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Special | Indonesien | Wege aus der Coronakrise

Konjunktur und wichtigste Branchen

Der neuerliche Lockdown hat das wirtschaftliche Leben abgewürgt. Deshalb bleibt das Wachstum 2021 klar unter dem Schnitt der letzten 20 Jahre. (Stand: 20. Oktober 2021)

Von Frank Malerius | Jakarta

Die Coronapandemie hat in Indonesien zu einer Zäsur geführt. Nach zwei Dekaden mit Wachstumsraten von durchschnittlich mehr als 5 Prozent per anno war das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um 2,1 Prozent geschrumpft. Das war aber immerhin der zweitbeste Wert unter den großen ASEAN-Ländern, hinter Vietnam als der einzigen wachsenden Volkswirtschaft.

Die ursprünglichen Wachstumsprognosen für 2021 von deutlich mehr als 5 Prozent wurden mit anhaltender Coronapandemie kontinuierlich heruntergeschraubt. Die Regierung rechnet derzeit im Negativszenario mit einem Plus von nur noch 3,7 Prozent. Doch angesichts des Lockdowns von Juli bis September und Einschränkungen des Wirtschaftslebens auch darüber hinaus ist selbst dies nicht mehr zu halten. Schon im 1. Halbjahr 2021 war eine Wachstumsrate von nur 3,1 Prozent erreicht worden.

Lockdown trifft die Armen

Die offiziellen Corona-Infektionszahlenzahlen und -Todesfälle in Indonesien sind über den gesamten Pandemieverlauf auf die Bevölkerungsgröße gerechnet im internationalen Vergleich gering. Auf 1 Million Einwohner kommt täglich durchschnittlich weniger als ein Corona-Toter. Ob die tatsächlichen Zahlen deutlich höher sind als die offiziellen, ist schwer zu ermessen.

Zu einer größeren Überforderung des Gesundheitssystems ist es bisher nur in einem kurzen Zeitraum im Juli 2021 gekommen (lokale Ausnahmen ausgenommen). Schwerpunkt war dabei Java, wo fast 60 Prozent der Indonesier leben. Der Archipel hat das Gesundheitssystem eines aufstrebenden Schwellenlandes mit - gemessen an der Bevölkerungszahl - deutlich weniger Krankenhaus- und Intensivbetten als in Industrieländern.

Über die meiste Zeit der Pandemie war das öffentliche Leben nur moderat eingeschränkt gewesen. Shoppingmalls, Geschäfte und Restaurants waren weitgehend in Betrieb. Doch von Anfang Juli bis Ende September 2021 wurden Restaurants und Geschäfte auf Java und Bali sowie in urbanen Zentren anderer Regionen geschlossen. Für Büroangestellte wurde eine Homeoffice-Pflicht eingeführt, die auch im Oktober nur leicht gelockert wurde. Harte Ausgangsbeschränkungen im privaten Bereich wären aufgrund des heißen Klimas, der beengten Lebensbedingungen vieler Menschen und deren Notwendigkeit, wirtschaftlich tätig zu sein, schlichtweg nicht durchsetz- und schon gar nicht sanktionierbar gewesen. 

 

Exportindustrie hat Privilegien

Die Industrie war durch den Lockdown weniger eingeschränkt als andere Wirtschaftsbereiche. Dennoch machten vielen Unternehmen das Risiko, bei der Infektion eines Mitarbeiters vorübergehend schließen zu müssen, sowie die Konsumzurückhaltung zu schaffen. Generell werden exportorientierten Sektoren in der Krise größere Freiheiten zugestanden. Die verarbeitende Industrie insgesamt war 2020 um 2,9 Prozent geschrumpft. Hier geht es nur langsam wieder bergauf: Im 1. Halbjahr 2021 wuchs sie um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und damit deutlich schwächer als die Gesamtwirtschaft.

Die verschiedenen Wirtschaftsbereiche sind unterschiedlich von der Krise betroffen. Am stärksten leidet der Tourismus: Ausländische Besucher gab es seit anderthalb Jahre nicht mehr. Im Oktober 2021 wurde Bali für Touristen aus bestimmten Ländern geöffnet - allerdings mit der Pflicht zu einer fünftägigen Hotelquarantäne nach Einreise. Das dürfte die meisten Interessenten abschrecken.

Auf Erholungskurs ist die Automobilindustrie, die 2020 Verkaufseinbußen von fast 50 Prozent verkraften musste. Im 1. Halbjahr legten Produktion und Verkauf um 40 Prozent zu. Doch der Lockdown dürfte alle hoffnungsvollen Prognosen für das Gesamtjahr zunichte machen.

Ein Unsicherheitsfaktor für die wirtschaftliche Erholung ist der private Konsum, der für mehr als die Hälfte der BIP-Verwendung steht. Er wuchs im 1. Halbjahr 2021 lediglich um 1,7 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode und damit ebenfalls deutlich geringer als die Gesamtwirtschaft.

Regierung beschränkt Medizintechnikimporte

Der Außenhandel hat hingegen wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Für die ersten acht Monate 2021 steht laut Statistikamt ein Wachstum der Importe um ein Drittel zu Buche. Allerdings konnten deutsche Ausfuhren in den Archipel davon nicht profitieren: Sie blieben im 1. Halbjahr 2021 auf Krisenniveau. Die Deutschen Lieferungen waren 2020 um 23 Prozent gesunken. Dabei hatten sich die Exporte von Kfz halbiert. 

Eine Ausnahme von der Importschwäche 2020 bildete die Medizintechnik. Ihre Einfuhren waren im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent auf den neuen Rekord von 1,2 Milliarden US$ gewachsen. Denn der Inselstaat hat während der Pandemie in sein Gesundheitssystem investiert. Auch bei den deutschen Medizintechniklieferungen hatte es mit einem Plus von 35 Prozent auf knapp 150 Millionen US$ einen neuen Rekord gegeben. 

Doch diese Entwicklung hat ein vorerst ein jähes Ende gefunden: Ein plötzlicher Importstopp für mehr als 5.000 Medizintechnikprodukte (die vermeintlich im Lande selbst hergestellt werden können) in der öffentlichen Beschaffung behindert die Lieferanten und lässt Zweifel an der Reformfähigkeit der protektionistischen Wirtschaftspolitik des Archipels aufkommen. Deutschland gehört hinter China zu den wichtigsten Bezugsquellen für das indonesische Gesundheitssystem.

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