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Kfz-Zulieferer investieren weiter in Tunesien

Obwohl die tunesische Wirtschaft krisengebeutelt ist, boomt die Kfz-Zulieferindustrie. Risiken bleiben, vor allem wegen der Abhängigkeit von der Konjunktur in Europa.

Von Verena Matschoß | Tunis

Gleich zwei deutsche Kfz-Zulieferer hatten im Jahr 2024 in Tunesien Grund zu feiern. Der Kabelbaumproduzent DRÄXLMAIER beging das 50-jährige Jubiläum seiner Produktionsstätte in Sousse und Marquardt, der Hersteller von mechatronischen Schalt- und Bediensystemen, eröffnete Ende September 2024 ein neues Werk im Neopark El Fejja. 

Investitionsreiches Jahr 2024

Die beiden deutschen Unternehmen sind aber nicht die einzigen, die dem Standort Tunesien treu bleiben. Laut vorläufigen Angaben der staatlichen Investitionsagentur FIPA gab es allein in den ersten neun Monaten 2024 rund 160 Projekte im Elektroniksektor und 111 Projekte im Sektor Mechanik und Metallindustrie. Bis auf jeweils acht Projekte waren alles Erweiterungsvorhaben. Die Anzahl der Projekte war dabei höher als im gesamten Vorjahr. Deutsche Kfz-Zulieferer sind vor allem im Elektronikbereich aktiv, die Produktion von Kabelsätzen ist dabei ihr größtes Betätigungsfeld. 

Unternehmen aus der EU sind die wichtigsten InvestorenAusländische Investitionen im Sektor Elektronik und Elektrotechnik, Januar bis September 2024
Land

Anzahl der Projekte 

Wert der FDI (in Mio. Euro)

Arbeitsplätze

Deutschland

33

61,6

507

Frankreich

50

36,1

661

Italien

40

29,5

396

Japan

8

14,0

123

Österreich

4

8,8

87

USA

8

8,0

52

Schweiz

6

5,7

76

Vereinigtes Königreich

7

4,7

139

vorläufige Angaben; Wert der FDI umgerechnet nach Durchschnittskurs der tunesischen Zentralbank.Quelle: Foreign Investment Promotion Agency (FIPA) 2024

Auch in naher Zukunft sind einige neue Vorhaben geplant. So will DRÄXLMAIER im Jahr 2025 sein Forschungs-, Entwicklungs- und Technologiezentrum in Sousse eröffnen. 

Unser Sousse-Hub ist ein starkes Bekenntnis zum Standort Tunesien. Wir sind seit 50 Jahren im Land aktiv und blicken auf eine gute Entwicklung zurück. Neben Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten werden wir von Sousse aus künftig IT-Services für die gesamte DRÄXLMAIER-Gruppe anbieten können. Wir stellen 1.000 Fachkräfte zusätzlich bei uns an und bieten ihnen damit eine Perspektive in ihrem Heimatland. 

Steffen Jürgens Country Manager und Head of Operations Tunesien, DRÄXLMAIER

Kromberg & Schubert vergrößert sich mit einer zweiten Fabrik, die ebenfalls im Jahr 2025 im Gouvernorat Béjà den Betrieb aufnehmen soll. Die Yura Corporation aus Südkorea plant Pressemeldungen zufolge, bis 2026 rund 6.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Derzeit beschäftigt der Kabelproduzent im Gebiet Kairouan etwa 2.000 Mitarbeiter. 

Zahlreiche neue Projekte geplantBekannt gewordene Vorhaben in der Kfz-Zulieferindustrie
Unternehmen (Land)SektorDetails
Yura Corporation (Südkorea)Herstellung von Kabeln und ZubehörSchaffung von 6.000 Arbeitsplätzen bis 2026 vorgesehen
ETILOG (Schweiz)Spezialverpackungen für den Automobil- und den Luft- und RaumfahrtsektorBau einer Fabrik im Gouvernorat Kairouan für 210 Mitarbeiter
Kromberg & Schubert (Deutschland)Herstellung von KabelbäumenBau einer zweiten Fabrik im Gouvernorat Béjà auf 35.000 Quadratmetern, Produktionsstart für Juni/Juli 2025 geplant
DRÄXLMAIER (Deutschland)Herstellung von KabelbäumenEröffnung des Forschungs-, Entwicklungs- und IT-Zentrums Sousse Hub mit 1.000 Arbeitsplätzen für 2025 geplant
Sumitomo Electric Wiring Systems (Japan)Herstellung von KabelbäumenSchaffung von 5.000 Arbeitsplätzen bis 2027; erste Phase: Erweiterung des Werks im Technopole von Monastir um 500 Arbeitsplätze
VISTEON (USA)Herstellung von elektronischen KomponentenErweiterung der Produktion, ein neues Technologiezentrum für Innendesign, Cybersicherheit und connected cars; bis 2026 sollen 350 Ingenieure eingestellt werden
Ampere (Renault-Gruppe)Embedded sytems für ElektrofahrzeugeIn Kooperation mit der ACTIA Gruppe
Quelle: Pressemeldungen 2024

Kabelsätze sind das Top-Exportprodukt 

Rund 280 Unternehmen zählt die tunesische Automobilzulieferindustrie. Die Anzahl der in den Unternehmen Beschäftigten wird auf 95.000 geschätzt. Über 70 Prozent von ihnen sind ausländische Unternehmen. Neben deutschen sind hier vor allem Firmen aus Frankreich und Italien aktiv. Es gibt aber auch nennenswerte tunesische Unternehmen. Zum Beispiel der Kabelproduzent COFICAB, der nach eigenen Angaben einen Weltmarktanteil von rund 19 Prozent hat. Das Unternehmen beliefert von Tunesien aus große OEMs wie Toyota, VW oder Hyundai. 

Die wichtigsten Exportprodukte aus Tunesien sind Kabel beziehungsweise Kabelsätze. In diesem Bereich ist nach wie vor viel Handarbeit nötig. Bei Zündkabelsätzen ist Tunesien drittwichtigstes Lieferland für die europäische Kfz-Industrie, hinter Marokko und Rumänien. Tunesien hat hier eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Die EU-Einfuhren aus Tunesien legten 2023 im Vergleich zu 2018 wertmäßig um 85 Prozent zu. Die Einfuhren aus Rumänien gingen im gleichen Zeitraum hingegen um 20 Prozent zurück. 

Die Abhängigkeit von der europäischen Automobilindustrie ist natürlich auch mit Risiken behaftet. Denn die Auftragslage ist nur gut, wenn die Automobilproduktion in der EU robust ist. Und in der europäischen Kfz-Industrie herrscht gerade eher Krisenstimmung. Deshalb suchen die Kfz-Unternehmen auch Abnehmer und Kooperationen in anderen Regionen, wie zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent. 

Der Umstieg auf die Elektromobilität ist für Tunesien eher eine Chance, da die hier hergestellten Produkte wie Kabel, mechanische Komponenten und Kunststoffe auch in E-Autos benötigt werden. Im November 2024 gab es die Meldung, dass sich die Renault-Tochtergesellschaft Ampere in Tunesien in Partnerschaft mit der ACTIA Group niederlässt. Die Unternehmen wollen in Tunesien gemeinsam On-Board-Systeme für Elektrofahrzeuge entwickeln.

Zulieferer konzentrieren sich an der Küste

Die Unternehmen der Kfz-Zulieferindustrie konzentrieren sich an der Küste, insbesondere in den Gouvernoraten Ben Arous (Großraum Tunis), Bizerte, Nabeul und Sousse. Hier gibt es Zugang zu den Mittelmeerhäfen, wobei vor allem über den Hafen von Radès in der Hauptstadt exportiert wird. Der Warentransport ist einer der Schwachpunkte des Standorts Tunesien, und damit stellt die hohe Abhängigkeit von importierten Vorprodukten ein Risiko dar. 

Das relativ hohe Bildungsniveau und die geografische Nähe zu Europa mit im Vergleich niedrigen Lohnkosten sind die wesentlichen Vorteile, die Tunesien für eine Produktion vor Ort bietet. Dies sind auch die Gründe, warum Unternehmen wie DRÄXLMAIER ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vor Ort ausbauen und dabei ganze Geschäftsprozesse nach Tunesien auslagern. Grundsätzlich ist Tunesien weiterhin gut aufgestellt, auch wenn Unternehmen sich in manchen Bereichen inzwischen schwerer tun, Personal zu finden und langfristig zu binden.

Aktiver Verband: Tunisian Automotive Association 

Die Tunisian Automotive Management Academy setzt hier an und bietet seit 2019 gezielt Weiterbildungen für das mittlere Management an. Die TAMA ist auf Initiative von deutschen Kfz-Zulieferfirmen entstanden und ist heute Teil der Tunisian Automotive Association (TAA). Seit ihrer Gründung im Jahr 2016 ist die TAA von 11 auf 80 Mitgliedsfirmen gewachsen. Eine Aufgabe des Verbands ist die Interessensvertretung der Branche auf politischer Ebene. 

Dafür hat die TAA im Juli 2022 eine Absichtserklärung mit der tunesischen Regierung unterzeichnet, um die Wettbewerbsfähigkeit des Automobilsektors in Tunesien zu erhöhen. Der sogenannte Wettbewerbspakt enthält 31 Maßnahmen, die in den Bereichen Infrastruktur, Regulierungen, Ausbildung, Forschung und Entwicklung sowie Sichtbarkeit ansetzen. Bis 2027 sollen durch die Umsetzung des Pakts rund 60.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. 

Um die Potenziale Tunesiens im Technologiebereich sichtbarer zu machen und den Austausch im Sektor zu fördern, veranstaltet die TAA gemeinsam mit der AHK Tunesien den Industry Innovation Day, der 2024 das dritte Mal stattfand. Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt den Verband bei den verschiedenen Vorhaben und im politischen Dialog.

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