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Solar Energy Saran Kasachstan | © Goldbeck Solar GmbH

Special Kasachstan Konnektivität

Wie deutsche Unternehmen Kasachstans Energiewende mitgestalten

Durch ausländische Investoren im Energiesektor will Kasachstan Wissenstransfer ermöglichen. Wie wird so ein großes Investitionsprojekt umgesetzt? GTAI stellt den Ablauf dar.

Von Lukas Latz, Quentin Blommaert | Berlin, Bonn

In der Nähe der Stadt Karagandy hat das baden-württembergische Familienunternehmen Goldbeck Solar in den 100-Megawatt-Solarpark Saran investiert. Goldbeck Solar organisierte die Einfuhr von Waren, die Montage, die Finanzierung und führt aktuell auch den Betrieb. GTAI stellt den Ablauf des Großprojekts und die Rahmenbedingungen des kasachischen Marktes für erneuerbare Energien dar. Drei unmittelbar beteiligte Unternehmen geben Auskunft:

Beteiligte Unternehmen

Beteiligtes Unternehmen

Aufgabe

Goldbeck Solar

Investor, Betriebsführung

C. Spaarmann Kazakhstan

Zollvertretung

Enerparc AG

Generalunternehmer bei der Montage des Solarparks

  • Kasachstan diversifiziert seine Stromversorgung

    Um seine Abhängigkeit von Öl und Kohle zu verringern, sucht Kasachstan ausländische Investoren in nachhaltige Stromerzeugung. Diese müssen Wagemut mitbringen.

    Kasachstan ist stark abhängig von fossilen Energien. Mehr als drei Viertel der jährlichen Exporte sind mineralische Rohstoffe. Nach Angaben des staatlichen Energieversorgers KEGOC stammen 90 Prozent des landesweit produzierten Stromes aus fossilen Energiequellen.

    Allein drei Kohlekraftwerke stehen in Almaty, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes. In den Wintermonaten übersteigt die Feinstoffbelastung regelmäßig Normen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das hat auch Folgen für die Gesundheit der Stadtgesellschaft: Bei einem TEDx-Talk in Almaty erklärte Nasiba Bajmatova, Chemikerin beim staatlichen Laboratorium „Ecology of Biosphere“, dass jeder dritte Bewohner der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt an Atemwegserkrankungen leidet.

    Auch in anderen Städten wie etwa in Ust-Kamenogorsk, das stark von Metallurgie geprägt ist, hat die Verbrennung von Kohle mit besonders hohem Aschegehalt dokumentierte Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Auch um diese Probleme zu lösen, will Kasachstan Solar- und Windparks aufbauen.

    Kasachstan braucht für die Energiewende Wissens- und Technologietransfer 

    Kasachstan will CO2-Emissionen senken. Im Dezember 2020 kündigte Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew an, dass Kasachstan bis 2060 CO2-neutral werden soll.

    Im Mai 2021 verschärfte Tokajew zudem die mittelfristigen Ausbauziele des Landes für erneuerbare Energien: Bis 2030 sollen 15 Prozent des kasachischen Stromes aus Fotovoltaik und Windkraft produziert werden. Aktuell sind es rund drei Prozent.

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    Wie gestaltet sich die Energiewende in einer Volkswirtschaft, die stark von fossilen Energieträgern abhängt und in der es wenig verarbeitende Industrie und wenig Technologie-Knowhow gibt?

    Seit den frühen 2010er Jahren wirbt Kasachstan um ausländische Direktinvestitionen, die Wind- und Solarparks aufbauen. Der erste große Solarpark wurde 2014 in Burnoe fertiggestellt. Zu den Pionieren der Erneuerbare-Energie-Infrastruktrur gehört auch das baden-württembergische Familienunternehmen Goldbeck Solar.

    Die folgende Analyse nimmt das erste kasachische Investitionsprojekt von Goldbeck Solar in den Blick: den Aufbau des 100-Megawatt-Solarparks in Saran, der sich auf einer Steppenfläche von 20 Quadratkilometern in der Nähe der Metropole Karagandy erstreckt. Die Studie folgt den einzelnen Projektschritten: vom Erwerb der Projektrechte, über die Lieferung der Technologie aus Westeuropa und aus China, über die Montage bis zur Strukturierung des Kredits.

    Herausforderungen auf dem kasachischen Erneuerbare-Energien-Markt im Überblick

    Wenn man mit den Ingenieuren, Projektmanagern und Logistikern spricht, die an der Investition in Saran beteiligt waren, kommt man zu folgenden Schlussfolgerungen:

    1. Fotovoltaik zählt zwar längst nicht mehr als Hightech, doch die ersten Pionierprojekte großer Solarparks in der kasachischen Steppe waren dennoch eine Herausforderung. Es mussten technische Lösungen gefunden werden, um die Anlagen vor starken Temperaturunterschieden zu schützen. Noch vor drei oder vier Jahren war es nicht abzusehen, wie zuverlässig die Technik unter den klimatischen Bedingungen in der kasachischen Steppe funktionieren würde.
    2. Die Einfuhr neuer Technologie nach Kasachstan ist mit einem Länderrisiko verbunden. Im Rahmen des größeren Investitionsprojektes von Goldbeck Solar standen kasachische Behörden wie der Zoll und die Akimate (regionale Verwaltungen) immer wieder vor Aufgaben, mit denen sie keine Erfahrung hatten. Das kann zu langen Bearbeitungszeiten und zu Konflikten führen.
    3. Kommerzielle Banken vergeben keine Kredite für Investitionen in Erneuerbare-Energie-Projekte in Kasachstan und eine Finanzierung durch multilaterale Geber wie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) kann womöglich erst im Lauf der Umsetzung des Projekts gesichert werden. Investoren brauchen daher Wagemut und viel Eigenkapital.

    Die ersten Projektschritte: Machbarkeitsstudien und Abnahmeverträge

    Zu den ersten Schritten der Projektentwicklung gehören Studien zu Verfügbarkeit und Qualität des Stromnetzes. Ein lokaler Projektentwickler suchte nach geeigneten Flächen. Dann schloss der Entwickler mit dem staatlichen Stromversorger KEGOC einen Vertrag darüber, dass KEGOC den produzierten Strom über 15 Jahre zu einem Standard-Einspeisetarif beziehen würde.

    Der bis 2018 angewandte Standard-Einspeisetarif beträgt circa 11 US-Dollarcent pro Kilowattstunde. Wie auch die seitdem geltenden variablen Auktionstarife ist der Tarif zum Teil an den Kurs des US-Dollar (US$) und zum Teil an die Inflationsrate gekoppelt, um Währungsrisiken auszugleichen.

    Olga Kovalchuk, Senior Investment Managerin bei Goldbeck Solar erklärt, dass Goldbeck Solar in das Projekt eingestiegen ist, als die ersten Entwicklungsschritte bereits getan waren: „Die Projektrechte haben wir im Sommer 2018 von einem lokalen Projektentwickler erworben. Zu diesem Zeitpunkt war der Stromliefervertrag bereits unterzeichnet."

    Der Vertrag sah eine Frist für den Beginn der Montage und den Netzanschluss vor. "Der Bau des Solarparks konnte von Goldbeck Solar in nur sechs Monaten abgeschlossen werden, sodass der Park termingerecht in Betrieb gehen konnte“, sagt Kovalchuk.

    Der fertige 100-Megawatt-Solarpark ging im Januar 2019 ans Netz. Mittlerweile ist Goldbeck Solar der größte ausländische Fotovoltaik-Investor in Kasachstan. Seit Juni 2019 betreibt die Firma einen weiteren Solarpark in Akadyr, der im Folgejahr noch einmal deutlich vergrößert wurde.

    Aus einer Datenbank der EBRD geht hervor, dass Goldbeck Solar plant, bis zu 169 Millionen US$ in Kasachstan zu investieren. Auf Nachfrage erklärte Goldbeck Solar, dass Informationen über die exakten Investitionssummen vertraulich seien.

    Von Lukas Latz | Berlin

  • „Zollanforderungen von Anfang an ernst nehmen“

    Ainur Abdina, C. Spaarmann Logistics | © C. Spaarmann Logistics

    C. Spaarmann Kazakhsta war an der Materialeinfuhr für vier kasachische Solarparks beteiligt. Ainur Abdina, CEO der Spaarmann-Filiale in Almaty, schildert, worauf es dabei ankam.

    Frau Abdina, Sie waren verantwortlich für die Zollabwicklung bei der Materialeinfuhr für den Solarpark in Saran. Wie umfangreich war das Projekt?

    Es waren 466 Container, die per Zug aus China kamen. Dabei handelte es sich um die Module für die Solaranlagen. Aus Deutschland kamen 395 LKWs mit Kabeln, den Unterkonstruktionen, auf denen die Module installiert wurden, und anderen Dingen, wie etwa den Schneekehrmaschinen.

    Was genau sind Ihre Aufgaben als Zollvertreter?

    Wir helfen dem Kunden, alle Steuern und Zölle richtig zu berechnen und zu zahlen. Wir achten auf nicht-tarifäre Forderungen. Das heißt, wir prüfen, ob Anlagen vom kasachischen Staat zu zertifizieren sind und ob die Einhaltung von Patentrechten nachgewiesen ist. Seit 2018 haben wir ein digitales Zollsystem in Kasachstan. Meine Kollegen tippen diese Zolldeklaration in das System ein und dann geben wir die Fracht frei. Es gibt eine Nomenklatur mit Zollcodes. Unser Job ist es, die Zollcodes richtig zu bestimmen, damit der Kunde alle Zollsätze korrekt bezahlt und sein Gut schnell zur Hand hat.

    Und bei Fehlern machen Sie sich haftbar?

    Richtig. Als Spaarmann sind wir seit 2011 im kasachischen Register der Zollvertreter. Jedes Jahr müssen wir unsere Präsenz in diesem Register verlängern. Voraussetzung ist, dass wir fehlerfrei arbeiten. Nur wenige administrative Strafen pro Jahr sind zulässig. Im Jahr 2011 haben 600 bis 700 Firmen als Zollvertreter gearbeitet. Heute sind noch 10 Prozent davon übrig. Der Hauptgrund für diese Dezimierung ist, dass die Firmen die Forderungen des Zollkomitees nicht erfüllt haben.

    Wie sind Sie an den Auftrag für den Solarpark in Saran gekommen?

    Wir waren schon mit dem Projektentwickler in Kontakt, von dem Goldbeck Solar die Projektrechte gekauft hat. Als Goldbeck Solar die Projektrechte erworben hat, bin ich im März 2018 nach Deutschland geflogen und habe unsere Dienstleistungen angeboten. Es musste alles ganz schnell gehen. Im Juli waren die Waren bereits verzollt und ausgeliefert.

    Was war die größte Herausforderung bei dem Projekt?

    Wir haben mit dutzenden Lieferanten gearbeitet. Es war viel Zeit erforderlich, mit den einzelnen Lieferanten zu sprechen und die Prozeduren zu erklären. Für die Lieferanten haben wir Teile des kasachischen Zollkodexes übersetzt. Das war wichtig, um sie zu überzeugen, dass alle Rechnungen, die den Waren beiliegen, nach dem gleichen Standard geschrieben sein müssen. Mit den Lieferanten haben wir dazu auf Deutsch, Englisch und mithilfe von Google Translate auch auf Chinesisch kommuniziert. Wenn Waren beim Zoll eingelagert werden müssen, weil die Prüfung der Dokumente komplizierter ist, kann das sehr teuer werden. Es ist von vielen Kleinigkeiten abhängig, wie schnell wir die Zollerklärung machen und Zolllagerkosten vermeiden können. Es war wichtig, den Lieferanten zu vermitteln: Obwohl Kasachstan durch die EAWU in einer Zollunion mit Russland ist, gibt es bestimmte Unterschiede zu Russland. Man kann nicht so deklarieren, wie man es für eine Einfuhr nach Russland tun würde.

    Wie konnten Sie ihrem Kunden helfen, sich als neuer Investor in Kasachstan zurechtzufinden?

    Wir waren daran beteiligt, den Investitionsvertrag mit der kasachischen Regierung vorzubereiten, was eigentlich nicht zu den Aufgaben eines Zollabwicklers gehört. Aber weil es die erste Erfahrung von Goldbeck Solar als Investor in Kasachstan war, haben wir den Zollteil des Investvertrages vorbereitet. Außerdem haben wir aktiv nach Zolllagern gesucht. Zuerst wollten wir in Karagandy verzollen, weil das die nächstgrößere Stadt in der Nähe von Saran ist. Aber dort sind die Bahngleise des Güterbahnhofs nicht lang genug für die Blockzüge, die aus China kamen. Daher fand die Zollabwicklung in Nur-Sultan statt. Wegen der großen Menge an Material, die der Kunde einführen musste, haben wir für die Zolllagerkosten einen Rabatt ausgehandelt.

    Gibt es in Kasachstan spezifische Risiken beim Umgang mit dem Zoll?

    Bei den Materialien für die Anlage in Saran war ein großes Problem die Korrektur des Zollwertes. Wenn Sie ein Gerät für 100 Euro kaufen, wollen Sie natürlich Zölle und Steuern auf Grundlage dieser 100 Euro zahlen. Es kann aber passieren, dass der Staat den angegebenen Preis für unglaubwürdig hält und er stattdessen Zölle für einen Einkaufswert von 200 Euro berechnet.

    Und was passiert im Streitfall?

    Goldbeck Solar hinterlegte eine Kaution. Die Kaution besteht aus der Differenz zwischen dem Zollwert, den das kasachische Zollsystem bestimmt hatte, und dem Zollwert, der aus unseren Lieferdokumenten hervorging. Danach hatten wir eine Frist, zu beweisen, dass die Zollabgaben, die wir bestimmt hatten, richtig waren. Das ist ein aufwendiges Prozedere. Wir haben dutzende Dokumente, etwa Kontoauszüge und die Rechnungen vorgelegt. Am Ende erhielt unser Kunde das Geld zurück. Das war ein großer Erfolg für uns. Vor drei Jahren war es noch gar nicht so selbstverständlich, dass das passiert. Dafür waren viele Gespräche auf höherer Ebene mit den kasachischen Behörden nötig.

    Auch bei den Folgeprojekten der Goldbeck-Gruppe hat Spaarmann sich um Zoll und Logistik gekümmert, richtig?

    Ja. Das war die Schlussfolgerung, die wir gemeinsam mit Goldbeck aus dem Saran-Projekt gezogen haben. Es ist besser, wenn das in einer Hand liegt, weil es dann einfacher ist, alle Dokumente nach dem gleichen Standard vorzulegen.

    Wie liefen die folgenden beiden Projekte?

    Beim zweiten Projekt Akadyr gab es auch Probleme mit der Bestimmung des Zollwerts, aber wir erhielten die Kaution zurück. Beim dritten Projekt, dem Ausbau von Akadyr, haben wir mit der kasachischen Zollbehörde im Vorhinein eine Lösung gefunden. Da wir zuvor schon mehrmals bewiesen hatten, dass das Geschäft sauber ist, gab es dann beim dritten Projekt keine Probleme mehr.

    Von Lukas Latz | Berlin

  • „Da können Sie Stahl beim Größer und Kleiner werden zusehen“

    Für kasachische Winter können Solartechnik und Baumaterial nicht nach deutschen Standards verbaut werden. Ingenieure müssen kreativ sein und auf lokale Expertise zurückgreifen.

    Nach Informationen der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) investierte Goldbeck Solar in den 100-Megawatt-Solarpark in Saran rund 105 Millionen US-Dollar (US$). Der Solarpark erstreckt sich in der Steppe auf 20 Quadratkilometern.

    Für Ingenieure ist das Klima in Kasachstan eine große Herausforderung. Im Jahr 2018 gab es in der Branche noch weniger Expertise dazu, wie gut Technologie in den kalten Steppenwintern und bei abrupten Temperaturschwankungen zurechtkommt.

    SMA, ein nordhessischer Produzent von Solarwechselrichtern, nahm für das Projekt keinen Auftrag an, weil das Unternehmen nicht garantieren wollte, dass die Anlage bei minus 40 Grad funktioniert. „Ein großes technisches Problem der ganzen Region ist das Klima, vor allem Kälte“, erklärt Jan Stottko, Sales Manager Eastern Europe bei SMA, „für den Wechselrichter-Hersteller ist das kein Problem. Aber Kettenproblematiken können entstehen. Bei dem Goldbeck-Projekt waren wir noch nicht so weit, dass wir dort das Funktionieren bei minus-40-Grad garantieren konnten. Heute würden wir das tun. Diese Klima-Spezifizierungen werden auch für andere Märkte gefordert, die immer wichtiger werden: Polen, Ukraine, oder Kanada.“

    Als Generalunternehmer war das Hamburger Unternehmen Enerparc für den Bau des Solarparks in Saran verantwortlich. In einem Interview erklärt Stefan Müller, Chief Operations Officer und Miteigentümer des Unternehmens, die Herausforderungen bei Planung und Bau:

    Herr Müller, wie sind Sie an den Auftrag gekommen, den Solarpark in Saran zu bauen?

    Wir hatten schon vorher in der Region gebaut, in Kasachstan, im Altai-Gebirge in Sibirien, in Belarus und in der Ukraine. Da kam Goldbeck Solar auf uns zu und hat uns gefragt, ob wir helfen können. Kasachstan ist extrem schwierig zum Beispiel von der technischen Seite her, weil Sie dort Temperaturschwankungen von minus 50 bis plus 30 Grad innerhalb von kürzester Zeit haben. Da können Sie Stahl beim Größer- und Kleinerwerden zuschauen. Da muss man eben ein bisschen mehr Erfahrung haben. Und die haben wir.

    Stefan Müller, Enerpark AG Stefan Müller, Enerpark AG | © Enerparc AG

    Braucht man bei diesem Klima spezielle Module?

    Das sind alles Glas-Glas-Module gewesen. Normalerweise nimmt man Module mit einem Alurahmen drum herum. Aber Glas und Aluminium haben unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten. Bei starken Temperaturschwankungen kann es sein, dass das Modul das nicht mitmacht. Ein Glas-Glas-Modul kann mitwandern, wenn sich die Unterkonstruktion verändert.

    Die Montage der Anlage zog sich in den Dezember. Wie war es im Winter auf der Baustelle?

    Im Winter bei minus 30 Grad Solarmodule zu montieren ist nicht witzig. Wir haben jetzt vor Kurzem auch wieder riesige Schneestürme gehabt mit Schneewehen, wo Teile des Solarparks einfach verschwunden waren. Da machen Sie nichts mehr mit Schneeschiebern. Da brauchen Sie einen Megabagger. Es treten eine Menge Temperatur-Themen auf, die wir hier nicht kennen: Einen Kabelbinder zu finden, der weder bei plus 30 noch bei minus 50 Grad zerbröselt, ist gar nicht so leicht. Auch Kabel dürfen Sie bei minus 10 Grad nicht mehr verlegen, weil ansonsten ein Kabelbruch entstehen kann. Man baut deshalb kleine Hütten, die man auf 20 Grad heizt, verlegt das Kabel und schiebt die Hütte immer weiter. Also nicht nur, damit die Menschen dort vernünftig arbeiten können, sondern auch für das Material.

    Man braucht wohl auch speziellen Beton, um die Haltesysteme zu fixieren?

    Ja, das ist auch schwierig. Da ist dann der Vorteil, wenn Sie mit Lokalen arbeiten. Die wissen, was man braucht. Lokale Baufirmen haben auch anderes Gerät. Da ist alles ein bisschen größer und kräftiger. Ein deutscher Tiefbauer würde das nicht können.

    Sie hatten zuvor schon viel in der Region gearbeitet. Ist die Kenntnis von Land, Kultur und Leuten wichtig für ein solches Projekt?

    Ja. Wir haben auch russischsprachige Projektmanager an Bord. Wir haben einen ganz starken Partner: Rodina aus Kiew, der über 200 Leute mittlerweile an Bord hat und auch einen großen Maschinenpark. Der konnte über Belarus relativ schnell Rammmaschinen nach Kasachstan bringen, mit denen man die Unterkonstruktion im Boden befestigt. Diese Geräte gibt es in Kasachstan so nicht.

    War es schwer, lokale Arbeitskräfte zu finden?

    Das Schöne an der Fotovoltaik ist ja, dass sie nicht sonderlich komplex ist. Sie können relativ einfach 100 Leute auf die Baustelle kriegen und ihnen erklären, was zu tun ist. Natürlich müssen Sie Qualitätssicherung machen. Wir arbeiteten mit unseren Ingenieuren aus Deutschland und der Ukraine. Auch die Bauleiter kamen aus der Ukraine. Die haben dann Teams angeführt, die lokal gesourct wurden. Wir hatten zeitweise über 500 Leute auf der Baustelle. Im Umkreis von 100 Kilometern war jedes Hotel für sechs Monate ausgebucht. Es war schwer, einen Ort zu finden, wo die Monteure hin konnten. Wir haben Arbeiter dann privat untergebracht, sind da in einem Dorf herumgegangen. Die Dorfbewohner haben sich nebenbei gut Geld verdient.

    Haben Sie Waren 'Made in Kazakhstan' benutzt?

    Alles, was speziell mit den Modulen zu tun hat, also Unterkonstruktion und Wechselrichter, werden in der Regel importiert. Wir haben wirklich jede Schraube von Deutschland nach Kasachstan importiert, weil die Produkte in der Qualität, wie wir sie gebraucht haben, in Kasachstan nicht lieferbar waren.

    Sie haben also gar nichts vor Ort gekauft?

    Zäune, Kabel etc. kriegt man schon in der richtigen Qualität. Aber auch das ist nicht ganz leicht. Trafo-Station und Übergabestation werden in der Regel von den Leuten vor Ort hergestellt. Es muss ja auch nach den lokalen Standards zertifiziert werden. In solchen Ländern sind oft auch Firmen wie die französische Schneider Electric ansässig, die dann im Land eine eigene Fertigung für Trafos haben.

    Von Lukas Latz, Quentin Blommaert | Berlin, Bonn

  • Kommerzielle Banken geben keine Kredite für Steppen-Solarparks

    Kovalchuk_RZ | © Goldbeck Solar GmbH

    Multilaterale Entwicklungsbanken finanzieren Solarparks in Zentralasien. Lokale Behörden können sich aber schwertun, die nötigen Transparenzkriterien zu erfüllen.

    Für beide Anlagen, die Goldbeck Solar in Kasachstan betreibt, erhielt das Unternehmen Kredite von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Der Start des Projekts in Saran erfolgte zunächst ohne Fremdfinanzierung. 

    Der Datenbank der EBRD zufolge erfolgte der Abschluss des Kreditvertrages am 17. Oktober 2018. Zu diesem Zeitpunkt war das Baumaterial bereits drei Monate ausgeliefert. Der Solarpark befand sich bereits seit Juli 2018 im Aufbau.

    „Wir haben die Anlagen ursprünglich über die eigenen Mittel finanziert und dann nach einer gewissen Zeit die Finanzierung mit Darlehen der EBRD umstrukturiert“, sagte Olga Kovalchuk, Senior Investment Managerin bei Goldbeck Solar.

    Kovalchuk zufolge ist eine wichtige Besonderheit bei der Finanzierung von Solarprojekten die geringe Anzahl von Kreditgebern: „Neben EBRD und anderen multilateralen Banken, die Solarprojekte finanzieren, gibt es keine konkurrenzfähigen Kreditangebote von Privatbanken, wie man das grundsätzlich aus Europa oder anderen Ländern kennt.“

    Auch eine Investitionsgarantie der Bundesregierung hat Goldbeck Solar für das Projekt nicht erhalten.

    Kasachische Behörden müssen bei Due Dilligence aktiv unterstützt werden

    Kasachische Behörden hatten zum Teil wenig Erfahrung, die Transparenzkriterien der EBRD zu erfüllen. Auch wenn der Staat nicht Vertragspartner im Kreditvertrag ist, benötigt die Bank eine Vielzahl von Informationen von staatlichen Behörden.

    „In jeder Projektfinanzierung werden Sicherheiten für bewegliches und unbewegliches Vermögen gestellt. Gelder auf den Konten und Rechte aus dem Power-Purchase-Agreement werden verpfändet“, sagt Kovalchuk. Die regionalen und lokalen Behörden sind verantwortlich für formelle Schritte der Eintragung von Sicherheiten. Als Investor musste Goldbeck Solar kasachischen Behörden beim korrekten Ausstellen notwendiger Dokumente aktiv unter die Arme greifen.

    „Das war am Anfang eine Lernkurve, die die lokalen Behörden nehmen mussten“, sagt Kovalchuk. „Mit dem Wissen, das wir und das Team von EBRD mitbrachten, mussten wir die lokalen Behörden unterstützen, wenn es um operative Themen ging, wie etwa 'Wie trägt man eine gewisse Sicherheit korrekt ein?', 'Wie stellt man Registrierungszertifikate aus?'. Das waren erwartungsgemäß eher neue Themen für die lokalen Behörden.“

    Auf Anfrage erklärt die EBRD dazu, dass es auf jedem Markt Probleme mit der Ausformulierung der Dokumentation kommen kann. Die EBRD bemühe sich, den Prozess zu erleichtern, insofern es von der Bank abhänge.

    Vor dem Abschluss des Kreditvertrages führte die EBRD eine Due-Dilligence-Prüfung durch, in der die Bank die finanzielle, juristische und technische Dimension eines Projekts gründlich überprüft. Zur technischen Überprüfung gehört auch ein Besuch der Anlage durch einen technischen Berater der Bank.

    Kreditvergabe ist geknüpft an Frauenförderungsprogramm

    Im Rahmen des Kreditvertrags wurde zudem vereinbart, dass sich Goldbeck Solar an einem EBRD-Programm zur Förderung von Frauen im Erneuerbare-Energien-Sektor beteiligt. „Dieses soll durch einen verbesserten Zugang zu einer qualitativ hochwertigen technischen Ausbildung, die Sensibilisierung für die Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem Sektor (für Frauen und Männer) und durch die Unterstützung von Unternehmen realisiert werden“, erklärt Kovalchuk. "Im Rahmen der Initiative werden Ausbildungs- und Praktikumsmöglichkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien für Studentinnen der örtlichen Berufsschulen und Universitäten angeboten."

    Arbeit mit drei Währungen führt zu hohem Verwaltungsaufwand

    Die Auszahlung des Darlehens erfolgt zum Teil in der lokalen Währung Tenge und zum Teil in US-Dollar. „Bei einem solchen Projekt arbeiten wir immer mit drei Währungen“, sagt Kovalchuk. Einige wichtige Verträge für Installation und Betriebsführung würden in Euro abgewickelt. Auch die Vergütung für den eingespeisten Strom erfolgt in der lokalen Währung. Kovalchuk betont: „Die Zusammenarbeit mit dem Netzbetreiber KEGOC funktioniert reibungslos. Alle Zahlungen des Stromabnehmers, einer hundertprozentigen Tochter des Netzbetreibers, erfolgen ohne Verzögerung.“

    Die deutsche Rechtsberatung Rödl und Partner hat ein Büro im kasachischen Almaty. Die Kanzlei kann internationale Investoren dabei unterstützen, Ihre Investitionsvorhaben zu realisieren. Zu einer häufig auftretenden Schwierigkeit zählt laut Michael Quiring, Partner von Rödl und Partner in Almaty, die Wirtschaftsprüfung gegenüber Kasachstans Investitionsbehörde: „Wenn Sie sich mit der kasachischen Investitionsbehörde über gewisse Steuer- und Zollerleichterungen geeinigt haben, dann wollen die natürlich auch überprüfen, ob Sie die vereinbarte Summe auch wirklich investiert haben. Wenn der Wechselkurs in dem Zeitraum schwankt, in dem ein Unternehmen investiert, kann der Nachweis über die investierte Summe jedoch gar nicht so einfach sein. Die kasachische Investitionsbehörde schaut erst einmal darauf, was Sie in Tenge investiert haben. Der Unternehmer schaut natürlich darauf, was er in Euro oder in US-Dollar investiert hat.“

    Von Lukas Latz, Quentin Blommaert | Berlin, Bonn

  • Welche Zukunft hat erneuerbare Energie in Kasachstan?

    Kasachstan hat ehrgeizige Ziele zum Ausbau erneuerbarer Energien formuliert. Doch bevor sich neue Geschäftschancen eröffnen, muss der Staat das Stromnetz modernisieren.

    Im Dezember 2020 kündigte Kasachstans Präsident Tokajew an, dass Kasachstan bis 2060 CO2-neutral werden soll. Seit 2018 führt Kasachstans Strommarktoperator KOREM Auktionen durch zur Versteigerung von Abnahmeverträgen. Die Auktionen führten zu einer spürbaren Preissenkung.

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    „Deutschland und Kasachstan haben das gleiche Verständnis, wohin es energiepolitisch gehen muss“, sagt Elena Metzger, die bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) verantwortlich ist für den energiepolitischen Dialog zwischen Deutschland und Kasachstan, der 2020 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ins Leben gerufen wurde. „Wir sprechen mit Kasachstan über Dekarbonisierung und kohlefreie Zukunft. Vor drei Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen.“

    Kasachstans Stromnetz muss flexibler werden

    Eine große Baustelle bleibt derweil die Integration von Erneuerbaren ins Stromnetz. „Schon der Anstieg der erneuerbaren Energien auf drei Prozent macht dem Netz Schwierigkeiten“, sagt Metzger, „Angesichts der aktuellen Netzinfrastruktur ist es ein sehr ehrgeiziges Ziel, in knapp acht Jahren den Erneuerbare-Energie-Anteil auf 15 Prozent steigern zu wollen. Dafür muss das Netz weiter flexibilisiert werden. Die Modernisierung braucht Zeit und muss konsequent angegangen werden. Punktuell könnte auch der Einsatz von Speichertechnologien infrage kommen, zum Beispiel an Orten wie Saran, wo sehr große Solarparks an das Stromnetz angeschlossen sind.“

    Weil das kasachische Stromnetz einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien nicht vertragen würde, ist die Summe an versteigerter Stromleistung, die der Netzbetreiber bereit ist abzunehmen, zuletzt stetig zurückgegangen. 2018 wurden noch Abnahmerechte für eine Leistung von 780 Megawatt versteigert. Bei den Auktionen für 2021, die im November stattfinden werden, stehen nur 200 Megawatt im Angebot.

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    Auch Michael Quiring, Partner der Kanzlei Rödl und Partner in Almaty weist darauf hin, dass die erneuerbaren Energien zurzeit noch ineffektiv ins Stromnetz eingebunden sind: „Nach den kasachischen Bestimmungen zum Aufrechterhalten des Leistungsgleichgewichts zwischen Stromerzeugung und -abnahme muss der Energieerzeuger jeden Tag per Mail an den Netzbetreiber Informationen zur Verfügung stellen, wie viel Strom er heute produziert. In der kasachischen Wüste kann sich der Wind jedoch schnell drehen, dann wird das Wetter komplett anders und der am Tag produzierte Energieertrag ändert sich.“

    Kasachstans Stromnetzbetreiber hat höhere Kosten, wenn Solarparks mehr oder weniger Strom als angekündigt einspeisen. „Der kasachische Gesetzgeber plant daher, den Betreiber des Solarparks zu sanktionieren, wenn die Prognose um mehr als zehn Prozent abweicht“, sagt Quiring.

    Deutsche Unternehmen warten, bis neuartige Projekte möglich werden

    Wenn die von Tokajew angekündigten Ziele umgesetzt werden, kann langfristig jedoch wieder mit einem deutlichen Ausbau erneuerbarer Energien gerechnet werden.

    „Wir sehen Kasachstan als zukunftsorientierten Markt und sind in Gesprächen mit lokalen Entwicklern, um weitere Projekte in den nächsten Jahren zu realisieren“, sagt Olga Kovalchuk, Senior Investment Managerin bei Goldbeck Solar. Kovalchuk zufolge erwägt die kasachische Regierung, in das Stromnetz künftig auch hybride Anlagen aus Solar + Windenergie, Solar + Speicher oder Solar + Geothermie aufzunehmen. Sobald neuere Projekte möglich werden, sieht Goldbeck Solar auch wieder Chancen für sich.

    Investition in Kasachstan birgt Länderrisiko

    Im Rule of Law Index des World Justice Project liegt Kasachstan unter 128 untersuchten Ländern auf Rang 62 und damit zwischen Ungarn, Nepal und Panama. Investoren in Kasachstan können nicht mit der gleichen Investitionssicherheit rechnen wie in der Europäischen Union oder in Nordamerika. Gesetzgebung kann sich schnell und unerwartet ändern.

    In der Praxis bedeutet das, dass Investoren häufig auf eine schnellere Amortisierung der Investition setzen. Stefan Müller, Chief Operations Officer bei dem Solarunternehmen Enerparc, erklärt: „Ein Pensionsfonds, der von uns eine Solaranlage in Deutschland kauft, ist total happy mit zwei Prozent Rendite, weil das im Endeffekt wie eine Staatsgarantie ist. Wenn Sie jetzt nach Kasachstan gehen und von dem Staat Kasachstan eine Bürgschaft bekommen, dann ist das ein Stück Papier. Das ist erstmal nicht viel wert. Daher muss eine hohe Rendite sehr kurzzeitig erwirtschaftet werden, sodass man am Ende eine Payback-Time von sechs oder sieben Jahren hat. In Deutschland hat man dagegen zehn Jahre.“

    Technologietransfer macht deutsche Expertise schnell obsolet

    Da Fotovoltaik keine besonders komplizierte Technolgie ist, geht mit ausländischen Direktinvestitionen in Fotovoltaik relativ schnell ein Wissenstransfer einher.

    „Mittlerweile gibt es in Kasachstan selbst auch Solarfirmen, die Anlagen bauen können wie die, die wir gebaut haben“, sagt Stefan Müller von Enerparc. „In dem Moment ist es für uns gar nicht mehr so interessant, dort weiter aktiv zu sein. Wir haben bei der zweiten Anlage [von Goldbeck Solar] nur das Engineering und Design gemacht, während die eigentliche Ausführung unser ukrainischer Partner übernommen hat. Da waren wir gar nicht mehr involviert.“

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    Von Lukas Latz, Quentin Blommaert | Berlin, Bonn

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