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Special | Kasachstan | Krieg in der Ukraine

Terminal für kasachisches Getreide am Roten Meer geplant

Der Ukrainekrieg bedroht die Weizenversorgung vieler Länder. In Afrika will Kasachstan einspringen und plant ein Logistikhub, um die Lieferausfälle teilweise zu kompensieren.

Von Jan Triebel | Almaty

Kasachischer Weizen könnte schon bald nach Ägypten und in andere afrikanische Länder geliefert werden. Um das Getreide von Schiffen auszuladen, zwischenzulagern und für den Weitertransport vorzubereiten, soll an der Küste des nordafrikanischen Landes am Roten Meer ein Logistikhub entstehen. Über dieses könnte Kasachstan zukünftig neben Weizen auch weitere Nahrungsgüter nach Afrika liefern. Entsprechende Pläne wurden Ende März 2022 bekannt.

Ägyptischer Hafen Ain Sokhna als Standort im Gespräch

Weitergehende Informationen zum geplanten Getreideterminal gibt es bislang kaum. Lediglich der Ort, der es in die engere Auswahl geschafft hat, wurde bekannt. Dabei handelt es sich laut Pressemeldungen um den ägyptischen Hafen Ain Sokhna am Golf von Suez.

Port Ain Sokhna

Der ägyptische Hafen Ain Sokhna liegt etwa 40 Kilometer entfernt vom südlichen Ausgang des Suezkanals. Er ist Teil der für die Wirtschaft des nordafrikanischen Landes wichtigen Sonderwirtschaftszone Suez Special Economic Zone. Ain Sokhna umfasst unter anderem ein circa 1.000 Hektar großes Logistikzentrum, wo der Weizen aus Kasachstan gelagert und transportfertig gemacht werden könnte.

Noch ist aber vieles unklar: Wer errichtet und finanziert das Getreideterminal? Über welche Kapazität wird es verfügen? Wann kann der Weizenumschlag dort starten?

Dabei wäre die zügige Inbetriebnahme einer Anlage, die auch größere Mengen bewältigt, für Ägypten durchaus opportun. Durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine zeichnen sich bereits jetzt bei zahlreichen Nahrungsgütern Versorgungsengpässe ab. Das Land am Nil zählt in Afrika zu den Staaten, wo Weizenlieferungen aus Russland und der Ukraine lange Zeit als wichtige Pfeiler der Ernährungssicherheit galten.

Ägypten produzierte 2020 laut Angaben der FAO, der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (UN), etwa 9 Millionen Tonnen Weizen selbst und bezog zusätzlich noch einmal so viel aus dem Ausland. Damit war es weltweit der viertgrößte Importeur dieser Getreideart hinter Indonesien, der Türkei und China. Russland und die Ukraine bestritten 2020 zusammen 86 Prozent aller ägyptischen Weizeneinfuhren. 

Kasachischer Weizen nur teilweiser Ersatz für kriegsbedingte Lieferausfälle

Diese Konstellation hatte auch 2021 vorläufigen Angaben zufolge Bestand. Doch im Jahr 2022 werden die Weizenlieferungen der beiden Kriegsparteien nach Ägypten unvermeidlich stark einbrechen oder sogar völlig ausbleiben. Nach dem Einmarsch der russischen Armee ist in der Ukraine, die als „Kornkammer Europas“ gilt, nicht zuletzt bei Getreide mit größeren Ernteausfällen zu rechnen. Kriegsbedingt kann auch bereits geerntetes Getreide kaum über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen ins Ausland verschifft werden. Hinzu kommt, dass auch Lieferungen aus Russland vorübergehend größtenteils ausbleiben. Russischer Weizen darf zur Sicherung des Inlandsbedarfs zunächst bis Mitte 2022 nur in Ausnahmefällen ausgeführt werden.

Klar ist, sollte Kasachstan tatsächlich mit Weizenlieferungen an Ägypten starten, werden die Mengen überschaubar sein. Die große Importlücke, die durch den Wegfall der ukrainischen und russischen Lieferungen entsteht, können sie bestenfalls nur ansatzweise ausfüllen. Daher wird Kasachstan für das nordafrikanische Land nur eine von mehreren alternativen Bezugsquellen sein können.

Weizen in Kasachstan - Fakten und Zahlen

Weizen ist mit Abstand die wichtigste Nutzpflanze der kasachischen Landwirtschaft. Die für den Anbau der Getreideart genutzte Fläche schwankte laut FAO-Angaben in der jüngeren Vergangenheit zwischen knapp 9 Millionen und rund 14 Millionen Hektar. Die Weizenproduktion im bisherigen Rekordjahr 2011 lag bei 22,7 Millionen Tonnen. Seine bisher schlechteste Weizenernte fuhr das Land mit lediglich 4,7 Millionen Tonnen 1998 ein. Die Bandbreite bei den Erträgen reichte von 5,2 Dezitonnen bis 16,6 Dezitonnen je Hektar.


Im Erntejahr 2020 nutzten kasachische Landwirte für den Weizenanbau eine Fläche von gut 12 Millionen Hektar. Die Ernte belief sich auf 14,3 Millionen Tonnen, was laut FAO bei Weizen einem durchschnittlichen Hektarertrag von 11,8 Dezitonnen entsprach.


Im Vergleich dazu: In Deutschland wurde Weizen 2020 auf mehr als 2,8 Millionen Hektar angebaut. Die von dieser Fläche eingefahrene Ernte belief sich für alle drei Weizenarten zusammen – Winter-, Sommer-, Hartweizen – auf 22,2 Millionen Tonnen. Der Durchschnittsertrag auf deutschen Feldern betrug 78,2 Dezitonnen Weizen je Hektar und fiel somit nahezu siebenmal so hoch wie der Kasachstans aus.

Temporäre Ausfuhrquoten für Weizen und Weizenmehl

Ohnehin schränkt Kasachstan im Frühjahr 2022 seine Exporte von Weizen und Weizenmehl vorübergehend selbst ein. Zwischen Mitte April und Mitte Juni 2022 greifen Exportquoten, um so die reibungslose lokale Versorgung zu gewährleisten. Für Weizen gilt eine Obergrenze von bis zu 1 Million Tonnen, für Weizenmehl von bis zu 300.000 Tonnen. Mit Blick auf die Entwicklung der Weltmarktpreise soll die Regelung verhindern, dass einheimische Anbieter ihren Weizen und ihr Weizenmehl komplett exportieren. 

Ähnlich wie bei zahlreichen anderen Rohstoffen löste der Überfall Russlands auf die Ukraine auch bei Weizen eine Preisrallye aus. Mit knapp 490 US-Dollar (US$) je Tonne wurde am 7. März 2022 ein historischer Höchststand registriert. Und obwohl sich der Weltmarktpreis etwa einen Monat später bei rund 410 US$ je Tonne bewegte, lag er damit noch immer 60 Prozent höher als vor einem Jahr.

Usbekistan Hauptabnehmer kasachischen Weizens

Ägypten zählte bei Weizen und Weizenmehl bisher nicht zu Kasachstans Zielmärkten. In Afrika war 2020 Tunesien der einzige Abnehmer kleinerer Mengen Weizen, so Daten von UN Comtrade. Das Gros der Ausfuhren geht in die zentralasiatischen Nachbarstaaten. Im Jahr 2020 entfiel auf Usbekistan ein Lieferanteil von 57 Prozent, auf Tadschikistan von 20 Prozent. Weitere 10 Prozent des Weizens gingen nach Afghanistan

Dabei fallen die Liefermengen des Landes durchaus beträchtlich aus. Mit Rekordausfuhren von 7,5 Millionen Tonnen Weizen stand Kasachstan laut FAO 2012 weltweit an achter Stelle. Für 2020 schlugen Exporte über 5,2 Millionen Tonnen zu Buche, was den neunten Platz bedeutete. Im Vergleich dazu beliefen sich die Weizenausfuhren Russlands in demselben Jahr auf 37,3 Millionen Tonnen (Rang 1), die der Ukraine auf 18,1 Millionen Tonnen (Rang 5).

Weltweit führend als Exporteur von Weizenmehl

Außerdem ist die zentralasiatische Republik ein wichtiger Lieferant von Weizenmehl. Die Ausfuhren 2020 betrugen 1,7 Millionen Tonnen. Nur noch die Türkei lieferte laut FAO mehr. Im bisher besten Jahr 2012 verkaufte Kasachstan 2,2 Millionen Tonnen Weizenmehl ins Ausland, was seinerzeit weltweit Rang 1 vor der Türkei bedeutete.

Der wichtigste Absatzmarkt für Weizenmehl war bislang Afghanistan. Zwei Drittel der Exporte gelangten 2020 dorthin. Auf Usbekistan entfielen 20 Prozent, 6 Prozent auf Tadschikistan. Seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 stockt das Afghanistan-Geschäft jedoch.

Zahlreiche kasachische Exporteure haben Marktkennern zufolge ihre Lieferungen wegen der unklaren Situation vor Ort gestoppt, auch um nicht auf unbezahlten Rechnungen sitzen zu bleiben. Laut Branchenexperten stünden zudem ungeklärte Versicherungsfragen im Raum. Davon betroffen sind vor allem Eisenbahnwaggons, die normalerweise für Mehltransporte in das Land am Hindukusch genutzt werden.

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