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Special Indien Krieg in der Ukraine

Wirtschaftliche Verflechtungen mit Russland und der Ukraine gering

Indien ist im Handel kaum von beiden Ländern abhängig. Der Krieg hat dennoch Auswirkungen auf die indische Volkswirtschaft, vor allem über den Ölpreis.

Von Florian Wenke | Mumbai

Eigentlich standen in Indien die Zeichen auf Erholung der Konjunktur. Der Krieg in der Ukraine hat dieser einen Dämpfer versetzt, die Aussichten bleiben aber vergleichsweise gut. Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland und der Ukraine sind gering. Laut UN Comtrade lag das Handelsvolumen Indiens mit der Ukraine 2021 bei 3,1 Milliarden US-Dollar (US$). Das waren 0,3 Prozent des gesamten indischen Außenhandels. Der Handel mit Russland erreichte im selben Jahr einen Wert von 12,0 Milliarden US$ - 1,2 Prozent des indischen Außenhandels. Beide Länder spielen für den Import eine deutlich größere Rolle als für den Export.     

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Beim Import von Sonnenblumenöl ist Indien stark von der Ukraine abhängig. Der Subkontinent führt rund drei Viertel seines Bedarfs von dort ein. Nun sind die Preise deutlich gestiegen und das Angebot ist knapp. Ohnehin möchte Indien unabhängiger von Speiseölimporten werden. Diese Bemühungen könnten Auftrieb bekommen. Die Ukraine spielt auch eine wichtige Rolle bei der Produktion von Düngemitteln. Sie liefert einen Anteil von 15 beziehungsweise 8 Prozent an den indischen Gesamtimporten von Ammoniak und Harnstoff.    

Wichtige indische Importe aus der Ukraine 2021 (in Millionen US-Dollar, Anteile in Prozent)

Warenkategorie und SITC Kennung

Importwert

Anteil an den Importen aus der Ukraine

Anteil an den Gesamtimporten in dieser Warenkategorie

Sonnenblumenöl, Safloröl und deren Fraktionen (rohe Öle) (421.51)

1.832,5

70,5

76,5

Harnstoff (562.16)

340,1

13,1

8,2

Ammoniak (522.61)

198,7

7,6

15,1

Kork und Holz (24)

33,5

1,6

2,3

Insgesamt (0 bis 9)

2.599,7

100

0,5

Quelle: UN Comtrade 2022

Als Absatzmarkt ist die Ukraine von geringer Bedeutung. Ein Rückgang der Ausfuhren ist für die indische Wirtschaft zu verschmerzen. 

Wichtige indische Exporte in die Ukraine 2021 (in Millionen US-Dollar, Anteile in Prozent)

Warenkategorie und SITC Kennung

Exportwert

Anteil an den Exporten in die Ukraine

Anteil an den Gesamtexporten in dieser Warenkategorie

Medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse (54)

157,9

31,0

0,7

Nachrichtentechnik/Radio/TV (76)

24,8

4,9

0,3

Eisen und Stahl (67)

24,7

4,8

0,1

Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze (07)

22,9

4,5

0,5

Sonstige Chemikalien (54)

22,2

4,4

0,3

Insgesamt (0 bis 9)

509,9

100

0,1

Quelle: UN Comtrade 2022

New Delhi unterhält traditionell gute Beziehungen zu Moskau, und auch aktuell ist Indien um Neutralität bemüht. Außenwirtschaftlich sind beide Länder trotzdem nicht eng verbunden. Im Dezember 2021 hatte die indische Regierung noch das Ziel ausgegeben, den Handel mit Russland bis 2025 auf 50 Milliarden US$ zu steigern. Eingeführt werden hauptsächlich Erdöl, petrochemische Erzeugnisse und Kohle. Außer bei zweitgenannten hat Russland geringe Lieferanteile. Bisher macht die indische Regierung keine Anstalten, vom Handel mit Russland abzusehen. Vielmehr nutzt das Land beispielsweise die prekäre Lage Russlands, um sich Öl zu vergünstigten Preisen zu beschaffen.    

Wichtige indische Importe aus Russland 2021 (in Millionen US-Dollar, Anteile in Prozent)

Warenkategorie und SITC Kennung

Importwert

Anteil an den Importen aus Russland

Anteil an den Gesamtimporten in dieser Warenkategorie

Erdöl (333)

2.309,8

26,6

2,2

Petrochemie (334)

1.186,8

13,6

12,2

Kohle (32)

1.124,2

12,9

4,2

Diamanten (667.2)

843,8

9,7

3,2

Düngemittel (56)

484,6

5,6

5,3

Gold (971)

323,7

3,7

0,6

Insgesamt (0 bis 9)

8.695,0

100

1,5

Quelle: UN Comtrade 2022

Die Exporte sind von überschaubarem Wert. Lediglich im Bereich Nachrichtentechnik/Radio/TV sowie bei Kaffee, Tee, Kakao und Gewürzen gehen größere Anteile der Gesamtexporte nach Russland.

Wichtige indische Exporte nach Russland 2021 (in Millionen US-Dollar, Anteile in Prozent)

Warenkategorie und SITC Kennung

Exportwert

Anteil an den Exporten nach Russland

Anteil an den Gesamtexporten in dieser Warenkategorie

Medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse (54)

552,3

16,6

2,6

Nachrichtentechnik/Radio/TV (76)

412,1

12,4

5,7

Organische Chemikalien (51)

238,3

7,1

1,2

Eisen und Stahl (67)

210,8

6,3

0,9

Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze (07)

163,2

4,9

3,5

Fische (03)

129,7

3,9

1,7

Insgesamt (0 bis 9)

3.334,3

100

0,8

Quelle: UN Comtrade 2022

Indien hat keine Freihandelsabkommen mit der Ukraine oder Russland abgeschlossen. Seit 2020 gibt es Gespräche über ein mögliches Abkommen zwischen Indien und der Russland umfassenden Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Die Verhandlungen sollten 2022 intensiviert werden, liegen nun allerdings vorerst auf Eis.  

Ausländische Direktinvestitionen sind gering

Das indische Ministry of Commerce and Industry meldet für April 2020 bis Dezember 2021 ausländische Direktinvestitionen (FDI) aus Russland in Höhe von 1,3 Milliarden US$. Das sind weniger als 1 Prozent der gesamten FDI im Betrachtungszeitraum. Aus der Ukraine flossen im selben Zeitraum 9,8 Millionen US$ nach Indien.

Von April 2020 bis Februar 2022 investierte Indien 5 Millionen US$ direkt in der Ukraine. Gleichzeitig betrugen die indischen FDI in Russland 7,7 Milliarden US$. Das Geld floss unter anderem in den Rohstoffsektor. Im Dezember 2021 hatte Indiens Regierung das Ziel von 50 Milliarden US$ an bilateralen Investitionen bis 2025 ausgegeben. Dieses dürfte jetzt in weite Ferne rücken.

Ölpreis bereitet Sorge 

Indien importiert mehr als 80 Prozent seines Ölbedarfs. Im Oktober 2021 schrieb die Zentralbank RBI (Reserve Bank of India), dass ein zehnprozentiger Anstieg des Ölpreises das Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozentpunkte senkt. Die Volkswirte legten ihren Berechnungen einen Preis von 75 US$ pro Barrel zugrunde. Erste Beobachter korrigierten bereits ihre Wachstumsprognosen nach unten. India Ratings and Research sieht das reale Wirtschaftswachstum für das am 1. April 2022 gestartete Finanzjahr 2022/2023 nun bei 7,0 bis 7,2 Prozent anstatt der bisher prognostizierten 7,6 Prozent.

Der Inflationsdruck wird durch den Krieg ebenfalls erhöht. Im Februar 2022 lag die Preissteigerung bei 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nomura geht davon aus, dass eine Rohölpreissteigerung um 10 Prozent für einen Anstieg der Inflation um 0,4 Prozentpunkte sorgt (Basis 75 US$ pro Barrel). Steigende Preise stellen die RBI vor Herausforderungen. Bisher hat sie den Leitzins bei 4 Prozent belassen, auch um die Wirtschaft weiter zu stützen. Ob die fiskalpolitischen Tauben innerhalb der RBI in Anbetracht der steigenden Inflation die Oberhand behalten, wird sich zeigen.  

Weil Öl das wertmäßig bedeutendste Importgut für Indien ist, hat der Preisanstieg merkliche Auswirkungen auf die Leistungsbilanz. Laut Angaben der Deutschen Bank sorgt ein Preisanstieg von 10 Prozent für eine Verschlechterung des Leistungsbilanzsaldos um 0,4 Prozentpunkte als Anteil des Bruttoinlandsprodukts (Basis 75 US$ pro Barrel). Die Bank sieht die Möglichkeit, dass infolge eines Zahlungsbilanzdefizits auch die Leistungsbilanz in den negativen Bereich rutscht. Das erhöht den Abwertungsdruck auf die indische Währung. In Krisenzeiten flüchten Anleger ohnehin aus Entwicklungsländern und bevorzugen Anlagemöglichkeiten mit weniger Risiko. 

Für den Staatshaushalt plant die Regierung mit einem Defizit in Höhe von 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Durch große Staatsunternehmen (Oil Marketing Companies) wie Indian Oil, Bharat Petroleum oder Hindustan Petroleum sieht sie sich nun direkt mit steigenden Importkosten konfrontiert. Weil die Unternehmen die Preise nicht abrupt erhöhen und Diesel sowie Benzin teilweise mit Verlust weiterverkaufen, bleibt der Staat auf der Differenz sitzen. Gleichzeitig steigt der Druck, die Folgen des Krieges für Unternehmen und Verbraucher zu mildern. Es wird daher schwer, das Fiskaldefizit unter Kontrolle zu behalten, ohne einen Blick auf die Ausgaben zu werfen.  

Weizenexporteure sehen Chancen

Indien ist ein großer Nahrungsmittelproduzent, unter anderem von Weizen. Jetzt hofft das Land, von gestiegenen Preisen und ausbleibenden Lieferungen anderer Exporteure profitieren zu können. Ausfuhren von 10 Millionen bis 12 Millionen Tonnen im laufenden Finanzjahr 2022/2023 werden als möglich genannt. Branchenkenner prognostizieren jedoch ein vorsichtiges Vorgehen. Zu stark ist Indien darauf bedacht, die eigene Versorgung sicherzustellen.

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