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Special | Ukraine | Konnektivität | Stromnetze

"In den letzten Monaten hat sich die Welt für uns stark geändert"

Alexander Tremmel, geschäftsführender Gesellschafter des Kabelproduzenten SKB Group, spricht über die Ukraine und über den Kabelmarkt in Zeiten der Energiewende.

Von Lukas Latz | Berlin

Die SKB Group ist ein österreichischer Kabelproduzent. Neben der Zentrale in Schwechat in Niederösterreich betreibt die Gruppe Produktionsstätten in Tschechien, der Slowakei und der Ukraine. Spezialisiert ist die SKB Group auf Nieder- und Mittelspannungskabel, geeignet für Spannungen zwischen 1 und 30 Kilovolt. Außerdem produziert das Familienunternehmen Sicherheitskabel für Tunnel, Spitäler und andere Hochbauprojekte sowie Eisenbahnsicherungskabel.

Herr Tremmel, in der Ukraine betreiben Sie ein Werk nordwestlich von Kiew, ganz in der Nähe der Gebiete, die zum Teil durch die russische Armee besetzt waren. Wie geht es Ihren Mitarbeitern dort?

Den meisten geht es gut. Wir haben leider auch zwei Todesopfer durch Bombardierungen zu beklagen. Unser Vertriebsleiter wohnte in Irpin. Zur Zeit der russischen Besatzung musste er sich vier Tage im Keller verstecken. Sein Nachbar ist erschossen worden, ihm ist schlussendlich die Flucht gelungen. Unser Werk ist genau auf der Westachse, an der Autobahn aus Kiew raus. Die russische Armee hatte auch diese Gegend besetzt gehalten, und ganz in der Nähe unseres Werkes Flächenbombardierungen durchgeführt. Unser Werk wurde aber nicht beschädigt.

Alexander-Tremmel_RZ Alexander Tremmel, SKB-Group | © wookie.werbung

Wie geht es jetzt weiter?

Das Problem ist jetzt, die Mitarbeiter zu finden. Die meisten Mitarbeiter sind geflüchtet oder bei der Armee. In diesen Tagen haben wir angefangen, im Ein-Schicht-Betrieb die Fertigung langsam wieder hochzufahren. Ein Riesenproblem ist das Thema Strom. In weiten Gebieten ist der Strom ausgefallen. In dieser Situation gibt es natürlich andere Prioritäten. Aber auch hier wird der Bedarf an Kabeln groß sein. Wir sind ein wesentlicher Lieferant für die ukrainische Nuklearindustrie. Es gibt vier laufende Atomkraftwerke und die sind sehr daran interessiert, dass wir wieder die Produktion aufnehmen.

Seit wann betreiben Sie das Werk in der Ukraine?

Im Jahr 2006 haben wir die Mehrheit übernommen. Wir haben dort mehrere physische Partner, Minderheitsgesellschafter, die das operative Geschäft leiten.

Wie kam es zu der Entscheidung? Das war damals schon ungewöhnlich, oder?

Anfang der 1990er Jahre hatten wir in Prag ein Unternehmen gekauft. Das hat sich sehr erfolgreich entwickelt. Danach wollten wir die nächste Expansionswelle in den Osten machen. Wir wussten eigentlich nichts über die Ukraine, dachten aber, dass sie so ein Erfolgsmodell wie Tschechien, Slowakei, Polen oder Ungarn werden muss. Das zweite Argument: Es ist das größte europäische Land und die Konkurrenz ist relativ schwach. In der Theorie hätte damals ein großer Nachholbedarf bestanden. Das waren so die Argumente. Dann haben wir 15 Jahre Ukraine erlebt, einige Aufwärtsentwicklungen, viele Tiefs. Und der negative Höhepunkt waren jetzt die zwei letzten Monate.

Bereuen Sie es? Hat es sich gelohnt?

Finanziell hat es sich sicher nicht gelohnt, also schon vor dem Krieg nicht. Jetzt muss man schauen. Wir sehen das jetzt auch als moralische Verpflichtung, der russischen Aggression etwas entgegenzusetzen. Wir wollen dazu beitragen, die Ukraine als ein Erfolgsmodell dem russischen Gesellschaftsmodell entgegenzusetzen. Das ist sicher ein Anspruch, den wir jetzt haben. Wenn es einen Wiederaufbau gibt, steht das Kabel sicher an erster Stelle. Rein finanziell gesehen wäre es zu bereuen, ja. Aber man macht im Unternehmerleben nicht alles richtig. Bis jetzt haben wir durchgehalten und werden das sicher auch weiter tun.

Hat Russland als Markt für Sie auch mal eine Rolle gespielt?

Nicht wirklich. Vor 2014 hatten wir versucht, unsere Sicherheitskabel nach Russland zu exportieren. Da gab es damals schon wahnsinnig hohe nichttarifäre Handelshemmnisse. Das war einfach Papierkram, durch den man den Import verhindern wollte. Wir haben uns angepasst, Produkte mit kyrillischer Aufschrift versehen etc. Ab 2014, als Russland die Krim annektiert hatte, konnte man das natürlich vergessen. Das sind öffentliche Auftragnehmer. Kein Mensch hat mehr importiert. Die politischen Risiken in diesen Ländern darf man nicht unterschätzen. Deswegen ist ja die EU so genial, ist ein Euro genial. So ein offener Wirtschaftsraum bringt extrem viele Vorteile. Viele haben das schon vergessen.

Beziehen Sie Material aus Russland?

Im Aluminiumsektor war der russische Konzern Rusal immer ein natürlicher Partner. Über viele Jahrzehnte hat das gut funktioniert. Mit Beginn des Krieges haben wir jedoch die interne Entscheidung getroffen, aus moralischen Gründen keine Produkte mehr aus Russland oder aus Belarus zu beziehen. Deswegen mussten wir uns woanders nach Material umschauen.

Was bei der derzeitigen Belastung von Lieferketten wohl gar nicht so einfach ist…

Es ist natürlich gangbar. Aber es ist wie in anderen Branchen. Wenn du dich jetzt an jemanden wendest, der nicht dein Stammlieferant ist, bekommst du ein freundliches Lächeln und ein Schulterklopfen. Bei Stammlieferanten geht es. Seit einem halben Jahr hat sich die Welt für uns ganz stark geändert. Wie alle sind wir extremen Preiserhöhungen von unseren Lieferanten ausgesetzt. Der Begriff Force Majeure, höhere Gewalt – den gab es früher mal alle paar Jahre, wenn irgendwo eine Anlage explodiert ist. Mittlerweile kriegen wir das in Wochenabschnitten zu hören. Das sind alles Dinge, die kannten wir vorher überhaupt nicht.

Einerseits haben Sie diese Risiken durch Materialknappheit, andererseits aber wohl eine erhöhte Nachfrage.

Ja. Durch die Energiewende ist der Bedarf besonders hoch. Deshalb ist auch eine Bereitschaft vom Markt da, Preiserhöhungen zu akzeptieren. Und zwar in einer Weise, wie wir es vorher nicht kannten. Preiserhöhungen waren in unserer Branche eigentlich immer etwas ganz Ungewöhnliches und Schlimmes. Im Grunde ist die generelle Situation der Branche sicher nicht schlecht. Als weiteren Faktor muss man auch den russischen Angriff auf die Ukraine dazu nehmen, weil dadurch der Druck auf das Thema Energiewende noch viel stärker geworden ist. Eine Dezentralisierung der Stromversorgung macht eine Verstärkung der Netzinfrastruktur erforderlich.

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