Die Emirate wollen bis 2050 klimaneutral werden. Deutsche Firmen finden im wachsenden CCS- und CCUS-Markt attraktive Chancen zur Zusammenarbeit.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) treiben den Ausbau von Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO₂ voran. CCS steht für Carbon Capture and Storage und bezeichnet die Abscheidung von CO₂ aus Industrieprozessen mit anschließender unterirdischer Speicherung. Bei CCUS (Carbon Capture, Utilization and Storage) wird das abgeschiedene CO₂ zusätzlich weiterverwertet, etwa in der Industrie oder zur Ölförderung. Ziel ist es, die Öl- und Gaswirtschaft klimafreundlicher zu gestalten, ohne auf die Einnahmen aus dem fossilen Geschäft zu verzichten. Deutsche Anbieter profitieren dabei von technologischem Vorsprung und wachsendem Investitionsbedarf.
Für deutsche Unternehmen eröffnen sich Chancen im Anlagenbau, in der Umwelt- und Messtechnik, bei CO₂-Speichersystemen sowie in der Projektplanung. Gute Karten haben Anbieter mit zertifizierten, skalierbaren Technologien und internationaler Erfahrung. Der Marktzugang erfolgt meist über Ausschreibungen, Partnerschaften mit lokalen Unternehmen oder Beteiligung an internationalen Konsortien.
ADNOC treibt CCS/CCUS-Strategie voran
Die staatliche Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) spielt eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung der emiratischen Industrie. Bis 2045 will der Konzern klimaneutral wirtschaften und investiert dafür rund 15 Milliarden US-Dollar (US$). Ein Fokus liegt auf CCS-Verfahren: Die jährlich abgeschiedene CO₂-Menge soll von derzeit 0,8 Millionen (Stand Juni 2025) auf über 4 Millionen Tonnen bis 2030 steigen.
Im regionalen Vergleich innerhalb der Golfkooperationsrat-Staaten (GCC) liegen die VAE bei den Ausbauzielen aber hinter Saudi-Arabien. Das Königreich plant bis 2030 die Abscheidung von rund 9 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr, während die VAE bis dahin auf über 4 Millionen Tonnen kommen wollen. Länder wie Kuwait, Bahrain oder Oman haben bisher keine vergleichbaren Großprojekte initiiert. Katar verfolgt kleinere Vorhaben, kündigte aber an, künftig stärker in CCS zu investieren.
Leuchtturmprojekte verdeutlichen technologische Breite
Seit 2016 betreibt ADNOC gemeinsam mit Emirates Steel das Projekt Al Reyadah, das jährlich bis zu 800.000 Tonnen CO₂ aus der Stahlproduktion auffängt und zur verbesserten Erdölförderung (Enhanced Oil Recovery, EOR) einsetzt. Diese Technik gilt als Übergangslösung, denn sie verlängert die Nutzung fossiler Ressourcen und stößt international zunehmend auf Kritik.
ADNOC entwickelt daher auch alternative Konzepte weiter. Beim Projekt Habshan 5 entsteht bis 2030 eine Anlage, die mithilfe von CCUS jährlich bis zu 4,2 Millionen Tonnen CO₂ dauerhaft in tiefen Bodenschichten speichern soll. Die zentrale CO₂-Trennanlage befindet sich aktuell im Bau und soll 2026 in Betrieb gehen. Den Auftrag im Rahmen eines EPC-Vertrags (Engineering, Procurement and Construction) zur Planung, Beschaffung und Errichtung der Anlage über rund 600 Millionen US$ erhielt das britische Unternehmen Petrofac.
Parallel erprobt ADNOC gemeinsam mit dem omanischen Start-up 44.01 innovative Verfahren. Beim Pilotprojekt "Carbon-to-Rock" wird CO₂ dauerhaft in Karbonatgestein gebunden – eine natürliche und dauerhafte Speicherlösung. Nach erfolgreicher Testphase mit 10 Tonnen CO₂ wird das Projekt auf 300 Tonnen erweitert. Die Skalierung ist noch im Gange. Für deutsche Unternehmen ergeben sich interessante Einstiegsmöglichkeiten bei der Technologieentwicklung und Umsetzung. Laut CEO Talal Hasan kann diese Methode künftig wesentlich zur Reduzierung von CO₂-Emissionen beitragen.
Auch Offshore-Anlagen sollen künftig klimafreundlicher arbeiten. Beim Projekt Lightning investieren ADNOC und der Energieversorger TAQA rund 3,8 Milliarden US$ in ein Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungssystem (HVDC). Es versorgt Bohrinseln mit Strom vom Festland und ersetzt gasbetriebene Turbinen. Damit sollen die CO₂-Emissionen der Offshore-Produktion um bis zu 50 Prozent sinken. Die Verlegung der Kabel wurde Anfang 2025 abgeschlossen, die Inbetriebnahme ist für Ende des Jahres geplant. Auch nach Abschluss der Bauphase bestehen Einstiegsmöglichkeiten, etwa bei Betrieb, digitaler Steuerung, Datenanalyse oder der Einbindung nachhaltiger Energietechnik.
Rechtsrahmen schafft Klarheit für Investoren
Ein wichtiger Schritt war die Verabschiedung des Klimagesetzes Federal Decree-Law No. 11 of 2024 im August 2024. Es schafft erstmals einen umfassenden Rechtsrahmen für CCS- und CCUS-Projekte in den VAE. Die neuen Regelungen betreffen Genehmigungsverfahren, Haftungsfragen, Eigentumsrechte an abgeschiedenem CO₂ sowie steuerliche Anreize. Investoren erhalten zudem leichter Zugang zu öffentlichen Aufträgen, wenn ihre Technologien zur Emissionsminderung beitragen.
Klimagesetz (Federal Decree-Law No. 11 of 2024)Geltungsbereich | Das Gesetz gilt für alle öffentlichen und privaten Unternehmen in den VAE, einschließlich solcher in Freihandelszonen. |
Emissionsüberwachung | Unternehmen mit jährlichen Emissionen von 500.000 Tonnen CO₂e oder mehr müssen ihre Emissionen messen, berichten und verifizieren lassen. |
Nationales Kohlenstoffregister | Einrichtung eines Registers zur Erfassung von Kohlenstoffemissionen und -gutschriften. |
CCUS als anerkannte Maßnahme | CCUS wird als Schlüsseltechnologie zur Emissionsreduktion anerkannt. |
Berichtspflichten | Jährliche Berichterstattung über Emissionen und Reduktionsmaßnahmen an das Umweltministerium (MOCCAE). |
Anreize und Unterstützung | Das Gesetz sieht finanzielle Anreize und Unterstützung für Unternehmen vor, die in emissionsmindernde Technologien investieren. |
Sanktionen bei Nichteinhaltung | Bei Verstößen drohen Geldstrafen von bis zu 2 Million AED und mögliche Lizenzentzüge. |
Inkrafttreten | Das Gesetz tritt am 30. Mai 2025 in Kraft, mit einer Umsetzungsfrist bis zum 28. Juni 2025. |
Diese Übersicht basiert auf den Informationen aus dem Bundesdekret-Gesetz Nr. (11) von 2024 der VAE und den dazugehörigen Erläuterungen.Quelle: UAE Ministry of Climate Change and Environment (MOCCAE), Federal Law Gazette, ADNOC, Emirates News Agency WAM; Juni 2025
Die Umsetzung des Gesetzes gilt als ambitioniert, aber nicht problemlos. Während der rechtliche Rahmen steht und erste Maßnahmen anlaufen, verläuft die praktische Anwendung teils schleppend. Kritiker bemängeln fehlende MRV-Standards (Messung, Berichterstattung, Verifikation), unklare sektorale Zielvorgaben und mangelnde Ressourcen bei kleinen Unternehmen. Der Aufbau des CO₂-Kreditregisters sowie der Durchsetzungsmechanismus – darunter Sanktionen – befinden sich noch in der frühen Entwicklungsphase.
Internationale Analysten verweisen jedoch darauf, dass die VAE im regionalen Vergleich frühzeitig eine nationale Klimapolitik auf regulatorischer Ebene verankert haben. Für deutsche Anbieter von Monitoring-Technologien, Softwarelösungen oder Beratungsdienstleistungen ergeben sich dadurch Einstiegsmöglichkeiten, insbesondere dort, wo Emissionsberichte, digitale Nachweissysteme oder sektorale Klimastrategien gefragt sind.
Von Heena Nazir
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