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Special Moldau Stromübertragung, -verteilung, Netze

Moldau sucht Weg aus strompolitischer Abhängigkeit

Knapp achtzig Prozent des in der Republik Moldau verbrauchten Stroms kommt von einem von Russland kontrollierten Gaskraftwerk. Ein Interkonnektor nach Rumänien soll dies ändern.

Von Lukas Latz | Berlin

Die Regierung Moldaus will ihr Land aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland befreien. Der moldauische Energieversorger Moldovgaz gehört mehrheitlich dem russischen Energiekonzern Gazprom. Moldau bezieht quasi seinen kompletten Gasbedarf aus Russland.

Weniger beachtet ist Moldaus Abhängigkeit beim Strom. "Wir hängen vollkommen vom russischen Gas ab. Beim Strom ist es sogar noch dramatischer", sagte Moldaus Präsidentin Maia Sandu im April 2022 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

Anschluss an ENTSO-E bleibt bislang eine Notmaßnahme

Im März 2022 wurden Moldelectrica und Ukrenergo, die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) aus Moldau und der Ukraine, Mitglieder von ENTSO-E, dem europäischen Netzwerk der Übertragungsnetzbetreiber. Der Anschluss Moldaus und der Ukraine ist bislang noch eher provisorischer Natur. Bedingt durch Russlands Angriffskrieg wurden nur eine Reihe von Notmaßnahmen spontan umgesetzt. ENTSO-E will den beiden Ländern eine stabile Grundfrequenz bieten, falls es bedingt durch russische Bombenangriffe zu Havariefällen in der Ukraine kommt.

Mit dem europäischen Strommarkt ist Moldau dadurch noch nicht vollständig verbunden. "Wir haben noch nicht die technischen Möglichkeiten, Strom vom europäischen Markt zu kaufen", sagte Moldaus Präsidentin Sandu der FAZ. Trotz vorhandenem Interkonnektor können ukrainische Produzenten Strom für den moldauischen Markt nur über langfristige Verträge bereitstellen. Es gibt keinen Spotmarkt.

Kreml könnte Moldau mit Stromversorgung erpressen

Das führt zu einer fatalen Abhängigkeit: 70 bis 80 Prozent seines Stromes bezieht Moldau aus dem Gaskraftwerk Cuciurgan (russisch: Кучурган). Es hat eine Leistungskapazität von 2520 Megawatt, was knapp 500 Windrädern entspricht.

Das Kraftwerk liegt auf dem Gebiet der "Republik Transnistrien", einem Teil des moldauischen Territoriums, den der moldauische Staat seit 1992 nicht mehr kontrolliert. De facto werden die transnistrischen Machthaber von Russland gestützt. Die selbst erklärte Republik wird von keinem Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt. Russland hat knapp 200.000 Einwohnern des Landstrichs die russische Staatsbürgerschaft gegeben und bezahlt für deren Rente.

Das Gaskraftwerk von Cuciurgan wird vom staatlichen russischen Energiekonzern InterRAO betrieben. Die Gaslieferungen für das Elektrizitätswerk kommen von Gazprom.

Gazprom benutzt diese Lieferungen bereits seit vielen Jahren als politisches Druckmittel. Denn seit Jahren bezahlt in Transnistrien offiziell niemand für das russische Gas, aus dem der Strom produziert wird. Gazprom fordert von der moldauischen Regierung, die offenen Gasrechnungen zu bezahlen. Die geforderte Summe beläuft sich mittlerweile auf über sieben Milliarden Euro, was knapp 60 Prozent des moldauischen Bruttoinlandsproduktes entsprechen würde. Die moldauische Regierung lehnt es ab, das Geld zu bezahlen. In Chişinǎu weist man darauf hin, dass man in diesem Fall zweimal für das Gas bezahlen würde: für den produzierten Strom und für den Brennstoff, auf dessen Grundlage der Strom produziert wurde.

Interkonnektor nach Rumänien könnte 2024 fertig werden

Die wichtigste Infrastrukturmaßnahme, mit der sich Moldau aus der Energieabhängigkeit von Moskau befreien will, ist der Bau eines Interkonnektors nach Rumänien, der es Moldau erlauben würde, ins europäische Stromnetz integriert zu werden. Zwischen der Hauptstadt Chişinǎu und der südmoldauischen Stadt Vulčaneşti soll der moldauische Teil des Interkonnektors verlaufen.

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Über eine Strecke von 158 Kilometer soll Strom mit einer Spannung von 400 Kilovolt fließen. Das entspricht der Spannung des rumänischen Höchstspannungsnetzes. Die Höchstspannung im moldauischen Stromnetz beträgt dagegen nur 330 Kilovolt.

Das macht den Bau eines Umspannwerkes in Vulčaneşti notwendig. Das Umspannwerk wird mit einer Leistungskapazität von 600 Megawatt geplant. Die Kosten für das Projekt wurden im Jahr 2017 auf 270 Millionen Euro veranschlagt. Maßgeblich finanziert wird das Projekt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Weltbank.

In einem Bericht des Sekretariats der europäischen Energiegemeinschaft vom November 2021 wird davon ausgegangen, dass der Interkonnektor bis 2024 fertiggestellt werden könnte. Darüber hinaus mahnt das Sekretariat aber: Moldau hat strompolitische Reformen, die eine Voraussetzung zur Teilnahme am europäischen Energiemarkt sind, noch nicht ausreichend umgesetzt. Dazu gehört etwa die Entflechtung (Unbundling) von Übertragungsnetzbetreibern und Stromerzeugern.

Auch technische Probleme müssen gelöst werden: Einem Bericht der International Energy Agency (IEA) zufolge müsste Moldelectrica die veraltete Infrastruktur des Übertragungsnetzes modernisieren, um vollständig in ENTSO-E integriert werden zu können. Im April 2022 fand in Berlin eine Konferenz zur Unterstützung der Republik Moldau statt. Dort verständigten sich 36 Staaten darauf, Moldau 659,5 Millionen Euro an direkter finanzieller Hilfe bereitzustellen. Unter anderem soll das Geld "zur Konsolidierung der Energiesicherheit" ausgegeben werden.

Strommix der Republik Moldau und ihrer Nachbarländer

Moldau

Rumänien

Ukraine

Jährlich produzierte Elektrizität (in Terrawattstunden)

6,2

66

142

Anteil der Stromerzeugung aus Erdgas (in Prozent)

93,8

15,2

7,8

Anteil der Wasserkraft

4,4

22,7

11,1

Anteil der Windkraft

0,8

10,5

1,3

Spannung der Höchstspannungsleistung beim Übertragungsnetzbetreibers (in Kilovolt)

330

400

330

Quelle: International Energy Agency

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