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Datenzentren sollen Kasachstan fit fürs KI-Zeitalter machen
Kasachstan setzt auf Künstliche Intelligenz. Dafür benötigte Datenzentren ziehen Investitionen nach sich und setzen Potenzial für IT-Outsourcing frei.
06.10.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Anfang September 2025 führten gleich mehrere Termine den kasachischen Präsidenten Kassym-Jomart Tokaew ins Nachbarland China, darunter ein Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOC). Das Reich der Mitte ist bereits der wichtigste Handelspartner Kasachstans, zieht das Land jedoch auch bei strategischen Fragen zunehmend auf seine Seite. So auch bei einer von China lancierten Kooperationsplattform für künstliche Intelligenz. Während einer Tagung des kasachisch-chinesischen Wirtschaftsrats im Anschluss an den SOC-Gipfel brachte der kasachische Präsident seine Unterstützung für diese Initiative zum Ausdruck.
Das Thema KI nimmt beim kasachischen Präsidenten einen besonders hohen Stellenwert ein. Wenige Tage nach dem Staatsbesuch hielt er die jährliche Rede zur Lage der Nation, in der er dutzende Male auf KI zu sprechen kam. Kasachstan solle innerhalb von drei Jahren ein vollständig digitales Land werden, so der Präsident. Auch wenn das übertrieben sein dürfte, ist Kasachstan in Sachen Digitalisierung gut aufgestellt. Ein während der Rede angekündigtes KI-Ministerium wurde nur wenige Tage später ins Leben gerufen. Erst eine Handvoll Länder weltweit haben solch ein Ministerium. Sowohl die Regierung als auch private Unternehmen investieren in Datenzentren, um dem Einsatz von KI in der Wirtschaft weiter den Weg zu ebnen.
Ausländische Unternehmen bauen Datenzentren
Wenig überraschend ist, dass bei der zukünftigen Schlüsselbranche Peking bereits einen Fuß in der Tür hat. So haben das Telekommunikationsunternehmen Kazakhtelecom und China Energy Overseas Investment ein Abkommen unterschrieben, das ab 2026 den Bau eines Tier-III-Datenzentrums mit einem langfristigen Energiebedarf von 100 Megawatt vorsieht. Damit würde das Rechenzentrum so viel Strom wie eine mittelgroße Stadt verbrauchen. Die Energie soll aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Der chinesische Partner realisiert bereits Wind- und Solarparkprojekte in Kasachstan.
Klassifizierung von Datenzentren nach dem System des Uptime Institutes
Stufe | Merkmale |
---|---|
Tier I | Einfachste Infrastruktur, keine Redundanz |
Tier II | Teilweise Redundanz (beispielsweise doppelte Stromversorgung) |
Tier III | Vollständig redundante Systeme, wartungsfähig im laufenden Betrieb |
Tier IV | Höchste Ausfallsicherheit, fehlertolerant, doppelte Versorgung aller Komponenten |
Das singapurische Unternehmen GK Hyperscale setzt noch einen drauf und will im 1. Quartal 2026 mit dem Bau von gleich zwei Datenzentren dieser Größenordnung in den Regionen Karaganda und Akmola beginnen. Laut Medienberichten wird das Unternehmen hierfür 1,5 Milliarden US-Dollar (US$) investieren. Weitere Mittel werden in neue Kraftwerkskapazitäten und Energiespeichersysteme fließen müssen, um die energiehungrigen Anlagen zu versorgen. Die ersten Module sollen 2027 ans Netz gehen. Der Investor realisiert ähnliche Projekte in Südostasien und im arabischen Raum.
Erstes Tier-IV-Datenzentrum soll 2026 online gehen
Serverracks gab es Ende 2024 in Kasachstans Datenzentren, so eine Studie von iKS Consulting.
Besondere Aufmerksamkeit erregte die Ankündigung des kasachischen Unternehmens Akashi Data Center, im 1. Quartal 2026 in Astana das erste Tier-IV-Datenzentrum Zentralasiens zu eröffnen. Mit seinen 4.000 Serverracks würde es die Rechenkapazität in Kasachstan mehr als verdoppeln und dem Land neue Möglichkeiten bei Datentransport, -verarbeitung und -speicherung ermöglichen. Dies käme laut CEO Vladislav Minkevich vor allem der Digitalindustrie und sensiblen Sektoren wie der Finanzindustrie und dem Gesundheitswesen zugute, für die Serverausfälle sehr teuer wären, so der CEO im Interview mit dem Portal DKnews.
Die Halbwertszeit technologischer Meilensteine scheint sich zu verkürzen. Erst im Mai 2025 lieferte das Unternehmen Presight AI aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einen von modernsten Nvidia-Grafikchips angetriebenen, in Zentralasien seinesgleichen suchenden Supercomputer an das Ex-Digital- und heutige KI-Ministerium. Dieser wurde anschließend in ein Tier-3-Datenzentrum in Astana integriert, welches Forschungseinrichtungen, Universitäten und Start-ups zur Verfügung steht, die KI in ihre Produkte integrieren wollen.
Kasachstan will Techkonzerne ins Land locken
Mit der modernen Infrastruktur will die kasachische Regierung laut eigenen Angaben globale Techkonzerne wie Google, Microsoft und Amazon ins Land locken. Google soll bereits 2027 seine Cloud-Plattform in Kasachstan einführen. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass ausländische Unternehmen grundsätzlich gut in Kasachstans IT-Sektor vertreten sind. Von den erbrachten IT-Dienstleistungen in Höhe von umgerechnet rund 3,7 Milliarden US$ stammten 2024 etwa 18 Prozent von ausländischen Unternehmen. Firmen mit US-amerikanischem Hintergrund stechen hier besonders hervor.
Aus Kasachstan in die Welt sollen zukünftig vermehrt IT-Dienstleistungen exportiert werden. Auch deutsche Unternehmen gehören schon zum Kundenstamm. Die Exporte von IT-Diensten sind seit Jahren im Aufwind. Im Jahr 2024 stiegen sie um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf fast und überstiegen damit erstmals die Importe. Mehr als zwei Drittel der Exporte entfielen auf das Astana Hub, Kasachstans wichtigsten Technologiepark. Dort sind über 1.500 Unternehmen registriert, darunter rund 400 mit ausländischer Beteiligung. Das ehrgeizige Ziel für 2026 ist es, die 1-Milliarde-US$-Marke zu knacken.
Energiehunger eröffnet Absatzchancen für deutsche Technik
Laut der Internationalen Energieagentur stehen Datenzentren für bis zu 1,5 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. Mit immer komplexeren KI-Modellen und der Verbreitung von Cloud- und anderen digitalen Diensten wird der Stromverbrauch weiter steigen. Für Länder wie Kasachstan, die regelmäßig mit Energiedefiziten zu kämpfen haben, ist das ein Problem. Der Ausbau der Kraftwerkskapazitäten, besonders bei den Erneuerbaren, ging in den letzten Jahren eher schleppend voran.
Die Lage könnte sich mittelfristig verbessern, wenn groß angelegte Windparks internationaler Investoren ab 2027 ans Netz gehen und eine hauseigene Energieversorgung bei Datenzentren, wie bei den Projekten von Kazakhtelecom und GK Hyperscale, die Regel wird. In der Energiewirtschaft des Landes würden sich dadurch für deutsche Ausrüstungslieferanten weitere Betätigungsfelder auftun.