Für Portugal bietet die Förderung nach Jahren knapper Investitionsbudgets eine Modernisierungschance. Die Projekte aus dem Aufbauplan unterstützen den Aufschwung der Wirtschaft.
Portugal befindet sich auf einem guten Weg aus der Coronakrise. Laut der Kommission der Europäischen Union (EU) wird das portugiesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 um real 6,5 Prozent zunehmen. Demzufolge würde die Wirtschaftsleistung so stark zulegen, wie in keinem anderen EU-Land.
Dieser Aufschwung erhält zusätzlichen Rückenwind durch die Hilfsgelder der EU. Die Regierung erwartet nach der Neuberechnung im Juni 2022 bis zum Jahr 2026 EU-Aufbauzuschüsse von 15,5 Milliarden Euro. Im Zuge der neuen Kalkulation erhält Portugal knapp 12 Prozent mehr Finanzmittel als zuvor. Wie diese Gelder verteilt werden, stand Anfang September 2022 noch nicht fest. Zu den Zuschüssen kommen weitere 2,7 Milliarden Euro, die das Land als Kredit von der EU erhält.
83 Einzelprojekte für das Portugal der Zukunft
Die Projekte aus der Aufbau- und Resilienzfazilität sollen Investitionslücken schließen und das Land für die Zukunft besser aufstellen. Aus den 83 Einzelvorhaben hat die portugiesische Regierung 20 Gruppen gebildet. Neun davon sind dem Bereich Resilienz zugeordnet. Auf diesen entfällt mit 11,1 Milliarden Euro das mit Abstand höchste Budget.
Weitere sechs Elemente gehören in die Gruppe Klimawandel. Dieses Segment ist mit 3,1 Milliarden Euro ausgestattet.
Der digitale Wandel umfasst die übrigen fünf Komponenten. Für diese stehen knapp 2,5 Milliarden Euro bereit.
Ausgewählte Elemente des portugiesischen Aufbauplans (Investitionssumme in Millionen Euro)
Komponente | Investitionssumme |
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Unternehmerische Finanzierung und Innovation | 2.914 |
Wohnen | 2.733 |
Nationaler Gesundheitsdienst SNS | 1.383 |
Nachhaltige Mobilität | 967 |
Dekarbonisierung der Industrie | 715 |
Infrastruktur | 690 |
Unternehmen 4.0 | 650 |
Waldbrandschutz und Biomasse | 615 |
Energieeffizienz von Gebäuden | 610 |
Quelle: Plano de Recuperação e Resiliência, April 2021
Zahlreiche Anknüpfungspunkte für deutsche Unternehmen
Viele der 20 Komponenten des Aufbauplans werden in Kompetenzfeldern deutscher kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) umgesetzt. So umfasst die Komponente 1 die Ausrüstung dreier Krankenhäuser in Lissabon, Seixal und Sintra sowie mehrere Digitalisierungsinitiativen.
Die Komponenten 15 und 7 enthalten den Ausbau der Metronetze in Lissabon und Porto sowie den Bau einer Straßenbahn zwischen Odivelas und Loures. Im Straßenbau liegt das Augenmerk darauf, die Kapazität des Straßennetzes zu erhöhen, fehlende Verbindungsstücke zu bauen sowie grenzüberschreitende Verbindungen zu schaffen.
Zudem soll die energetische Gebäudesanierung einen kräftigen Schub durch die EU-Förderung erhalten. Der Fokus liegt auf Wohngebäuden, doch auch öffentliche Verwaltungsbauten und Gebäude aus dem Dienstleistungssektor werden von der Komponente 13 erfasst.
Einen erheblichen Bedarf an technischen Lösungen bringen die Komponenten 11, 12 und 14 mit sich. Besonders umfangreich sind die geplanten Anstrengungen für eine CO2-neutrale und wettbewerbsfähige Industrie.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf erneuerbaren Energien und Gasen. Die Initiativen aus dem Aufbauplan beziehen sich vor allem auf Wasserstoff. Bereits jetzt stammt mehr als die Hälfte des Stroms auf dem Festland aus erneuerbaren Quellen. Damit sind die Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff sehr günstig. Zudem steht die Energiewende in den Inselregionen Azoren und Madeira auf dem Programm.
Kernziel der Komponente "nachhaltige Bioökonomie" ist die stärkere Nutzung biologischer Ressourcen bei gleichzeitig hoher Effizienz in der Verarbeitung. So sollen Nebenprodukte aus der Landwirtschaft für eine Reihe von Produkten genutzt werden. Bei den Investitionen geht es hier um die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Schuhproduktion.
Eine Internetseite für den umfassenden Überblick
Unter dem Stichwort "Recuperar Portugal" bündelt die portugiesische Regierung Details zum Aufbauplan auf einer zentralen Internetseite. Auch Informationen zu Ausschreibungen werden auf dieser Seite schrittweise veröffentlicht. Um keine wichtigen Neuerungen zu verpassen, kann ein Newsletter abonniert werden.
Mittlerweile informiert die Regierung detailliert über die Umsetzung der vier Stufen des Plans. Dessen Umsetzungszeitraum dauert noch bis 2026 an. Die aktuelle Übersicht von Ende August 2022 zeigt, dass im Sommer die Genehmigung der vorgesehenen Investitionen den Schwerpunkt bildete. Dabei handelt es sich um die dritte der vier Phasen.
Am schnellsten kommt die digitale Transformation voran. In diesem Bereich wurden bereits 14 Prozent der vorgesehenen Mittel final ausbezahlt. Bei den für Klimaprojekte vorgesehenen Geldern konnten 6 Prozent an die Endbegünstigten transferiert werden. Aus dem mit Abstand größten der drei Töpfe fließen die Mittel hingegen langsamer ab. Die Vorhaben im Bereich Resilienz erreichten im August 2022 eine Auszahlungsquote von 2 Prozent.
Die grundsätzliche Planung, Steuerung und Kontrolle des Aufbauplans wurde im Mai 2021 per Gesetzesdekret festgelegt. Demnach erfolgt die politische Steuerung durch eine interministerielle Koordinierungsgruppe.
Organisatorisch gilt das Prinzip, zentral zu steuern und die Durchführung dezentral umzusetzen. Die einzelnen Komponenten sind verteilt auf Ministerien und Behörden, die sich inhaltlich mit dem jeweiligen Feld befassen.
Modernisierungsschub nach jahrelanger Sparpolitik
Nach der Weltfinanzkrise verfolgte Portugal eine disziplinierte Sparpolitik. Eine Folge davon war wenig Spielraum für große Investitionen. Nun können Projekte auf den Weg gebracht werden, die aus dem regulären Haushalt nicht finanzierbar wären.
Auch im Verhältnis zur EU-Förderung im Rahmen der Kohäsionspolitik handelt es sich beim Aufbauplan um eine beachtliche Summe: Im Zeitraum 2021 bis 2027 bezieht Portugal insgesamt 23,6 Milliarden Euro an kohäsionspolitischen Mitteln.
Der Aufbauplan fand bei der EU-Kommission ein positives Echo. Nach Angaben des Handelsblatts bezeichnete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die portugiesischen Vorhaben als "ehrgeizig und weitsichtig".
Von Oliver Idem
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Madrid