Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Interview | Syrien | Wirtschaftsumfeld

Sicherheit auf Syrien-Reisen: "Invisible statt bullet proof"

Nach dem Sturz des Assad-Regimes wittern auch deutsche Firmen Chancen in Syrien. Friedrich Haas vom Sicherheitsdienstleister AKE-SKABE erklärt, wie man Reisen dorthin absichert.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Friedrich Christian Haas, Geschäftsführender Gesellschafter, AKE | SKABE GmbH, Sicherheitsdienstleistungen für Syrien Friedrich Christian Haas, Geschäftsführender Gesellschafter, AKE | SKABE GmbH, Sicherheitsdienstleistungen für Syrien | © Caroline Pitzke Photographie 2024

Herr Haas, aus Syrien kommen keine guten Nachrichten. Reist da jemand hin?

Ja, und die Nachfrage steigt sogar. Demnächst begleiten wir eine deutsche Logistikfirma nach Damaskus. Dort nehmen wir an der Eröffnung der Repräsentanz des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft teil.

Ist Damaskus denn sicher?

Die Leute gehen dort jedenfalls aus und sitzen abends in den Straßencafés. Und zur Baumesse Buildex Damascus Ende Mai war die Stadt voll mit ausländischen Geschäftsleuten. Auch unsere Kunden besuchen die Hauptstadt oder Aleppo und Homs. Sie meiden aber Nachtfahrten auf Überlandstraßen und Gebiete mit Minderheiten, wo es jederzeit zu Konflikten kommen kann, darunter den Nordosten mit den Kurden, die Mittelmeerküste mit den Alawiten oder Suweida im Süden mit den Drusen.

Wer sind Ihre Kunden?

Bei unseren bislang rund 20 Reisen nach Syrien waren das vor allem Journalisten, zudem Vertreter von humanitären Hilfsorganisationen. Seit dem Sturz des Assad-Regimes gibt es aber vermehrt Interesse von deutschen Unternehmen. Bei zwei Wirtschaftsveranstaltungen zu Syrien in letzter Zeit bekam ich mehr Anfragen als zur Ukraine in drei Jahren. In die Ukraine will kaum ein deutscher Mittelständler, in Syrien ist das anders.

Aus welchen Branchen kommen diese Firmen?

Die Logistiker sind oft die Ersten, die in so ein Konfliktland reingehen. Sie liefern Hilfsgüter und später auch Ersatzteile etwa für Generatoren oder Pumpen, mit denen die Strom- und Wasserversorgung wieder in Gang kommt. Zu dieser kritischen Infrastruktur zählt auch die Kommunikation. Handys und Internet funktionieren in Syrien noch nicht zuverlässig, weshalb wir unsere Satellitentelefone nutzen. Solche Geräte und später Mobilfunkmasten werden als Nächstes geliefert und aufgebaut. Auch Dienstleistungen rund um den Transport sind wichtig, wie die Instandhaltung von Lkw, damit die Güterzirkulation im Fluss bleibt.

Wie schützen Sie Ihre Kunden auf Reisen?

Das kommt sehr auf deren Bedürfnisse und Wünsche an. Es fängt hier in Deutschland mit einer intensiven Vorbereitung inklusive individueller Sicherheitskonzepte an. Dazu gehört der Abschluss einer geeigneten Versicherung. Die bekommt man auch für Syrien, trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Es ist nur eine Frage des Preises. Wichtig ist, den richtigen Makler zu finden, der bei der Wahl des passenden Versicherungspakets hilft. Hinweise auf die Erfahrung eines Maklers mit Krisengebieten liefert zum Beispiel dessen LinkedIn-Profil.

Und während der Reise selbst?

Da stellen wir normalerweise einen Begleiter, der wie ein Reiseführer mit Fokus auf Sicherheit arbeitet. Er prüft dann: Wie sicher ist das Hotel, gibt es Anschlagsziele in der Nähe, wie vermeiden wir Nachtfahrten, wo ist das nächstgelegene Krankenhaus?

Sind Überfälle und Anschläge das größte Risiko?

Überhaupt nicht. Das sind in Syrien wie überall Verkehrsunfälle, gefolgt von medizinischen Notfällen. Bei über drei Viertel der bei uns eingehenden Notrufe von Kunden geht es um Lebensmittelvergiftung, Zahnschmerzen, Hundebisse, Blinddarm oder Hitzschlag, solche Dinge. Unsere Begleiter oder die Notrufzentrale leiten dann die notwendige Hilfe ein.

Trotzdem heuern Sie vor Ort bewaffnete Begleiter an und stellen gepanzerte Fahrzeuge?

Nein. Für die Fahrt von Beirut nach Damaskus zum Beispiel so kommen aktuell einige europäische Besucher ins Land braucht es das gar nicht. Vor allem aber ist unsere Losung "invisible statt bullet proof". Mit Splitterschutzwesten machen Sie Kriminelle und Terroristen erst auf sich aufmerksam. Zudem werden Bewaffnete als Gegner wahrgenommen, und man erzeugt Misstrauen.

Ein gepanzertes Fahrzeug erkennt in Syrien jeder?

Exakt. Und vor Panzerminen schützt es auch nicht. Außerdem finden Sie womöglich keinen kompetenten Fahrer dafür. Ich sah die Dinger deswegen schon auf der Seite liegen oder mit durchdrehenden Rädern im Schlamm stecken. Und ein Geschäftsmann, der seine Marktchancen im Bau von Staudämmen begutachtet, will nicht, dass die Konkurrenz das mitkriegt und ebenfalls herkommt. Die Besucher der erwähnten Baumesse traten jedenfalls überwiegend low profile auf.

Wie hoch sind Ihre Tagessätze?

Das ist sehr individuell. Bei einer persönlichen Begleitung bewegt sich das im vierstelligen Bereich. Auf Wunsch vermitteln wir auch nur einen kompetenten und vertrauenswürdigen Fahrer für die Fahrt von Beirut nach Damaskus und den Transport in Damaskus selbst. Da kosten vier Tage um die 1.500 Euro.

Die Lage in Syrien ändert sich dynamisch. Wie können Sie sie einschätzen?

Durch unser Netzwerk dort. Ich stamme aus einem evangelischen Pfarrhaus, ein Geschäftspartner ist katholisch sozialisiert Kirchen und Hilfswerke vor Ort kennen die Lage. Durch unsere Betreuung von ausländischen Journalisten haben wir auch Zugang zu Journalisten in Syrien, die natürlich selbst extrem gut vernetzt sind deren Verlässlichkeit wir aber auch überprüfen. Es kann auch eine Saatgutfirma sein, die dank ihrer Kontakte zu Bauern weiß, was auf dem Land los ist. Der Mix vieler unterschiedlicher Kontakte macht die Qualität unseres Netzwerks aus. Den Erfolg sahen wir zuletzt in Suweida. Anderthalb Wochen vor Beginn der Kämpfe dort warnten unsere Kontakte: "Bleibt weg, hier geht es demnächst los."

Was macht eigentlich die Konkurrenz deutscher Firmen in Syrien?

Franzosen, Amerikaner, Chinesen und vor allem Türken sind dort schon stärker aktiv, auch Japaner oder Koreaner. Deren Diplomaten vertreten aktiv wirtschaftliche Interessen, und Frankreich ist als ehemalige Kolonialmacht gut vernetzt. Deutschland baut seine Botschaft in Damaskus gerade auf und betreut das Land offiziell noch von Beirut aus.

Haben Sie noch einen Tipp an deutsche Mittelständler für Reisen nach Syrien?

Für erste Fragen und Informationen kontaktieren Sie die neue Repräsentanz des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft in Damaskus und unsere Botschaft. Bei Sicherheitsfragen empfehlen sich Risikoanalysen und Sicherheitskonzepte, die gezielt auf das Unternehmensanliegen zugeschnitten sind.

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