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Interview | Zentralasien | Architektur

"Eine zentrale Herausforderung ist die schnelle Urbanisierung"

Moderne Architektur trifft in den Großstädten Zentralasiens auf lokale Identität, auch dank internationaler Entwürfe. Dabei mischt ein Düsseldorfer Architekturbüro erfolgreich mit.

Von Viktor Ebel | Almaty

Ruprecht Melder, Director, Chapman Taylor Düsseldorf, Interviewthema: Architektur in Zentralasien Ruprecht Melder, Director, Chapman Taylor Düsseldorf, Interviewthema: Architektur in Zentralasien | © Chapman Taylor Düsseldorf

Zentralasien ist eine Region im Wandel, sowohl gesellschaftlich und wirtschaftlich als auch architektonisch. Ausländische Firmen sind dazu eingeladen, die optische Transformation mitzugestalten. Was die Auftraggeber erwartet und wo Herausforderungen lauern, erzählt Ruprecht Melder, der das Düsseldorfer Büro der international tätigen Architekturfirma Chapman Taylor leitet.

Herr Melder, kürzlich wurde in der kasachischen Metropole Almaty ein neues Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet, das von Chapman Taylor entworfen wurde. Wie lange ist das Unternehmen schon in Zentralasien aktiv?

Unsere Präsenz in dieser Region ist nicht neu: Chapman Taylor ist bereits seit über 20 Jahren dort aktiv. Wir haben in dieser Zeit viele namhafte Projekte in Zentralasien realisiert – von Wohnungsbauprojekten in Usbekistan über gemischt genutzte Stadtentwicklungen bis hin zu Kultur- und Einzelhandelsobjekten in Kasachstan. Ein bekanntes Beispiel ist etwa das Shoppingcenter Mega Silk Way in Astana, das Einzelhandel, Gastronomie und Freizeitangebote vereint.

Sie leiten das Düsseldorfer Büro von Chapman Taylor, also recht weit weg von Zentralasien. Wie stark sind sie bei den Vorhaben dort eingebunden?

Ich selbst bin in alle Projekte in Zentralasien aufgrund meiner Rolle und unserer Bürostruktur involviert. Unser Unternehmen hat weltweit mehrere Studios, und wir koordinieren beziehungsweise planen gemeinschaftlich über Standorte hinweg. Welches Büro federführend ist, hängt stets vom jeweiligen Projektprofil ab. In Düsseldorf liegt unser Schwerpunkt auf Mischnutzung, Wohnungsbau sowie Einzelhandel, was sehr gut zu einem aktuellen Projekt in Kirgisistan passt.

An was für einem Projekt arbeitet das Düsseldorfer Büro derzeit in Kirgisistan?

Derzeit arbeiten wir an einem bedeutenden Wohnungsbauprojekt in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek: Wir planen zwei 18-geschossige Wohntürme, die auf einem zweigeschossigen Sockel errichtet werden. Dieser Sockel ist für Handelsflächen sowie ein Fitness-Studio vorgesehen.

Das klingt so, als ob der Trend in Richtung Mischnutzung geht?

Eine zentrale Herausforderung ist die schnelle Urbanisierung. Städte wachsen rasant. Gleichzeitig müssen aber auch die Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wachstum geschaffen werden. Wir möchten mit unseren Entwürfen nicht nur architektonisch überzeugen, sondern auch zur nachhaltigen Stadtentwicklung in der Region beitragen.

Durch diese Mischung schaffen wir ein lebendiges und vielseitig nutzbares Gebäudeensemble, das sowohl dem Wohnen als auch dem sozialen und gewerblichen Bedarf gerecht wird.

"Um die Qualität der Projekte zu sichern, werden starke lokale Partner benötigt, um Bauvorschriften, Genehmigungen und regulatorische Anforderungen einzuhalten."

Neben dem Spagat zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit, welche anderen Herausforderungen kennzeichnen den Markt?

Hinzu kommen die komplexen rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen, die sich je nach Land stark unterscheiden. Wir sind in Zentralasien hauptsächlich für die Gestaltung und die Ideen der Projekte, also den frühen Planungsphasen, zuständig. Um die Qualität der Projekte zu sichern, werden starke lokale Partner benötigt, um Bauvorschriften, Genehmigungen und regulatorische Anforderungen einzuhalten.

Der Preis dürfte auch eine Rolle spielen, oder?

Bauherrn beziehungsweise Investoren erwarten hochwertige, moderne Projekte, gleichzeitig sollen sie kosteneffizient realisiert werden. Daher ist es für die Qualität des Projektes wichtig, dass wir als verantwortlicher Entwerfer bis zum Schluss des Projektes dabeibleiben. Da wir viele Projekte im Ausland betreuen, können wir diese Herausforderungen durch kreative und flexible Planungsansätze meistern.

Das Museum in Almaty spielt mit den Kontrasten zwischen der Großstadt und den naheliegenden Bergen. Die Menschen in Zentralasien sind bekanntlich sehr stolz auf ihre Landschaften und ihre Geschichte, sind aber auch offen für Neues. Spiegelt sich das auch in den Architekturaufträgen wider?

Das Almaty Museum zeigt sehr gut, wie moderne Architektur und lokaler Kontext miteinander verbunden werden können: Die Kalksteinfassade greift die Nähe der Tian-Shan-Berge auf, während die vorgehängte Aluminiumfassade und das zeitgemäße Raumkonzept die urbane, zukunftsorientierte Entwicklung der Stadt widerspiegeln. Auch bei Wohn- und Mixed-Use-Projekten in Zentralasien beobachten wir, dass Auftraggeber einerseits großen Wert auf innovative, moderne Architektur legen, gleichzeitig aber die lokale Identität berücksichtigt sehen wollen.

Materialien, Formen und städtebauliche Bezüge greifen die Kultur und Geschichte auf, während die Innenräume funktional, flexibel und auf heutige Lebensweisen ausgerichtet sind.

"Auch bei Wohn- und Mixed-Use-Projekten in Zentralasien beobachten wir, dass Auftraggeber einerseits großen Wert auf innovative, moderne Architektur legen, gleichzeitig aber die lokale Identität berücksichtigt sehen wollen."

Einige der größten Design- und Planungsaufträge in Zentralasien dürften in naher Zukunft durch neue Skiresorts entstehen. Wie schätzen Sie diese Vorhaben ein?

Kirgistan hat ein enormes Potenzial im Skitourismus, der künftig eine noch größere wirtschaftliche Rolle spielen dürfte. Ich war vor kurzem im Rahmen einer vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Markterkundungsreise in Kirgisistan, bei der es auch Gespräche mit den Verantwortlichen des Projektes gab. Auch hier ist eine starke lokale Komponente in Form von Ethno-Dörfern geplant.

In diesem Bereich haben wir bereits Erfahrung in Kirgisistan. Für ein Resort am Issyk-Kul-See haben wir einen Masterplan entwickelt, bei dem besonders auf die landschaftliche und ökologische Sensibilität des Standorts geachtet wurde. Leider wurde dieser Masterplan aufgrund der Coronapandemie nicht weiterverfolgt.

Welche Eindrücke haben Sie von Ihrer letzten Reise mitgenommen?

Meine Eindrücke vor Ort waren durchweg positiv. Die Hauptstadt Bischkek ist eine äußerst dynamische Stadt, in der aktuell zahlreiche größere Neubauprojekte entstehen –  man spürt deutlich, dass sie sich in einer Phase starken Wachstums und einer umfassenden Modernisierung befindet.

Wie in den anderen zentralasiatischen Ländern habe ich auch hier die Menschen als außerordentlich nett, offen und sehr gastfreundlich erlebt. Das prägt jede Reise und macht die Zusammenarbeit in der Region besonders angenehm.

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