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Insolvenzrecht

Germany Trade & Invest (Stand: 30.12.2019)

Ein deutscher Dienstleistungsempfänger kann unter Umständen damit konfrontiert werden, dass der von ihm gewählte griechische Dienstleister in die Insolvenz gerät. Dies kann beispielsweise für noch bestehende Rückzahlungsansprüche oder offene Ansprüche auf Nachbesserung, Gewährleistung, ggf.--gegebenenfalls auch für noch ausstehende Wartungsarbeiten von Bedeutung sein. Vor diesem Hintergrund wird ein kurzer Überblick über das griechische Insolvenzverfahren wichtig.

Solvenzprüfung im Vorfeld

Bereits vor Abschluss eines Vertrages ist es empfehlenswert, einschlägige Informationen über den potentiellen Geschäftspartner in Griechenland einzuholen.

Für die Überprüfung der Bonität kann der deutsche Dienstleistungsempfänger das Allgemeine Handelsregister konsultieren. Wurde ein Insolvenzverfahren o.ä.--oder ähnliches eröffnet, so wird dies im Allgemeinen Handelsregister (Γενικό Εμπορικό Μητρώο, kurz: ΓΕΜΗ) eingetragen. Das Allgemeine Handelsregister bescheinigt die Solvenz oder Insolvenz des Dienstleistungserbringers und bescheinigt gegebenenfalls, dass keine Verfahren, die im Falle finanzieller Schwierigkeiten angestoßen werden können, anhängig sind. Darüber hinaus kann man über eine Online-Suchmaske des Allgemeinen Handelsregisters verschiedene Unternehmensinformationen recherchieren. Näheres hierzu bietet der Abschnitt "Register" dieses Länderberichts.

Informationen zum Insolvenzregister bietet ebenfalls der Abschnitt "Register" dieses Länderberichts.

Gesetzlicher Rahmen des Insolvenzrechts

Mit dem Gesetz Nr.--Nummer 3588/2007 (Insolvenzordnung) wurde das griechische Insolvenzrecht umfassend reformiert, wobei die Insolvenzordnung (Πτωχευτικός Κώδικας) weiterhin ständigen Änderungen unterliegt, insbesondere durch die Gesetze 3588/2010, 4013/2011, 4336/2015, 4446/2016, 4472/2017, 4491/2017 und 4512/2018 .

Die griechische Insolvenzordnung sieht neben dem "normalen" Planinsolvenzverfahren (πτωχευτική διαδικασία; Artikel 1-98 des Gesetzes 3588/2007) verschiedene Verfahren im Falle einer (drohenden) Insolvenz vor:

  • Sanierungsverfahren (προπτωχευτική διαδικασία εξυγίανσης) (Artikel 99-106ι Gesetz 3588/2007): Der Schuldner kann es bereits einleiten, wenn er sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen Gläubigern und Schuldner, die von einem Gericht ratifiziert werden muss. Ziel ist es, die Insolvenz zu verhindern.
  • Ein Restrukturierungsplan nach Artikeln 107 – 131 des Gesetzes 3588/2007, der durch das zuständige Gericht und die Gläubiger genehmigt werden muss. Dieses Verfahren kann erst nach der Insolvenz beginnen.
  • Sonderverwaltung nach den Vorschriften der Artikel 68 ff des Gesetzes 4307/2014 – die maximale Länge eines solchen Arrangements wurde durch Gesetz 4599/2019 auf 18 Monate verlängert.
  • vereinfachtes Insolvenzverfahren (απλοποιημένη διαδικασία επί πτωχεύσεων μικρού αντικειμένου) (Artikel 162 ff.--folgende Insolvenzordnung, erheblich geändert durch Gesetz 4472/2017): Es kommt dann zur Anwendung, wenn mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sind: Bilanzsumme bis 150.000 Euro, Nettoumsatz bis 200.000 Euro, durchschnittlich maximal fünf Beschäftigte.

Im Folgenden soll nur auf das "normale" Planinsolvenzverfahren eingegangen werden.

Die Verfahren nach der Insolvenzordnung finden auf Kaufleute (έμπορος) und Personenvereinigungen (ένωση προσώπων) mit Rechtspersönlichkeit, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, Anwendung (Artikel 2 Insolvenzordnung). Dies gilt insbesondere auch für griechische Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und private Kapitalgesellschaften (Artikel 96 ff. Insolvenzordnung) (Einzelheiten zu den Gesellschaftsformen enthält der Abschnitt Gesellschaftsrecht dieses Länderberichts). Privatinsolvenzen richten sich nach den Vorschriften des Gesetzes Nr. 3869/2010 in seiner aktuellen Fassung.

Die Insolvenz eines griechischen Unternehmers oder Unternehmens setzt die (drohende) (Zahlungsunfähigkeit (παύση πληρωμών) voraus, d.h. dass die Unternehmensverbindlichkeiten dauerhaft nicht mehr erfüllt werden können und daher das Unternehmen seine Zahlungen einstellt (Artikel 3 Insolvenzordnung).

Der Schuldner ist verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhafte Verzögerung, spätestens aber innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Feststellung der eigenen Zahlungsunfähigkeit zu stellen (Artikel 5 Absatz 2 Insolvenzordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 4013/11) zu stellen. Neben dem Schuldner kann der Insolvenzantrag auch durch die Gläubiger gestellt werden, die hieran ein legitimes Interesse haben, was in der Regel eine fällige Forderung ist (Artikel 5 Absatz 1 Insolvenzordnung).

Der Insolvenzantrag ist beim zuständigen Insolvenzgericht (πτωχευτικό δικαστήριο) zu stellen, welches in Griechenland das Gericht erster Instanz in Besetzung mit mehreren Richtern (πολυμελές πρωτοδικείο) ist (Artikel 4 Insolvenzordnung). Örtlich zuständig ist das Insolvenzgericht des Gerichtsbezirks, in dem der Schuldner das Zentrum seiner Interessen hat (Artikel 4 Absatz 1 Insolvenzordnung). Bei juristischen Personen ist dies gewöhnlich der Sitz des insolventen Unternehmens aus Griechenland (Artikel 4 Absatz 2 Insolvenzordnung). Das Insolvenzgericht Im Insolvenzverfahren entscheidet über den Insolvenzantrag unter Anwendung der Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit (εκούσια δικαιοδοσία), die in den Artikeln 741 ff. der griechischen Zivilprozessordnung (Κώδικας Πολιτικής Δικονομίας) geregelt sind (Artikel 4 Absatz 3 Insolvenzordnung).

Das griechische Insolvenzgericht prüft sodann von Amts wegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Liegen die Voraussetzungen vor, reichen insbesondere die verbliebenen Vermögenswerte aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken, erklärt es den Schuldner für insolvent (απόφαση που κηρύσσει την πτώχευση). Mit der Entscheidung ernennt das Insolvenzgericht einen Richter als Berichterstatter (εισηγητή) (Artikel 58 ff. Insolvenzordnung) und einen Insolvenzverwalter (σύνδικος πτώχευσης) (Artikel 63 ff. Insolvenzordnung). Darüber hinaus ordnet es die Versiegelung der Insolvenzmasse (πτωχευτική περιουσία) an (Artikel 7 Absatz 1 Satz 1 Insolvenzordnung). Einzelheiten zur Versiegelung enthält Artikel 11 Insolvenzordnung. 

Eine Zusammenfassung der Entscheidung wird im Bericht der Gerichtsveröffentlichungen (Δελτίο Δικαστικών Δημοσιεύσεων) des Rechtsfonds (Ταμείο Νομικών) veröffentlicht (Artikel 8 Absatz 1 Satz 1 Insolvenzordnung). 

Der Insolvenzverwalter erstellt ein Vermögensverzeichnis (απογραφή). Dieses erhalten neben dem richterlichen Berichterstatter all diejenigen, die ein Interesse daran haben (Artikel 68 Insolvenzordnung). Darüber hinaus informiert er den richterlichen Berichterstatter über den Zustand der Insolvenzmasse (Artikel 69 Insolvenzordnung). Außerdem muss er für die Gläubigerversammlung einen Bericht (έθεση του συνδίκου) vorlegen. Dieser enthält Informationen zur finanziellen Situation des Schuldners und zu den Gründen der Insolvenz, zu den Aussichten, das Unternehmen vollständig oder teilweise weiterzuführen sowie zum Potential eines möglichen Insolvenzplans (σχέδιο αναδιοργάνωσης), der sich nach den Artikeln 107 ff. Insolvenzordnung richtet (Artikel 70 Insolvenzordnung).

Anmeldung von Forderungen

Daraufhin müssen die Gläubiger ihre Forderungen anmelden und nachweisen. Die Frist für die Forderungsanmeldung beträgt regelmäßig einen Monat, beginnend mit der Bekanntmachung des Insolvenzbeschlusses im Bericht der Gerichtsveröffentlichungen (Δελτίο Δικαστικών Δημοσιεύσεων) des Rechtsfonds (Ταμείο Νομικών) (Artikel 90 Absatz 1 Insolvenzordnung). Die Forderungsanmeldung wird schriftlich beim Sekretär für Insolvenzen (γραμματέα των πτωχεύσεων) eingereicht (Artikel 91 Absatz 1 Insolvenzordnung). Was sie enthalten muss, präzisiert Artikel 91 Absatz 2 Insolvenzordnung. Hat der Gläubiger seinen (Wohn-) Sitz nicht in Griechenland und meldet er eine Forderung in einem in Griechenland stattfindenden Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahren an, so muss die Anmeldung in griechischer Sprache erfolgen oder eine entsprechende Übersetzung ins Griechische vorgelegt werden (Artikel 91 Absatz 3 Insolvenzordnung). Der gerade genannte Gläubiger muss seine Forderung nicht anmelden, wenn der Insolvenzverwalter des Haupt- oder Sekundärverfahrens sie bereits angemeldet hat (Artikel 91 Absatz 4 Insolvenzordnung).

Nach Ablauf der Anmeldefrist erstellt der Insolvenzverwalter eine Liste mit allen Gläubigern (πίνακας) und ihren Forderungen und übergibt diese dem Sekretär für Insolvenzen und dem richterlichen Berichterstatter (Artikel 90 Absatz 3 Insolvenzordnung). Auch jeder Gläubiger darf diese Tabelle erhalten und kann bis zum Tag, bevor der Insolvenzverwalter mit der Prüfung beginnen soll, widersprechen (Artikel 90 Absatz 4 Insolvenzordnung). Die Prüfung erfolgt durch den Insolvenzverwalter und richtet sich nach den Artikeln 93 ff.--folgende Insolvenzordnung.


Weiterführende Informationen

Nachdem der Insolvenzverwalter die berechtigten Forderungen festgestellt und die Teilungsliste (πίνακας διανομής) erstellt hat, kommt es nach Veräußerung des ganzen Unternehmens oder von Teilen des Unternehmensvermögens zur Verteilung des erzielten Erlöses (Artikel 153 Insolvenzordnung). Zuvor werden allerdings die gerichtlichen Kosten und die Kosten für die Verwaltung der Insolvenzmasse beglichen. Hierzu zählt insbesondere die Vergütung des Insolvenzverwalters. Diese wird vom Insolvenzgericht nach Artikel 81 Insolvenzordnung festgelegt. Danach werden allgemein bevorzugte Gläubiger (γενικοί προνομιούχοι πιστωτές) (Artikel 21 Absatz 1 lit. β Insolvenzordnung) befriedigt. Hierzu zählen Gläubiger, die Inhaber von den in Artikel 154 Insolvenzordnung aufgezählten Forderungen sind. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Forderungen, die zur Finanzierung des Schuldners zur Fortführung des Unternehmens auf Grundlage einer Sanierungsvereinbarung (συμφωνία εξυγίανσης) oder eines Insolvenzplanes (σχέδιο αναδιοργάνωσης) entstanden sind, offene Lohnforderungen von Arbeitnehmern, die in den zwei Jahren vor der Insolvenz entstanden sind sowie Forderungen der Finanzbehörden und Sozialversicherungsbehörden. Im Anschluss kommen Gläubiger mit gesicherten Forderungen (ενέγγυοι πιστωτές) nach den Artikeln 155 ff.--folgende Insolvenzordnung zum Zuge (Artikel 21 Absatz 1 lit. γ Insolvenzordnung). Erst danach erhalten Gläubiger mit ungesicherten Forderungen (ανέγγυοι πιστωτές) ihren Anteil aus der verbleibenden Insolvenzmasse (Artikel 21 Absatz 1 lit. α Insolvenzordnung).

Germany Trade & Invest (Stand: 30.12.2019)

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