieführerschaft zu wahren - und Innovationen zu ermöglichen und entsprechend zu fördern.

Verband der Automobilindustrie

Der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) vereint mehr als 650 Hersteller und Zulieferer unter einem Dach. Er ist damit der wichtigste Spitzenverband des deutschen Kraftfahrzeugbaus und vertritt die Interessen seiner Mitglieder in Deutschland und Europa.

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