Special Polen
Polen: Mehrwertsteuerrückerstattung beschleunigt
Trotz der im regionalen Vergleich überdurchschnittlichen Zufriedenheit mit den Fachkräften und ihrer Verfügbarkeit wird dieser Aspekt immer mehr zum Problem für Unternehmen in Polen. Laut dem Statistischen Hauptamt waren Ende 2016 nahezu 78.000 Stellen unbesetzt. Alleine im 1. Halbjahr wurden mit knapp 177.000 nahezu 56 Prozent mehr Erlaubnisse für ausländische Industriearbeiter und Handwerker beantragt. Bei Maschinenführern hat sich die Anzahl der Anträge im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.
Das deutet auf ein seit Jahren nicht angegangenes Manko Polens. Gehört die Qualität des Hochschulwesens zu den größten Vorteilen des Landes und findet um die Hälfte mehr Zuspruch als im MOE-Durchschnitt, sind weniger als 30 Prozent der von den AHK befragten Unternehmer zufrieden mit der Qualität der Berufsbildung. Eine Reform des Schulwesens soll diese daher ab Herbst 2017 effizienter und marktnäher gestalten. Eventuelle Früchte werden aber frühestens im nächsten Jahrzehnt sichtbar sein.
Wie lange Unternehmen auf eine effizientere Steuerverwaltung und ein einfacheres Steuersystem werden warten müssen, ist offen. Zurzeit ist die Regierung eher damit beschäftigt, steuerliche Schlupflöcher zu stopfen, was für Firmen zusätzliche Formalitäten und Kosten verursacht. Zunächst wurde die sogenannte einheitliche Kontrolldatei eingeführt. Dabei handelt es sich um ein System, dass die monatliche, digitale Erfassung von Transaktionsinformationen erzwingt. Große Unternehmen hatten lediglich einige Monate Zeit, um ihre Buchhaltungsstrukturen und -systeme an die neuen Vorgaben anzupassen, Mittelständler kaum mehr als ein halbes Jahr.
Wenig Vorlaufzeit wurde ebenfalls bei der Anweisung gewährt, Zahlungen im Wert von über 3.500 Euro im B2B-Verkehr nur noch per Überweisung zu tätigen. Weitere Maßnahmen beinhalteten das Reverse-Charge-Verfahren in der Bauwirtschaft oder in einigen anderen Branchen das sogenannte Split Payment, nach dem der Nettobetrag sowie die Steuer auf zwei separate Konten eingezahlt werden müssen.
Immerhin haben sich die Verfahren zur Mehrwertsteuerrückerstattung im Inlandverkehr beschleunigt: Im 1. Halbjahr 2017 warteten Unternehmen durchschnittlich 39 Tage auf die Rückzahlung, vier Tage weniger als im selben Vorjahreszeitraum. Vom Ausland beantragte Rückerstattungen dauern jedoch länger: Laut der AHK Polen, die deutsche Unternehmen bei dem Prozess unterstützt, müssen durchschnittlich drei bis sechs Monate Geduld aufgebracht werden.
WEF-Länderrating 2017 bis 2018, Polen (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 137 Ländern)
Kriterien 1) | Polen | Deutschland |
Gesamtrang | 39 | 5 |
1 Institutionen 2) | 72 | 21 |
2 Infrastruktur | 44 | 10 |
3 Gesundheit und Grundbildung | 38 | 13 |
4 Höhere Bildung und Ausbildung | 40 | 15 |
5 Effizienz der Gütermärkte 3) | 45 | 11 |
6 Effizienz des Arbeitsmarkts | 78 | 14 |
7 Entwicklung des Finanzmarkts 4) | 53 | 12 |
8 Qualität des Geschäftsumfeldes | 57 | 5 |
9 Korruption 5) | 29 | 10 |
1) bewerten unter anderem: 2) Eigentumsrechte, Unabhängigkeit der Justiz, Auditierung, 3) benötigte Zeit für die Unternehmensgründung, Wettbewerbsintensität, Besteuerung, Zollvorschriften, 4) Beschränkungen der Kapitalströme, 5) Rang (von 176 Ländern) bei Transparency International (TI)
Quellen: World Economic Forum, Global Competitiveness Report; Transparency International
Das World Economic Forum bewertet in seinem Konkurrenzfähigkeitsranking die polnischen Institutionen als globales Mittelmaß. Insgesamt geht es für Deutschlands östlichen Nachbar aber kontinuierlich aufwärts: Im Ranking 2016 bis 2017 kletterte Polen insgesamt um fünf Plätze nach oben auf Rang 36. Die stärksten Aufstiegstreiber der letzten Jahre waren Infrastruktur und Wirtschaftskonjunktur. Abstriche mussten bei der Entwicklung des Finanzmarktes gemacht werden.
Große Fortschritte machte Polen hingegen im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung. Im mittelosteuropäischen Vergleich schneidet lediglich Estland im Korruptionsindex von Transparency International besser ab. Auch einige westeuropäische Wirtschaften, wie Spanien, Portugal oder Italien, schnitten beim Korruptionsindex schlechter ab als Polen.
Text: Michal Wozniak