Special Schweden
Schweden spielt in der Fintech- und Gamingtopliga
2017 war für Start-ups in Schweden ein gutes Jahr. Laut Angaben des Industrifonden gab es gut 440 Risikokapitalinvestments mit einem Gesamtvolumen von etwas über 1,2 Milliarden US-Dollar (US$). Würde man die Spotify-Finanzierungsrunde rausrechnen, wegen der das Gesamtvolumen 2016 so extrem hoch ausgefallen war, ergäbe sich ein Plus von über 90 Prozent. Mit Spotify geht das Volumen zurück, was den Trend allerdings nicht richtig widerspiegelt.
Investitionen in Start-ups in Schweden (Jahre 2015 bis 2017, in Millionen US$)
2015 | 2016 | 2017 |
1.139 1) | 1.634 2) | 1.226 |
1) davon Spotify 526 Millionen US$; 2) davon Spotify 1.000 Millionen US$
Quelle: Industrifonden
Mehr als 570 Investoren haben sich 2017 an der Finanzierung schwedischer Tech-Start-ups beteiligt. Die meisten waren Venturecapitalfonds und Business Angels, aber auch immer mehr institutionelle Anleger, vor allem aus den Bereichen Finanzen und Medien, engagieren sich. Bezogen auf das Investitionsvolumen betrafen 13 Prozent der Start-ups den Bereich Finanztechnologien (Fintech), auf den Cloud-Computing-Teilbereich Software-as-a-Service (SaaS) entfielen 11 Prozent.
Ausländische Kapitalgeber nach Ländern (Jahre 2015 bis 2017, Anteil in Prozent)
Land | 2015 | 2016 | 2017 |
Vereinigtes Königreich | 25 | 18 | 32 |
USA | 33 | 29 | 23 |
Deutschland | 10 | 9 | 8 |
Dänemark | 6 | 10 | 8 |
Norwegen | k.A. | 7 | 8 |
Finnland | 7 | 6 | 4 |
China | k.A. | 4 | k.A. |
Übrige | 19 | 17 | 17 |
Quelle: Industrifonden
Hochburg für Videospiele
Schwedische Start-ups gehören in vielen Bereichen zur Weltklasse, darunter Fintech, Onlinehandel, Gesundheitstechnologie (Healthtech), künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Werbetechnik, Internet-, Software- und Medienindustrie. Laut des Informationsdienstes Nordic Tech List entfielen 2017 mehr als drei Viertel der Fintech-Investitionen im nordischen Raum allein auf Schweden.
Im Internetbereich wächst vor allem die Gamesbranche stark. Ein Erfolgsfaktor liegt in ihrer internationalen Ausrichtung. Schwedische Onlinespiele und Gamingapps werden oft direkt international vermarktet. In den letzten vier Jahren wurden im Großraum Stockholm mehr als 100 neue Gamingunternehmen gegründet und die Anzahl der Neueinstellungen stieg rasant.
Start-ups beflügeln auch die Elektromobilität. So wird voraussichtlich ab 2019 die Serienproduktion des Elektroautos One des Start-ups Uniti in Lund beginnen. Siemens baut dafür ein vollautomatisiertes Werk; auch E.ON ist dabei. Siemens beteiligt sich neben weiteren Partnern auch am Northvolt-Projekt: Das gleichnamige Start-up - laut Siemens-Vorstand Jan Mrosik ein „Leuchtturmprojekt für Europa“ - will in Skelleftea eine Fabrik für Lithium-Ionen-Zellen und Elektroautobatteriepacks nach dem Vorbild der US-amerikanischen Tesla-Gigafactory errichten.
Stockholm ist Schwedens größter Start-up-Hub, aber Malmö holt auf
Stockholm ist nicht nur Schwedens Hauptstadt, sondern auch die größte Start-up-Metropole des Königreichs. Neben zahlreichen Firmen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (im Technologiecluster Kista Science City) haben sich im Großraum Stockholm Fintech-Start-ups wie Klarna und iZettle, die E-Commerceplattform zum Aufbau virtueller Shops Tictail und das FinTech-Start-up Tink (App zur Verwaltung persönlicher Finanzen) niedergelassen.
Viele Start-ups zieht es auch in die Öresund-Region, wobei sie auf schwedischer Seite vor allem Malmö im Blick haben (Businessinkubator Minc). Auch die Städte Linköping (Wissenschaftspark Mjärdevi, Inkubator Lead), Norrköping und Jönköping stehen im Fokus. In Göteborg wurde 2016 ein Gründerzentrum für die Gamesbranche eingeweiht.
Rückendeckung bekommt Schwedens Start-up-Szene auch durch viele Messen, Investorengipfel und Recruitingevents, darunter „Eget företag“ (Stockholm, Malmö, Göteborg), „Nordic Next“ (Malmö), „Startup Day“ (Stockholm) und „Stockholm Tech Meetup“.
Allerdings ist die Wohnungsknappheit in den Großstädten, vor allem in Stockholm, zu einem ernsten Problem für Start-ups geworden. Größere wie Spotify und Klarna nutzen die Dienste von Relocation-Agenturen, um ihren Mitarbeitern in der Hauptstadt zumindest Kurzzeitmietvertäge beschaffen zu können. Kleinere könnten aber auch einfach aus dem Großraum der Metropolen abwandern, wenn die Städte das Problem nicht in den Griff bekommen.
Erfolg versprechende Start-up-Schmieden
Acht Einhörner hat Schweden bereits hervorgebracht. Das meiste Risikokapital haben 2017 der Anbieter von Software-Asset-Managementlösungen Snow Software (120 Millionen US$) und iZettle (insgesamt 111 Millionen US$ in zwei Finanzierungsrunden) eingesammelt.
Aufgrund der Vielzahl schwedischer Start-ups fällt es schwer, die "richtige" Auswahl zu treffen, um Entwicklungen und Erfahrungen beispielhaft zu skizzieren. Großes Potenzial wird unter anderem dem Start-up Uniti beigemessen, das im Sommer 2015 als Spin-off aus einem Projekt der Universität Lund hervorgegangen ist. Uniti will 2020 einen Elektrokleinwagen auf den Markt bringen und setzt dabei auf modernste Produktionstechnik von Siemens und Kuka. Als Hochkaräter gelten aber auch noch viele weitere, darunter die Crowdinvestingplattform Trine (Privatkapital für Solarenergieprojekte in aufstrebenden Märkten), das PropTech-Unternehmen Dooer (digitale Rechnungslegung), Karma (App, über die Restaurants und Lebensmittelgeschäfte Essensreste verbilligt verkaufen können) und das 3D-Bioprinting-Startup Cellink (Bioprinting-Tinten, 3D-Bioprinter).
Text: Heiko Steinacher