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Öffentliche Aufträge in Polen

Am 1. Januar 2021 ist das neue Gesetz über das öffentliche Auftragswesen in Kraft getreten. Es hat ein in Polen seit über 15 Jahren geltendes Gesetz ersetzt.

Von Marcelina Nowak, Dmitry Marenkov | Bonn

Ausschreibungsinformationen

In Polen sind sämtliche ausgeschriebene öffentliche Aufträge über das Internetportal des polnischen Vergabeamtes (Urzad Zamówien Publicznych) abrufbar. Über die Suchmaske des als Biuletyn Zamówien Publicznych bezeichneten Portals, können die ausgeschriebenen Aufträge nach Art, Datum oder Ort der Ausschreibung recherchiert werden. Zu beachten ist dabei allerdings, dass in Polen eine Ausschreibung erst als Ausschreibung im vergaberechtlichen Sinn gilt, wenn sie einem Betrag in Höhe von 30.000 Euro entspricht oder diesen Schwellenwert überschreitet (130.000 PLN oder mehr beträgt). Geregelt ist es im Artikel 2 Punkt 1. Umgerechnet wird nach dem aktuellen Wechselkurs. 

Darüber hinaus haben auch die jeweiligen (Groß-) Städte ihre eigenen Internetportale, über die Ausschreibungsinformationen eingeholt werden können. So zum Beispiel:

Überschreiten die öffentlichen Ausschreibungen die europäischen Schwellenwerte (beispielsweise Liefer- und Dienstleistungsaufträge, Bauaufträge), finden sich Informationen darüber auch auf europäischer Ebene. Die wichtigste Informationsplattform hierfür stellt das Tenders Electronic Daily dar. Die Nutzung des TED bedarf einer vorherigen Anmeldung.

Vergabeverfahren

Die im polnischen Vergaberechtsgesetz vom 11. September 2019 (Prawo zamówien publicznych) vorgesehenen Arten der Vergabe entsprechen im Wesentlichen den deutschen Verfahren. Die zwei grundlegenden Vergabeverfahren in Polen sind:

- Offenes Verfahren (przetarg nieograniczony), geregelt in Artikel 132 bis 139:

Der przetarg nieograniczony stellt das polnische Pendant zu der Öffentlichen Ausschreibung beziehungsweise dem Offenen Verfahren (EU-Begriffsregelung; gilt für Ausschreibungen, die die europäischen Schwellenwerte überschreiten) in Deutschland dar. Charakteristisch für diese Art der Vergabe ist auch in Polen, dass sie öffentlich bekannt gemacht wird und sich an alle interessierten Teilnehmer richtet. Dies bedeutet, dass jede Person, die meint, den ausgeschriebenen Auftrag ausführen zu können, ihr Angebot abgeben kann.

- Nichtoffenes Verfahren (przetarg ograniczony), geregelt in Artikel 140 bis 151:

Der przetarg ograniczony stellt das polnische Pendant zu der Beschränkten Ausschreibung beziehungsweise dem Nicht-Offenen-Verfahren (EU-Begriffsregelung; gilt für Ausschreibungen, die die europäischen Schwellenwerte überschreiten) in Deutschland dar. Diese polnische Art der Vergabe unterscheidet sich aber erheblich von seinem deutschen Gegenüber. In Deutschland stellt die Beschränkte Ausschreibung beziehungsweise das Nicht-Offene-Verfahren eine Ausnahme dar, das nur in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen zur Anwendung kommen darf.

In Polen hingegen hat der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich das Recht, zwischen dieser Art der Vergabe und dem przetarg nieograniczony zu wählen. Bei dem przetarg ograniczony kann der öffentliche Auftraggeber allerdings bereits einige Einschränkungen im Hinblick auf den Teilnehmerkreis vornehmen. So kann er beispielsweise bestimmen, dass Angebote nur von solchen Teilnehmern abgegeben werden können, die bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. In diesen Fällen hat der potentielle Teilnehmer vor der Abgabe seines Angebots zunächst einen Antrag auf Teilnahme an dem Vergabeverfahren zu stellen. Erfüllt der Antragsteller in einem ausreichenden Maß die vorgegebenen Voraussetzungen, wird er zur Abgabe seines Angebots aufgefordert.

Rechtsschutzsystem

Teilnehmer an einem polnischen Vergabeverfahren haben die Möglichkeit, eine Verletzung ihrer Rechte beziehungsweise die Verletzung von Verfahrensregeln gerichtlich zu beanstanden. Die dem Teilnehmer zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten hängen allerdings davon ab, ob es sich um Ausschreibungen unterhalb oder oberhalb der (europäischen) Schwellenwerte handelt.

Bei Ausschreibungen des öffentlichen Auftraggebers, die unterhalb der (europäischen) Schwellenwerte liegen, steht dem Teilnehmer nur gegenüber bestimmten Handlungen des Auftraggebers Rechtsschutz zu. Zu diesen Handlungen zählt:

  • Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, der statt einer der beiden grundlegenden Vergabeverfahren das Freihändige Verfahren (zamówienie z wolnej reki), die Verhandlung ohne Veröffentlichung (negocjacja bez ogloszenia) oder die Preisanfrage (zapytanie o cene) gewählt hat.
  • Eine unkorrekte Beschreibung der Auswertungsmethodik im Hinblick auf die Erfüllung des Anforderungsprofils des Teilnehmers.
  • Der Ausschluss des Teilnehmers aus dem Vergabeverfahren.
  • Die Zurückweisung des Angebots des Teilnehmers.
  • Die Beschreibung des Vergabegegenstandes.
  • Die Auswahl des günstigsten Angebots.

Bei Vergabeverfahren, die oberhalb der (europäischen) Schwellenwerte liegen, steht dem Teilnehmer der Rechtsschutz gegenüber sämtlichen Handlungen oder Unterlassungen des öffentlichen Auftraggebers zu, die er nach dem polnischen Vergaberechtsgesetz hätte vornehmen beziehungsweise unterlassen müssen.

Zuständiges Gericht erster Instanz für Vergaberechtsstreitigkeiten ist die sogenannte Krajowa Izba Odwolawcza (KIO). Dieses Gericht stellt allerdings kein ordentliches Gericht dar, sondern ist vielmehr mit einem Schiedsgericht vergleichbar. Die Kammer (Izba) besteht derzeit aus 34 Mitgliedern, die keine Berufsrichter sind, sondern vielmehr als ausgewiesene Experten in vergaberechtlichen Fragestellungen gelten.

Gegen Entscheidungen der KIO steht sowohl dem öffentlichen Auftraggeber als auch dem sich in seinen Rechten verletzt fühlenden Teilnehmer das Rechtsmittel der Beschwerde (skarga) zur Verfügung, die beim zuständigen Bezirksgericht (Sad Okregowy) erhoben wird.

Gegen Entscheidungen des polnischen Bezirksgerichts steht nur dem Vorsitzenden des Polnischen Vergabeamtes (Prezes Urzedu Zamówien Publicznych) das Rechtsmittel der sogenannten Kassationsbeschwerde (skarga kasacyjna) zum obersten polnischen Gericht (Sad Najwyzszy) in Warschau zu.

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