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Wirtschaftsumfeld | Zentralasien | Fachkräfte

Junge Bevölkerung Zentralasiens hat enormes Fachkräftepotenzial

Deutsche Unternehmen suchen in Mangelberufen zunehmend nach Fachkräften im Ausland. In Zentralasien wollen Wirtschaft und Politik gemeinsam die Fachkräftegewinnung erleichtern. 

Von Viktor Ebel | Bonn

Zentralasien hat verglichen mit westlichen Industrieländern eine sehr junge Bevölkerung. Diese wächst auch kräftig weiter, wie ein Blick nach Usbekistan zeigt: Etwa 700.000 Schulabgänger strömen jedes Jahr neu auf den Arbeitsmarkt. Sie gelten als motiviert und gut gebildet. Die dynamische Bevölkerungsentwicklung und eine zunehmende wirtschaftliche Integration machen Zentralasien zwar zu einem interessanten Verbrauchermarkt, schaffen aber auch Herausforderungen.

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Es fehlen Arbeits- und Ausbildungsplätze. Viele Menschen arbeiten im Ausland – vor allem in Russland, wo die sprachlichen und rechtlichen Hürden weitaus geringer sind. In Meinungsumfragen zu potenziellen Auswanderungszielen führen jedoch die USA und Deutschland. Die Beliebtheit dürfte dem guten Ruf deutscher Produkte geschuldet sein, aber auch engagierten deutschen Unternehmen, die bereits in Zentralasien ausbilden oder von dort rekrutieren. Neue Projekte und verbesserte Rahmenbedingungen könnten bald noch mehr jungen Menschen aus Zentralasien den Weg nach Deutschland ebnen.

Hintergründe zu Altersstruktur, Schulbildung und Arbeitssituation in Zentralasien

Kasachstan

Kirgisistan

Tadschikistan

Usbekistan

 Vergleich zu Deutschland

Altersstruktur 2022 (Anteil unter 25-Jährigen in %)

42,7

50,2

54,1

45,2

24,0

Erwartete Ausbildungszeit bei Schuleintritt (2021, in Jahren)

15,8

13,2

11,7

12,5

17,0

Arbeitslosenquote 2022 (in %)

4,9

9,0

7,8 *

10,0

3,1

Nach Russland zu Arbeitszwecken ausgereiste Personen (2022; in 100 Tsd.)

114,5

502,0

980,7

1.450,0

-

* 2021Quelle: Vereinte Nationen 2023, UNDP Human Development Index 2023, Internationaler Währungsfonds 2023, Berechnungen des Audit- und Beratungsunternehmens FinExpertiza auf Grundlage von Daten des föderalen Grenzschutzdienstes der Russischen Föderation 2023

Rekrutierung in Zentralasien gewinnt an Schwung

Im Februar 2021 schloss die Agentur für externe Arbeitsmigration Usbekistans ein Abkommen mit der deutschen GfM Gruppe, ein auf die Anwerbung von Auszubildenden in Mangelberufen spezialisiertes Unternehmen. Ziel ist es, junge Usbekinnen und Usbeken mit Deutschkenntnissen für die duale Berufsausbildung zu gewinnen. In einem ersten Schritt hat eine Gruppe junger Usbeken im September 2021 ihre Ausbildung in Pflegeheimen in Sachsen-Anhalt angetreten. In Zukunft soll auch für technische Berufe wie Schweißer, Elektriker und Dreher rekrutiert werden.

Wie der Delegierte der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien, Hovsep Voskanyan, beim Zentralasiatischen Wirtschaftsforum im April 2023 in München bemerkte, lässt sich bei der Anwerbung Auszubildender in der Region seit Herbst 2022 eine verstärkte Dynamik beobachten. Hintergrund ist die Neuaufstellung der Fachkräftestrategie der Bundesregierung, die verstärkt auf zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland setzt. Hinzu kommt, dass Deutschland den zentralasiatischen Ländern seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine einen verstärkten Dialog und eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit anbietet. Erwerbsmigration aus Zentralasien nach Deutschland war jüngst Thema bei Gesprächen zwischen Arbeitsminister Hubertus Heil und dem usbekischen Premierminister Abdulla Aripov. 

Besonders betroffene Bundesländer starten eigene Kooperationen

Kirgisistan hat auf Bundesländerebene eine Kooperation mit dem Land Sachsen geschlossen, wo 2022 mehr als 2000 Ausbildungsplätze unbesetzt blieben. Ziel ist es, kirgisische Jugendliche für sächsische Unternehmen zu gewinnen und diese mit Hilfe der etablierten Akteure nachhaltig zu integrieren. Laut einer Vertreterin der kirgisischen Botschaft in Deutschland werden die ersten 50 jungen Menschen aus Kirgisistan im September 2023 ihre Ausbildung beginnen, darunter in den Branchen IT, Gesundheit und Tourismus.

Eigeninitiative zahlt sich für Unternehmen aus

Ganz ohne politische Unterstützung bietet die Günter Papenburg AG seit 2020 jungen Usbeken die Möglichkeit, eine dreijährige duale Berufsausbildung in Deutschland zu absolvieren. Dabei kooperiert die Firma mit der Sprachschule „Berlin Zentrum“ und dem Institute of Engineering in Andijon, damit bereits in Usbekistan ein B2-Sprachzertifikat und grundlegende Fachkenntnisse erworben werden können. Zusätzlich unterstützt das Unternehmen seine Azubis bei den Flugkosten und der Unterbringung in Deutschland. Im Gegenzug ist nach Abschluss der Ausbildung eine Beschäftigungsdauer von mindestens fünf Jahren gewünscht.

Mit weiteren Universitäten in Andijon werden Praktika für Maschinenbaustudenten organisiert. Auch wenn das Unternehmen mit seinem Engagement erfolgreich ist, sieht es dennoch Verbesserungsbedarf bei den Prozessen. So appellierte Angela Papenburg, Vorstand des Familienunternehmens, beim Zentralasien Forum an die Bundesregierung, mehr Mittel für Lehrlingswohnheime zur Verfügung zu stellen. Zudem regte sie an, die Sprachanforderungen etwas abzuschwächen, um somit leichter Lastkraftwagenfahrer aus Usbekistan zu rekrutieren.

Deutsch geprägte Hochschulen sind gefragt

In Zentralasien werden mit deutscher Unterstützung auch gezielt Fachkräfte an Hochschulen ausgebildet. So gibt es an der Staatlichen Technischen Universität Kirgisistans ein Deutsch-Kirgisisches Institut, welches aus den Fakultäten Telematik, Logistik und Mechanik besteht und teilweise Lehrveranstaltungen auf Deutsch anbietet. Die Deutsch-Kasachische Universität in Almaty hat sich auf die Fahne geschrieben, nach deutschem Curriculum zu unterrichten. Sie bildet unter anderem Fachkräfte in Energie- und Umwelttechnik, Mobile Computing und Logistik mit hohem Praxisbezug aus und ebnet damit den Weg in den deutschen Arbeitsmarkt.

Im Zuge der intensivierten deutsch-kasachischen Beziehungen soll im September 2023 außerdem das Deutsche Institut für Ingenieurwissenschaften in der westkasachischen Hafenstadt Aktau eröffnet werden. An dem Projekt beteiligt sind neben einigen deutschen Hochschulen auch die lokale Jessenow Universität, die unter anderem Spezialisten für die Erdöl- und Energiebranche ausbildet. Ausgangspunkt der gesamten Initiative ist die große Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach Fachkräften in Kasachstan. Wenn es nach den Initiatoren geht, sollen an dem neuen Institut neben Ingenieuren für erneuerbare Energieanlagen auch Experten für die Wasserstoffwirtschaft ausgebildet werden. Das deutsche Unternehmen Svevind will in naher Zukunft mit Wind- und Solarkraft grünen Wasserstoff produzieren und nach Europa exportieren. 

Unternehmen können Studenten schon während dem Studium an sich binden

Usbekistan ist auf den Zug aufgesprungen und eröffnete 2021 in Kooperation mit der TUM International GmbH, einem Tochterunternehmen der Technischen Universität München, die New Uzbekistan University in Taschkent. Diese orientiert sich bei Curricula-Entwicklung, Qualitätsmanagement und der Vernetzung mit der Industrie an ihrem deutschen Vorbild.


Jana Legtenborg, Head of Business Development bei der TUM International GmbH, regte beim Zentralasienforum an, dass sich Unternehmen durch die Kooperation mit usbekischen Hochschulen Fachkräfte für den deutschen Markt sichern könnten. Das mögliche Engagement reicht von Unternehmerbesuchen und der Mitarbeit beim Design von Masterstudiengängen bis hin zu Praktika, Workshops und Mentorenprogrammen.

Politik signalisiert mehr Unterstützung

Die Forumsteilnehmer waren sich einig, dass die größten Hürden für die Anwerbung von Fachkräften in Zentralasien neben dem knappen Wohnraum in deutschen Ballungsgebieten die fehlenden Kapazitäten an Sprachkursen und freien Terminen für die Visumbeantragung sind. Der deutsche Botschafter in Usbekistan, Dr. Tilo Klinner, kündigte Verbesserungen bei den Kapazitäten an.

So sollen neue vom Goethe-Institut zertifizierte Deutsch-Sprachschulen in Usbekistan entstehen, um der großen Nachfrage nach Sprachunterricht- und Tests nachzukommen. Die zusätzlichen Lehrkräfte sollen an einem neuen Lehrerbildungsinstitut geschult werden. Termine für die Visumbeantragung will der Dienstleister in Zukunft gegen Vorauszahlung der Visagebühr vergeben, um dem Problem der massenhaft vorgebuchten Terminblöcke durch Reisebüros entgegenzuwirken.

Ansprechpartner

Name

Ansprechpartner/Anmerkungen

Deutsche Industrie- und Handelskammer

Wladimir Nikitenko, Projektleiter Fachkräfteeinwanderung

Delegation der deutschen Wirtschaft für Zentralasien

Anastassiya Michailova, Juristin im Projekt Fachkräfteeinwanderung

Industrie- und Handelskammer München

Dr. Jutta Albrecht, Referentin Außenwirtschaft

Make it in Germany

Portal der Bundesregierung für Suche von Fachkräften im Ausland

Projekt PAM der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Gewinnung von Fachkräften und Nachwuchstalenten aus dem Ausland mit der Stärkung der beruflichen Bildung in den Herkunftsländern

GfM Gruppe

Yewen Shi-Friese, internationale Projekte

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