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Branche kompakt | Spanien | Abfallwirtschaft

Spanien auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

Noch werden in Spanien mehr Abfälle deponiert als im EU-Durchschnitt. Die politischen Ziele für die Zukunft sind allerdings ehrgeizig und umfassend.

Von Oliver Idem | Madrid

  • Marktchancen

    Das Recycling gewinnt gegenüber der Deponierung an Bedeutung. Die Kreislaufstrategie 2030 definiert Ziele für eine stärkere Verwertung von Abfällen.

    Branchenunternehmen investierten 2018 knapp 626 Millionen Euro

    Laut neuesten Zahlen des Statistikamtes INE erzielten die spanischen Abfall- und Entsorgungsunternehmen 2018 einen Umsatz von 11,8 Milliarden Euro. Darunter fallen das Einsammeln, die Behandlung und Entsorgung sowie die Verwertung von Abfällen. Die Anlageinvestitionen des Sektors erreichten 625,6 Millionen Euro. Davon entfiel die Hälfte auf Unternehmen, die Abfälle einsammeln.

    Der Abfallsektor benötigt mehr Investitionen in die Sammlung, Sortierung und Behandlung, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Entsprechende Projekte bieten deutschen Unternehmen Zulieferchancen bei Technologien für neue und optimierte Anlagen zur thermischen, biologisch-mechanischen und chemisch-physikalischen Behandlung, zur Geruchs- und Emissionsvermeidung und zum Monitoring.

    Spanien setzt in der Abfallwirtschaft eigene Akzente, die sich aber in einem internationalen Rahmen bewegen. Der Aufbau- und Resilienzplan des Landes zielt ebenfalls auf eine emissionsarme Kreislaufwirtschaft ab und ist mit den übrigen staatlichen Abfallzielen verzahnt. Im Fokus der Initiativen stehen die Abfallhierarchie, eine bessere elektronische Dokumentation von Abfalltransporten sowie ein Verbot der Deponierung von großen Reifen.

    Das im Aufbau- und Resilienzplan genannte Gesetz über Abfälle und kontaminierte Böden passierte im Dezember 2021 den spanischen Kongress. Damit ist nur noch die Zustimmung des Senats erforderlich, damit die Regelungen in Kraft treten können. Kernpunkte sind die feiner ausdifferenzierte Einsammlung von Abfällen insbesondere in kleineren Orten und die Eindämmung der Verwendung von Kunststoffen. Steuern auf Verpackungen aus Einwegkunststoff sowie die Verbrennung und Deponierung von Abfällen sollen das Erreichen der Ziele unterstützen.

    In Spanien setzen die Zentralregierung und die Autonomen Gemeinschaften eigene Akzente. Es gilt der Staatliche Rahmenplan zum Abfallmanagement PEMAR 2016-2022 (Plan Estatal Marco de Gestión de Residuos).

    Zu den abfallpolitischen Zielen zählen Ökodesign und Ökoinnovationen sowie die Wiedereinführung von Nebenprodukten und Abfällen als Rohstoffe für andere Produktionszyklen. Als Branchen mit Perspektiven für mehr Effizienz sieht die Regierung die Bauwirtschaft, die Lebensmittelindustrie, den Tourismus, den Verpackungssektor, die Textilbranche sowie die Elektro- und Elektronikindustrie.

    Die 17 Autonomen Gemeinschaften folgen dem Rahmenplan PEMAR in eigenen mehrjährigen Abfallwirtschaftsplänen. Im Zuge ihrer Planung bis 2030 überarbeiten einige Regionen auch ihre Abfallgesetzgebung.

    Die Gemeinden füllen ebenfalls eine wichtige Rolle darin aus, Abfälle getrennt einzusammeln. Dies geschieht zum Teil über Sammelpunkte, bei denen Bürger Reststoffe abgeben können, sowie über die Leerung von Tonnen oder Containern etwa für Papier und Altglas.

    Das Umweltbewusstsein nimmt in Spanien seit Jahren zu. Das drückt sich auch in einer steigenden Teilnahme an der Mülltrennung aus. Im Juli 2021 berichtete die Tageszeitung El Mundo, dass rund 82 Prozent der Bevölkerung Abfälle zuhause vorsortieren. Gegenüber dem Vorjahr trennten knapp 2 Millionen Menschen mehr ihre Abfälle als zuvor. Insgesamt beteiligen sich 38,9 Millionen Bürger an der Mülltrennung.

    Pro Kopf fallen, laut der Tageszeitung El País von Mai 2021, jährlich 435 Kilogramm Haushaltsabfälle an. Davon entfällt die Hälfte auf organische Abfälle und Verpackungen. Organische Materialien bilden mit 36 Prozent die größte Menge, gefolgt von Verpackungen aus Kunststoff, Metall oder Karton mit zusammen 14 Prozent. 

    Die zweitgrößte Stadt Barcelona hat sich eigene Ziele für die getrennte Abfallsammlung von 50 Prozent für 2020 und 60 Prozent für 2030 gesetzt. Der Vertrag für das lokale Abfallmanagement und die Stadtreinigung hat einen Gesamtwert von knapp 2,5 Milliarden Euro.

    Kreislaufstrategie zielt auf weniger Abfälle bis 2030 ab

    Spaniens Strategie für eine Kreislaufwirtschaft legt einen wichtigen Akzent auf die Abfallhierarchie. Diese setzt schon bei der Vermeidung an. Die entstehenden Abfälle sollen recycelt, zur Energiegewinnung verwendet oder verwertet werden. Um Umweltschäden durch wildes Deponieren zu verhindern, steht auch die Rückverfolgbarkeit von Müll auf der Agenda. Ein besseres Ressourcenmanagement soll auch dadurch erreicht werden, dass weniger Nahrungsmittel im Abfall landen.

    Im Vergleich zum Basisjahr 2010 lautet das Ziel für 2030, die gesamte Abfallmenge um 15 Prozent zu reduzieren. Der Inlandsmaterialverbrauch soll im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um 30 Prozent sinken. Für bis zu 10 Prozent der Siedlungsabfälle wird eine Wiederverwendung angestrebt.

    Zur Konkretisierung der übergeordneten Kreislaufwirtschaftsziele dienen Pläne für einzelne Zeitabschnitte. Der aktuelle Plan umfasst den Zeitraum 2021 bis 2023. Der Aktionsplan beinhaltet acht Punkte mit insgesamt 112 Maßnahmen. Unter den Punkten sind Produktion, Abfallmanagement, Sekundärrohstoffe und der Komplex Forschung/Innovation/Wettbewerbsfähigkeit festgeschrieben.

    Abfallsammlung und Behandlung in Spanien (in Millionen Tonnen; Anteile und Veränderung in Prozent) ¹⁾
    Art der Behandlung

    2021

    Anteile

    Veränderung 2021/2020

    Insgesamt, darunter

    99,0

    100

    14,6

      recycelt

    49,4

    49,9

    4,5

      deponiert

    41,0

    41,4

    31,7

      verfüllter Abfall 2)

    4,8

    4,8

    7,6

      verbrannt

    3,8

    3,8

    7,2

    1 kommunale und nicht kommunale Abfälle, 2 vorwiegend mineralische Abfälle.Quelle: Statistikamt INE (Estadística sobre recogida y tratamiento de residuos, 2023)

    Recycling in Spanien nach Wertstoffen 2021 (in 1.000 Tonnen; Anteile und Veränderung in Prozent) *⁾
    Wertstoffe

    Menge

    Anteil an der Gesamtmenge

    Veränderung 2021/20

    Insgesamt

    28.014

    100

    12,1

      metallische

    10.519

    37,5

    22,1

      Papier und Karton

    4.496

    16,0

    6,0

      Sortierrückstände

    2.969

    10,6

    0,9

      tierische und pflanzliche

    1.854

    6,6

    11,0

      Glas

    1.261

    4,5

    18,8

      Kunststoff

    648

    2,3

    14,0

      Chemische

    558

    2,0

    35,1

      Elektrogeräte

    441

    1,6

    25,0

      Batterien und Akkumulatoren

    298

    1,1

    7,9

      Holz

    288

    1,0

    -2,5

    * kommunale und nicht kommunale Abfälle, wichtigste Wertstoffe ohne 21,4 Mio. Tonnen vorwiegend mineralische Abfälle.Quelle: Statistikamt INE, Estadística sobre recogida y tratamiento de residuos, 2023

    EU-Kommission pocht auf weniger Deponierung von Abfällen

    Die EU-Kommission bescheinigte Spanien in ihrem neusten "Environmental Implementation Review" von 2019 gleichermaßen Fortschritte und Handlungsbedarf. Letzterer besteht bei Investitionen in die Wiederverwertung und dem Zurückdrängen der Deponierung.

    Aufkommen und Behandlung von Kommunalabfällen in Spanien (in Millionen Tonnen)
    Art der Behandlung

    2018

    2019

    2020

    2021

    Kommunalabfall insgesamt, davon

    22,2

    22,3

    22,0

    22,3

      deponiert

    11,9

    11,3

    10,8

    11,6

      verbrannt zur Energiegewinnung

    2,6

    2,4

    2,2

    2,6

    Quelle: Eurostat 2024

    Die EU-Kommission kritisierte auch, dass noch immer Abfälle in Spanien illegal oder unter unzureichenden Standards deponiert werden. Kompostierung und Recycling legen allerdings stetig zu. Das Verbrennen von Abfällen ist in Spanien weniger verbreitet als in anderen europäischen Ländern.

    Als fehlenden Anreiz wertete die EU, dass die lokalen Abfallgebühren meistens unabhängig von der anfallenden Menge erhoben werden. Damit tragen sie nicht zum Ausbau einer getrennten Sammlung und mehr Wiederverwertung bei.

    Wichtigste Investitionspläne in der Abfallwirtschaft in Spanien (Investitionen in Millionen Euro)

    Investitionspläne

    Investition 

    Stand

    Projektträger

    Stadtverwaltung Barcelona/ neuer Abfallmanagement -und Stadtreinigungsvertrag bis 2029

    2.456 

    in der Umsetzung 

    Die getrennte Sammlung soll von 28 auf 60 Prozent im Jahr 2030 angehoben werden. Auftraggeber Ajuntament de Barcelona hat die Ausschreibung in vier Teile aufgespalten. Auftragnehmer: FCC Ambiente; Corp.Cld. Servicios Urbanos, Valoriza und Urbaser. Informationen zum Vergabeverfahren auf der Ausschreibungsplattform der Region Katalonien.

    Plan Integral de Residuos de Andalucía. Hacia una economía circular en el Horizonte 2030 (PIREC)

    447

    in der Umsetzung 

    Im Integrierten Abfallplan der Region Andalusien wird eine Verringerung der kommunalen Abfallmenge von 10% für das Jahr 2035 angestrebt. Hinzu kommen Investitionen in Forschung und Entwicklung für Abfallmanagement und die Einführung von Kreislaufwirtschaftsinitiativen.

    Estratexia Galega de Economía Circular 2020-2030

    266

    in der Umsetzung

    Strategie für die Kreislaufwirtschaft der Region Galizien. Neues Abfallgesetz mit konkreten Zielvorgaben im Verabschiedungsprozess.

    Estrategia de Gestión Sostenible de los residuos de la Comunidad de Madrid 2017 bis 2024

    227

    in der Umsetzung

    Strategie für die Abfallwirtschaft der Region Madrid. Jahresbudget für kommunale Abfallentsorgung, -vermeidung sowie Forschung und Entwicklung.

    Plan de Prevención y Gestión de Residuos del País Vasco PPGR 2030

    97

    in der Umsetzung

    Abfallplan der Region Baskenland Vorgesehene Ziele: 30 Prozent Verringerung des Abfallaufkommens und Erhöhung der getrennten Sammlung auf 85 Prozent.

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Oliver Idem | Madrid

  • Branchenstruktur

    In der spanischen Abfallindustrie sind etwa 2.700 Unternehmen tätig. Die Umweltdienstleister großer Baukonzerne spielen eine wichtige Rolle.

    Privatunternehmen repräsentieren drei Viertel des Marktes

    Die Abfallindustrie Spaniens hat über 2.700 private und öffentliche Firmen. Etwa ein Viertel des Marktes bearbeiten öffentliche Unternehmen. Das Geschäft dominieren die Umweltdienstleistungsfilialen der großen Baukonzerne.

    Die Gesellschaft China Tianying (CNTY) verkaufte Mitte 2021 den spanischen Umweltdienstleister Urbaser. Dieser ist in der Straßenreinigung, Grünpflege sowie energetischen Verwertung von Abfällen aktiv, wie die Wirtschaftszeitung Cinco Días berichtete. Urbaser ist in 25 Ländern vertreten und versorgt circa 70 Millionen Menschen. Für knapp 3,5 Milliarden Euro ging Urbaser in den Besitz von Platinum Equity aus den USA über.

    Ebenfalls im Sommer 2021 verkaufte Ferrovial sein Umweltdienstleistungsgeschäft in Spanien und Portugal. Das zur Schwarz-Gruppe gehörende Unternehmen PreZero erwarb die Sparten für rund 1,1 Milliarden Euro. 

    Im November 2021 gaben Sacyr und das US-Technologieunternehmen Honeywell bekannt, künftig beim Kunststoffrecycling zusammenzuarbeiten. Beide Partner wollen in Andalusien eine Anlage aufbauen, in der Honeywells neue UpCycle-Technologie einsetzen wird. Ab 2023 soll das Werk mit einer Kapazität von 30.000 Tonnen betriebsbereit sein. 

    Lizenzgeber für den "Grünen Punkt" ist in Spanien das nicht gewinnorientierte Verpackungsrücknahmesystem Ecoembes. Für die Glasverpackungen ist Ecovidrio zuständig, für Elektronik und Elektroschrott Ecoasimelec. Sigre ist die Initiative der Arzneimittelindustrie und Sigrauto ist der Verband zur Behandlung ausrangierter Fahrzeuge.

    Spaniens umsatzstärkste Abfallwirtschaftsunternehmen (Umsätze in Millionen Euro)

    Unternehmen

    Umsatz 2020

    FCC Medio Ambiente 

    1.353

    Urbaser 

    727

    Cespa Servicios Medioambientales (Ferrovial)  1)

    518

    Valoriza Servicios Medioambientales (Sacyr Servicios) 

    421

    Derichebourg España

    270

    Cespa Gestión de Residuos (Ferrovial) 2)

    267

    Saica Natur 

    193

    SAV Agricultores de la Vega de Valencia

    124

    Sociedade Galega do Medio Ambiente (SOGAMA)

    110

    1) Geschäftsbereich Abfallentsorgung; 2) Geschäftsbereich Abfallbehandlung. Ferrovial hat im Juli 2021 die Unternehmenssparte Cespa an die Gruppe PreZero verkauft. Quelle: Actualidad Económica, Dezember 2021

    Von Oliver Idem | Madrid

  • Rahmenbedingungen

    Spanien stellt deutsche Unternehmen nicht vor besondere Hürden beim Marktzugang. Wichtig ist es jedoch, die regionalen Unterschiede zu beachten.

    Dezentralisierter Markt mit wichtigen regionalen Akteuren

    Spaniens Markt für Entsorgung und Recycling ist sehr dezentralisiert durch die hohe Autonomie der Regionen und Kommunen. Hinzu kommt die Mehrsprachigkeit in wichtigen Regionen. Präsenz vor Ort sowie Kontakte zu den planenden öffentlichen Stellen und möglichen Konzessionsnehmern sind wichtig.

    Öffentliche Ausschreibungen in der Abfallwirtschaft finden sich auf dem spanischen Portal für öffentliche Beschaffung und im European Tender Information System (ETIS). Als ETIS-Partner bietet Germany Trade & Invest Ihnen Zugang unter https://www.gtai-eu-ausschreibungen.de/gtai/home/index.do.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Oliver Idem | Madrid

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